Die offenen Adern der Welt: Trends und Fakten zum globalen Ressourcenboom

Tagebaugrube
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Tagebau von Glencore in Bolivien

Natürliche Ressourcen sind die Basis des täglichen Lebens und des Wirtschaftens. Wir brauchen sie in allen Lebensbereichen – von der Ernährung bis zur Energieversorgung, von der Mobilität bis zur Kommunikation. Rohstoffe und Ressourcen sind geografisch ungleich verteilt. Der grenzüberschreitende Handel mit ihnen und Menschenrechtsverletzungen, Umweltzerstörung, Konflikte und Kriege sind deshalb keine neuen und schon gar nicht auf die Epoche der Industrialisierung beschränkte Phänomene der Ressourcennutzung und -aneignung.Die Nachfrage nach fossilen, mineralischen und biotischen Rohstoffen wächst global dramatisch. Was sind die Gründe und die Folgen dafür?

Der Rohstoff- und Ressourcenboom und seine Gründe

Erstens: Die Industrieländer, die seit Jahrhunderten ein Privileg auf die Ausbeutung von Rohstoffen genießen, rücken nicht vom fossilen und ressourcenintensiven Produzieren und Konsumieren ab. Eine tiefgreifende soziale und ökologische Transformation des expansiven Wirtschaftsmodells findet nirgendwo statt. Eine Abkehr von business as usual – wie sie die OECD, die UNO, die Weltbank oder selbst Wirtschaftsberatungsfirmen wie McKinsey im Lichte von Klimawandel und Ressourcenknappheit fordern – ist nicht erkennbar.

Zweitens: Mit der ökonomischen Globalsierung sind neue „Wettbewerber“, Produzenten und Konsumenten hinzugekommen. Auch ihr Entwicklungsmodell basiert weitgehend auf einer fossilen Energiewirtschaft und einem ressourcenintensiven Produktions- und Konsummodell, das das des Nordens nachahmt.

Mit der Steigerung der globalen Warenproduktion und des Welthandels stieg auch die weltweite Versorgung mit Primärenergie. Nach Information der Bundeszentrale für politische Bildung, die sich auf Angaben der Internationalen Energie Agentur berufen, nahm die Versorgung mit Primärenergie zwischen 1973 und 2011 von 6.115 auf 13.113 Millionen Tonnen Öläquivalent zu. „Das entspricht einer Steigerung von insgesamt 114,4 Prozent bzw. aufs Jahr umgelegt 2,0 Prozent Wachstum pro Jahr seit 1973“, so die Bundeszentrale für politische Bildung [1]. Im weltweiten Energiemix, d. h. der tatsächlich konsumierten Energie dominieren laut einer Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe die fossilen Energieträger bei weitem. Denn die Anteile aller Energieträger am Verbrauch (2012) sehen wie folgt aus: Erdöl liegt bei 33 Prozent, Kohle bei 30 Prozent, Erdgas bei 24 prozent, Uran bei 4 Prozent, Wasserkraft bei 7 Prozent und Erneuerbare Energien bei 2 Prozent [2].

Der Ausstoß von Klimagasen galoppiert und erreicht neue Höhepunkte, während Milliarden Menschen überhaupt noch keinen Zugang zu modernen Energiedienstleistungen haben. Eine 3 bis 5 °C wärmere Welt ist kein Hirngespinst – aber tatsächlich unvorstellbar in ihren Auswirkungen. Die armen und ärmsten Bevölkerungsschichten in aller Welt werden am meisten darunter leiden.

Hinzugekommen ist drittens die globale Nachfrage nach strategischen Rohstoffen für neue Technologien – für die Kommunikation, für den erneuerbaren Energiesektor und den Verkehrsbereich. In den Bildschirmen eines Laptops sorgen beispielsweise die Stoffe mit den schönen Namen Cer, Lanthan, Europium, Terbium, Yttrium und Gadolinium für kräftige Farben. Für Laptops oder Handys sind die kleinen und leistungsstarken Lithium-Ionen Batterien ebenso wichtig wie Neodym für Windkraftanlagen und Elektroautos [3] Weltweit ist der Verbrauch von sogenannten nicht-energetischen Rohstoffen wie Lithium, Coltan, Tantal, oder Seltene Erden in den letzten 30 Jahren um weit über 50 Prozent gestiegen.

Viertens: Mit der ökonomischen Globalisierung ist eine stark wachsende globale Mittelklasse entstanden, deren Ernährungsgewohnheiten sich den westlichen Konsummustern anpassen. Das hat die Nachfrage nach Nahrungs- und Futtermitteln in die Höhe schnellen lassen. Dies ist auch ein Grund für einen globalen Landrausch, für Investitionen in fruchtbares Land.

