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Trotz aller Besonderheiten folgt ein Wahlkampf den Gesetzmäßigkeiten jeder Kampagne. Dies lässt sich am bündnisgrünen Wahlergebnis gut ablesen.  Aktuelle Artikel und Publikationen zu Politik- und Parteienforschung

1.    Me-too-Positionierung schafft keine Marktführer

2.    Das Angebot muss stimmen

3.    Verzicht ist nicht mehrheitsfähig

4.    Ein Preispremium muss gut begründet sein

5.    Umfragen richtig deuten

6.    Wahlkampf ist keine Mitgliederwerbung sondern Bewerbung auf die Führung des Staates


Inhaltlich haben eine Partei und ein Brotaufstrich nicht viel gemein. Doch das Werben um die Stimmen der Wähler/innen und das Werben um die Gunst der Verbraucher/innen erfolgt den gleichen kommunikativen Regeln. Betrachtet man den Wahlkampf anhand von Zielgruppen, Positionierung, Angebot, Preisstellung, Botschaft oder Tonalität erkennt man schnell, dass diese Kampagne nicht auf Zugewinn ausgelegt war.

1.    Me-too-Positionierung schafft keine Marktführer

Wahlen und Marktwirtschaft haben einen gemeinsamen Nenner: den Wettbewerb. Um im Wettbewerb zu bestehen, muss Nutella sagen, warum es besser ist. Im Marketing heißt das, eine Unique Selling Proposition, ein attraktives Alleinstellungsmerkmal sein eigen nennen zu können.

Auch die Bündnisgrünen müssen sich fragen lassen, warum sie gewählt werden sollen. Das Fachblatt w&v analysiert, dass fünf von zehn Themenplakaten den Schwerpunkt Gerechtigkeit hatten. Doch linker als die SPD und der Verzicht auf fiskal- und sicherheitspolitisches Hasardspielereien der Linken reichen nicht als Unterscheidungsmerkmal bei drei Parteien, die um die Positionierung „soziale Gerechtigkeit“ buhlen – die beiden Konkurrenten haben da ältere Rechte. So blieb zwischen Nutella und Nusspli nur noch die Discounter-Positionierung „Nussetti“ für die Partei übrig.  

Hinweis: Die nicht erst seit Ausscheiden der FDP brachliegende Positionierung der liberalen Bürgerrechtspartei bleibt unbesetzt.

2.    Das Angebot muss stimmen

Im Produktmarketing führen falsche Produktversprechen zu sinkenden Marktanteilen. Auch im Wahlkampf kann man die falschen Versprechen machen, indem man die falschen Fragen richtig und die richtigen Fragen nicht beantwortet.
Zu der Kategorie „falsche Fragen richtig beantwortet“ gehört das Thema soziale Gerechtigkeit, siehe oben. In weiteren Wahlunterlagen zählte die Partei zudem „9 Punkte für Grün“. Doch offen blieb, warum Massentierhaltung eines der neun drängendsten Probleme der Bundesrepublik sein sollte und welches Wahlversprechen sich hinter „Wohlstand neu definieren“ verbarg.

Richtige Fragen spielten im Wahlkampf hingegen keine Rolle: Euro-, Europa- und Außenpolitik blieben eine Leerstelle, obwohl sie das politische Geschehen der letzten Legislaturperiode wie kaum ein anderes bestimmten. Für die Bewerbung auf ein Regierungsmandat ist die Positionierung deutsche Legehennenverordnung statt europäischer Außenpolitik kein überzeugendes Angebot an die Wählerschaft.

Hinweis: Es schien, dass je größer die gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen, desto kleiner die Bündnisgrünen wurden. Doch eine Partei wächst an den Themen, denen sie sich stellt – oder schrumpft mit ihnen.

3.    Verzicht ist nicht mehrheitsfähig

Im Wettbewerb mit anderen Staats- und Wirtschaftsformen schreiben sich Demokratie und Marktwirtschaft die Errungenschaft von Freiheit und Wohlstand auf die Fahnen.

Lästiger Nachteil dieses Systems: man muss um Mehrheiten werben. Und gerade bei der Abwägung zwischen Gemeinwohl (z.B. Klimaschutz) und Individualnutzen (z.B. Rendite) wird diesem System weniger Lösungskompetenz zugesprochen.
Das Marketing kennt für dieses Dilemma die Verhaltensökonomik. Sie hilft zu verstehen, was Menschen daran hindert, ihr Verhalten wie gewünscht zu ändern und Instrumente zu entwickeln, diese Hindernisse zu überwinden. Verbote gehören nicht zum Instrumentarium.

Manche hielten den „Veggie Day“ für einen missverstandenen und von Gegnern hochgespielten „harmlosen Appell“. Doch die Tonalität von „Öffentliche Kantinen sollen Vorreiterfunktionen übernehmen. Angebote von vegetarischen und veganen Gerichten und ein „Veggie Day“ sollen zum Standard werden.“ in einem Bundestagswahlprogramm kann kaum anders verstanden werden als eine Ankündigung, nach Kräften das „sollen“ durch staatliches Handeln in ein „werden“ umzuwandeln.

Hinweis: Staatsdirigismus garantiert keine besseren Ergebnisse. Am Ende war die DDR nicht nur finanziell, wirtschaftlich, politisch und moralisch bankrott, sondern auch ökologisch.

4.    Ein Preispremium muss gut begründet sein

Weder Wählerschaft (Spitzenverdiener), noch Wahlprogramm (Spitzenstaatseinnahmen) machen die Partei zu einem Discounter. Und auch in der Markenwelt gilt: Wer ein Preispremium durchsetzen will, muss dies gut begründen können. Auf das Steuerkonzept waren die Bündnisgrünen besonders stolz, sollte es die Partei doch „ehrlich“ machen.

Dabei hatte die Partei nur scheinbar ihre Rechenaufgaben gemacht. Mehr machen mit mehr Geld ist kein Kunststück. Heinz Bude hat dazu alles gesagt: “Die Deutschen haben in den letzten Jahren durch die niedrigere Verzinsung und Steuermehreinnahmen aufgrund der robusten Wirtschaft 100 Milliarden Euro mehr in den Kassen, als es vor zehn Jahren vorausgesagt wurde. Wenn da eine Partei Steuererhöhungen fordert, verlangt doch jeder Kundige, dass sie erst einmal sagt, was mit den 100 Milliarden Euro passiert ist und begründet, wieso 15 Milliarden Euro mehr da eine zusätzliche Besserung bringen.“

Hinweis: Damit ist die ketzerische Frage, ob der Staat schlanker nicht vielleicht sogar effektiver wäre, noch gar nicht gestellt.

5.    Umfragen richtig deuten

Was dem Konsumartikelhersteller die Marktforschung, ist der Partei die Sonntagsfrage: beide laufen Gefahr, die Ergebnisse als eine Vorhersage für die Zukunft zu interpretieren. Doch ein gutes Ergebnis in der Marktforschung macht noch keinen Kassenschlager und ein hohes Potential noch keinen Wahlsieger.
Angesichts der Themen und der Zustimmung in Umfragen wähnte die Partei in der Bevölkerung einen aufsteigenden grünen Zeitgeist, welcher den Bündnisgrünen hegemonialen Status zusprach. Dabei hatten die Umfragen nur eines ergeben: grüne Themen waren insgesamt mehrheitsfähig, die Bündnisgrünen waren für mehr Menschen prinzipiell wählbar geworden. Das waren sehr gute Voraussetzungen. Mehr aber auch nicht.

Im Wahlkampf wurde dieses Potential offenbar mit der Kernzielgruppe einfach gleichgesetzt. Damit war ein Wahlergebnis auf Niveau der Stammwählerschaft absehbar.

Andere Ergebnisse von Meinungsumfragen wurden schlicht ignoriert: Ein Lagerwahlkampf aus der Opposition ohne absehbare Wechselwilligkeit in der Bevölkerung ist das Bohren des Brettes an der dicksten Stelle.
Hinweis: Über Volksparteien wird in den letzten zwanzig Jahren nur geschrieben, dass sie es eigentlich nicht mehr seien. Der Begriff ist negativ konnotiert. Man kann ihn getrost anderen überlassen.

6.    Wahlkampf ist keine Mitgliederwerbung sondern Bewerbung auf die Führung des Staates

Sind Zielgruppe und Botschaft nicht definiert, kann eine Kampagne nicht wirken. Das gilt für Brotaufstrich wie für Wahlkampf. Vielleicht erschien den Strateg/innen die Definition so klar, dass ihr nicht allzu viel Bedeutung beigemessen wurde.
Heraus kam eine Kampagne, die eher zur Mitgliederwerbung denn zum Wahlkampf taugte. „Ich seh‘ das anders – und Du?“: Sie forderte Einvernehmen mit dem Betrachter ein, Zugehörigkeit zu einer Gruppe, Zustimmung zu Positionen, Engagement und Gesinnung. Das ist ganz schön viel – und spricht entsprechend weniger Menschen an.

Dabei geht es bei einem Wahlkampf nicht darum, sich zu Bündnisgrün zu bekennen. Wahlkampf ist eine Handlungsaufforderung für einen einzigen Tag. Es geht einzig und alleine darum, möglichst viele Menschen, die sich prinzipiell vorstellen könnten, vielleicht für die Grünen zu stimmen, wenn auch nur ein einziges Mal, dazu zu bewegen, genau dies bei dieser Wahl zu tun – selbst, wenn sie sich sonst mit einem Bündnisgrünen nicht einmal einen Tisch teilen würden.

Eine Wahl ist kein Gesinnungsvereinwettbewerb, sondern eine Bewerbung auf die Management- und Führungspositionen des Staates. Dabei geht es um Lösungskompetenz und Führungspersonal. Vereinnahmende Bekennerkampagnen sind dabei kontraproduktiv.

Hinweis: Für den Inhalt des Wahlkampfs (Programm, Kampagne, Kandidat/innen) ist ausschließlich die Partei verantwortlich. Ein Klagelied über Gegner und Medien (oder Wähler/innen gar) wird dieser Verantwortung nicht gerecht.