Beim Fleischkonsum zeigt sich ein ähnliches Muster wie beim Energieverbrauch: Die Bürger/innen im Norden konsumieren auf hohem Niveau: Der Verzehr in Deutschland liegt bei 59 kg pro Kopf und Jahr, in den USA liegt bei 75,3 kg und China bei 38 kg. Auch hier zum Vergleich: In Afrika liegt der Durchschnitt unter 20 kg pro Kopf. Rund 80 Prozent des Wachstums im Fleischsektor so die Prognosen werden bis 2022 allerdings auf Entwicklungsländer entfallen, vor allem die asiatischen Boomländer China und Indien. China ist heute schon der weltweit größte Produzent von Schweinen (mit 52 Mio. Tonnen) [4].

Das verstärkt den Trend zu industrialisierter Tierproduktion massiv. Vor allem die Notwendigkeit des Ausbaus von Agrarflächen für den Futtermittelanbau. Knapp ein Drittel der 14 Mrd. Hektar kultivierten Lands unserer Erde dient dem Anbau von Futtermitteln. Von knapp 17 Mio. Hektar Sojaanbaufläche in Argentinien wird auf etwa 33 Prozent Soja für die EU angebaut. In Brasilien geschieht dies etwa auf 30 Prozent der insgesamt etwas weniger als 22 Mio. Hektar. In Europa basiert die Produktion von Schweine-, Geflügel-, Rindfleisch und Milch auf den Importen von Futtermitteln, v. a. Soja. Auch sogenannte Energiepflanzen aus Mais, Zuckerrohr oder Raps belegen Abermillionen Hektar Agrarflächen, die für den Nahrungsmittelanbau fehlen.

Die Nachfrage nach fossilen und mineralischen Rohstoffen sowie Land haben die globalen Rohstoff- und Bodenpreise nach oben getrieben. Zwar sind gerade Rohstoffmärkte anfällig für Nachfrage- und damit auch Preisschwankungen. Und auch Spekulationen haben einen nachweislichen Effekt auf die Preise. Ob bei fossilen, nicht-energetischen und biotischen Rohstoffen sowie bei Nahrungsmitteln – die meisten Prognosen gehen davon aus, dass hohe Preise eher die Regel als die Ausnahme sein werden.

Die Folgen des Rohstoff- und Ressourcenbooms

Die Folgen sind natürlich pro Rohstoff und Ressource differenziert zu betrachten, aber einige Trends lassen sich ausmachen.

Erstens: Die gestiegenen Rohstoffpreise machen auch aufwändigere Erschließung und Abbau vor allem fossiler Rohstoffe ökonomisch wettbewerbsfähig. Der Abbau von Teersanden ist hierfür ein Beispiel. Mit dem Anstieg des Ölpreises wird auch die teure Teersandextrahierung für Konzerne immer lukrativer. Das Verfahren braucht viel Energie, viel Wasser und Chemikalien und hinterlässt giftige Abwasserbecken. Ein weiteres Beispiel für eine Folge des hohen Goldpreises: Der Sachverständigenrat für Umweltfragen weist in seinem Umweltgutachten 2012 darauf hin, dass eine satellitengestützte Studie zeigen konnte, dass die Abholzung des peruanischen Regenwaldes – einem weltweiten „Biodiversitäts-Hotspot“ – parallel zum steigenden Goldpreis zunimmt. Zwischen 2003 und 2009 vervielfachten sich sowohl der Goldpreis als auch die jährlich abgeholzte Fläche, so der Sachverständigenrat für Umweltfragen in seinem Umweltgutachten 2012 [5].

Die Gewinnung von Schiefergas – nach der genutzten Technologie auch Fracking genannt – ist zwar kein Kind der gestiegenen Rohstoffpreise, wohl aber eines der großen Nachfrage nach den fossilen Ressourcen. Massive Grundwasserverschmutzung, schwerwiegende gesundheitliche Auswirkungen für die betroffene Bevölkerung und deutlich höhere CO2-Emissionen als durch andere fossile Brennstoffe sind die Folgen [6].

Zweitens: Die Nachfrage nach der Ressource Land nimmt aufgrund hoher Preise für Nahrungsmittel und agrarische Rohstoffe massiv zu. Kein Wunder, dass die Landnahme, das Aufkaufen und Pachten von Land für Nahrungs- und Futtermittel, für Energiepflanzen oder für Holz eine ganz neue globale Dimension hat. Laut Oxfam Deutschland wurden in den zehn Jahren vor 2008 im Schnitt jährlich 4 Millionen Hektar aufgekauft oder verpachtet. Für das Jahr 2009 nennt die Weltbank 45 Millionen Hektar – eine Steigerung um das Zehnfache [7]. Investoren suchen fruchtbare Böden mit sicherem Zugang zu Wasser, sie bestimmen zentral die Auswahl der Landflächen.

Zu den TOP 10 der Länder, wo Flächen gekauft und verpachtet werden, gehören laut der Datenbank „Land Matrix“ (Stand 13.05.2014) Papua Neu Guinea, Indonesien, Süd-Sudan, Kongo, Mosambik, Brasilien, Ukraine, Liberia, Sudan und Sierra Leone. Afrika steht im Mittelpunkt des globalen Landgeschäfts. Zu den TOP 10 der Hauptinvestoren, also den Staaten, die sich Land in anderen Ländern sichern, gehören die USA, Malaysia, die Vereinigten Arabischen Emirate, Indien und Singapur [8].

Der Ressourcenboom hat vor Ort lokal gravierende soziale und ökologische Folgen. Menschenrechte der lokalen Bevölkerung werden häufig missachtet. Häufig werden lokale Bevölkerungsgruppen wie Indigene oder Kleinbäuerinnen und Kleinbauern von ihren Territorien vertrieben. Traditionelle Landrechte werden missachtet, der Staat vergibt Konzessionen an Agrar- Bergbau oder Erdöl-Unternehmen zur Ausbeutung der Gebiete, meist ohne demokratische Kontrolle und Partizipation der Betroffenen.

Bei unkonventionellen und hochriskanten fossilen Ressourcen werden bisher unberührte Gegenden von Alaska über die Anden und das Kongo-Becken bis zur Tiefsee erschlossen und dem Raubbau preisgegeben.

Aber auch eine „indirekte“ Vertreibung findet statt. Wo durch Umweltverschmutzung der Lebensraum zerstört wird, werden den Menschen ihre Einkommensmöglichkeiten und Lebensgrundlagen genommen, sie migrieren. Ökosysteme werden beim Abbau von Ressourcen oder durch Monokulturen zerstört (Verlust der Biodiversität, Verseuchung von Wald, Böden und Wasser). In Chile – um ein Beispiel für Umweltverschmutzung zu nennen – werden jährlich 57 Mio. m³ Wasser für die Kupferaufbereitung verwendet, was insbesondere in einer extrem trockenen Zone wie der Atacama-Wüste, in der Chiles größte Kupfermine liegt, zu einer Veränderung des Wasserhaushaltes führt. Problematisch ist dabei, so das Umweltgutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen, sowohl die Kontamination des Wassers als auch der Wasserverlust [9].

Alte und neue Akteure des globalen Ressourcenbooms

Anders als in vorigen Jahrhunderten: Heute sind es nicht mehr alleine die klassischen Industrieländer, sondern große Schwellenländer, die zu den wichtigsten Nachfragern aber auch herausragenden Produzenten mineralischer und biotischer Rohstoffe geworden sind. Schwellen- und Industrieländer konkurrieren längst um Rohstoffe jedweder Art. Sie ex- und importieren untereinander.

In der G20 treffen die größten Abnehmer- und Produzentenländer mineralischer Rohstoffe zusammen. Eine Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik, die in Kooperation mit der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe erstellt wurde, hält fest, dass die G20 Länder im Jahr 2010 72 Prozent des weltweiten Anteils der Bergbauproduktion. Zudem sind China, Australien, Brasilien und Indien die weltweit größten Rohstoffproduzenten [10]. Und China hat sich im vergangenen Jahrzehnt zum mit Abstand größten Welt-Verbraucher von Aluminium, Blei, Kupfer, Nickel, Zinn oder Stahl gewandelt. Seit Beginn des neuen Jahrtausends ist China nach Angaben der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe zum Land mit dem größten Einfluss auf die Rohstoffmärkte aufgestiegen, während die USA massiv an Einfluss verloren haben [11].

Für die Länder Lateinamerikas sind der Ressourcenreichtum und dessen Ausbeutung kein Zeichen mehr von ökonomischer Unterentwicklung und politischer Abhängigkeit vom Norden. Sie sind vielmehr Ausgangspunkt nationaler Entwicklungsstrategien, die maßgeblich unter der Kontrolle der Nationalstaaten sehen. Die Wechselwirkungen des Ressourcenbooms mit der Wirtschaftspolitik und Demokratieentwicklung lateinamerikanischer Staaten stehen im Zentrum dieser Konferenz.

Viele ärmere rohstoffreiche Entwicklungsländer in Asien und Afrika finanzieren sich nach wie vor überwiegend aus Einnahmen aus dem Rohstoffexport. Der Trend in rohstoffreichen afrikanischen Ländern sieht leider sehr klassisch aus. Es wird unverarbeitet für den Weltmarkt produziert. Das Bruttoinlandsprodukt ist in Afrika von 2000 bis 2011 um 64 Prozent angestiegen. Rund ein Drittel davon entfällt auf die natürlichen Ressourcen. Es profitieren jedoch hauptsächlich die Eliten vom Wirtschaftsboom. Die Armut in den breiten Bevölkerungsschichten geht kaum zurück, auch wenn eine kleine Mittelklasse entsteht. Die Einkommensungleichheit nimmt eher zu als ab – so ein gemeinsamer Bericht der OECD, der Afrikanischen Entwicklungsbank, des UNDP und der Afrikanischen Wirtschaftskommission [12].

Auch wenn immer mehr Investitionen nach Afrika fließen, konzentriert sich das wirtschaftliche Engagement der Industrie- und Schwellenländer zumeist auf einige ressourcenreiche und rohstoffexportierende Länder. Hier werden altbekannte (koloniale) Muster der Exportorientierung von Primärprodukten praktiziert. Die Verarbeitung findet woanders statt.

Rohstoffreichtum kann eine Chance für menschliche Entwicklung darstellen – oder aber Ausbeutung Korruption, Staatszerfall, Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen verschärfen. „Hohe Rohstoffrenten in einem Staat mit schlechter Regierungsführung und schwachen Institutionen können Korruption, Rentenverhalten, Misswirtschaft und innerstaatliche Konflikte fördern“ und soziale Entwicklung massiv behindern, zu dem Schluss kommt auch die Stiftung Wissenschaft Politik und Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe und in einer gemeinsamen Studie [13]. Das ist dann Ressourcenfluch par excellence, der keineswegs auf Afrika beschränkt ist.

Wer profitiert vom Ressourcenboom, von den Exporterlösen? Wie werden sie versteuert? Wie sehen die Lizenzen und Konzessionen aus? Wie wird die Umwelt geschützt? Wie mit knappen, endlichen Ressourcen umgegangen? Dient die staatliche Politik dem Allgemeinwohl?

Renaissance des Staates in der Rohstoffpolitik

Mit dem Rohstoff- und Ressourcenboom ergeben sich neue politische Aufgaben und Handlungsspielräume sowie handels- und vor allem geopolitische Herausforderungen und Fragen. Wie noch nie in der modernen Geschichte steht Ressourcen- und Rohstoffpolitik ganz oben auf der nationalen wie internationalen politischen Agenda der Industrie- und der Schwellenländer. Auch hier ein paar wenige globale Trends:

Erstens: Die Rohstoffsicherung steht im Vordergrund staatlichen Handelns überall auf der Welt, gleich welchen Regimetyps. Es ist gar von einer Renaissance der Rohstoff- und Ressourcenpolitik und von Rohstoffnationalismus die Rede. Die Ziele und Strategien dazu variieren natürlich je nach Ausgangsposition. Welche Ressourcen sind national vorhanden und sollen selbst verwertet werden? Wie viel soll oder muss exportiert und wie viel importiert werden? Welche Entwicklungsstrategie wird verfolgt – eine auf Verteilung der Erlöse aus der Ressourcenausbeutung ausgerichtete soziale, armutsmindernde Entwicklung? Sollen einheimische Wertschöpfungsketten aufgebaut werden oder ausschließlich die einheimischen Ressourcenrenten für die Eliten maximiert werden? Die Maßnahmen variieren entsprechend und reichen von Verstaatlichungen, Protektionismus, Lizenzgebühren, Exportzöllen, staatlichen Anreizen zur Exploration bis zu handels- und weiteren investitionspolitischen Maßnahmen [14].

Zweitens: Auch die geopolitische Diversifizierung des Nachschubs steht längst auf der Tagesordnung von Regierungen und Unternehmen. Das trifft vor allem für die Erdöl- und Erdgasquellen und ihre Transportrouten zu. In Afrika, Lateinamerika, am Persischen Golf oder rund ums Kaspische Meer stecken Regierungen und die Erdölkonzerne mit Milliardensummen für Exploration, Konzessionen und Erschließung ihre Claims ab. Die höchsten Explorationsausgaben wurden laut der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe 2012 in Lateinamerika (25 Prozent) getätigt. Hauptsächlich wurde in den Ländern Mexiko, Chile, Peru, Brasilien, Argentinien und Kolumbien investiert, wobei das Augenmerk in erster Linie auf Gold gerichtet war [15]. China betrachtet seine Nachbarländer in Ost- und Südostasien längst als unmittelbare Rohstofflieferanten für seine (exportorientierte) Ökonomie und kauft sich überall auf der Welt und wo immer möglich in langfristige Konzessionen aller Arten von Ressourcen ein.

Ressourcenpolitik ist längst Teil der Außenpolitik und geostrategischer Positionierungen. Multilaterale Ansätze gibt es so gut wie keine. Letzteres liegt an den oben skizzierten großen Unterschieden in den Interessen, Entwicklungs- und Ordnungsvorstellungen, Zielen und Instrumenten staatlicher Ressourcenpolitik. Aber alle G20 Staaten verfügen mittlerweile über ein breites Repertoire von Instrumenten, um die jeweiligen nationalen Ressourcenbedarfe der Industrie und Landwirtschaft – gleich ob staatlich oder privatwirtschaftlich organisiert – zu sichern. Der politische und vor allem finanzielle Schwerpunkt liegt bei Industrieländern und Emerging Economies dabei eindeutig bei der Exploration, dem Aufbau der Weiterverarbeitung einheimischer Ressourcen oder bei außenwirtschaftlichen Maßnahmen wie Handels- und Investitionsschutzabkommen oder Exportbürgschaften und Investitionsgarantien. Rohstoffpartnerschaften oder die Übernahme von Infrastrukturinvestitionen sind weitere Elemente staatlicher Flankierung. Unternehmen werden bei ihren Globalisierungsbestrebungen aktiv vom Staat unterstützt.

So hat die Bundesregierung im Rahmen ihrer Rohstoffstrategie bereits bilaterale Rohstoffpartnerschaften mit der Mongolei, Kasachstan und Chile abgeschlossen. Eine weitere mit Peru wartet nur noch auf den richtigen Zeitpunkt zur Unterschrift. Alle Abkommen sind ohne jegliche Beteiligung seitens der Parlamente oder Zivilgesellschaften der jeweiligen Partnerländer, aber auch ohne Beteiligung und öffentliche Debatte in Deutschland entstanden. Die deutsche Industrie, die laut nach einer politischen Flankierung ihrer Bemühungen zur Rohstoffsicherung drängt, begegnet den Rohstoffpartnerschaften eher skeptisch bis ablehnend. Und auch die Zivilgesellschaft übt massive Kritik: In ihrer jetzigen Form sind sie weder eine echte Partnerschaft auf Augenhöhe noch zielen sie auf eine Abkehr vom derzeitigen Entwicklungsmodell in den rohstoffreichen Ländern. Menschenrechte, Umweltschutz und Partizipationsrechte kommen nur am Rande vor.

Umweltschutz, Arbeitsschutz oder staatliche Anreize zum Sparen von Ressourcen durch Effizienz und Recycling gibt es zwar auch, z. B. in Form staatlicher Forschungsprogramme. Manche  Regierungen setzen freiwillige, ganz wenige verpflichtende Standards für mehr Umweltschutz und Transparenz. Diese nehmen jedoch Zwergenstatus ein.

Machtkonzentration und Ressourcenboom

Besonders der Rohstoffsektor ist hochgradig oligopolistisch organisiert und dieser Prozess geht weiter. Vor allem im Öl- und Bergbausektor gibt es eine begrenzte Zahl großer Transnationaler Konzerne (TNCs), die einen Großteil der globalen Reserven kontrollieren. Rio Tinto, BHP Billiton und Anglo American sind Giganten im Bergbausektor, während ExxonMobil, Royal Dutch Shell, BP, Total und Chevron im Ölsektor dominieren. Aber es gibt auch immer mehr Unternehmen aus Schwellenländern, die zu den Big Five oder Ten ihres Sektors zu zählen sind (z. B. Petrobras/Brasilien, CNOC/China, Vedanta/Indien). In vielen dieser Unternehmen sind nationale Regierungen die größten Anteilseigner und nationale Öl- und Bergbaukonzerne zählen in vielen Staaten zu den größten Investoren (noch vor den TNCs).

2013 fand eine der größten Fusionen in der Bergbaugeschichte statt: Mit der Übernahme von Xstrata durch Glencore International entstand ein neuer und mächtiger Rohstoffriese. In einem E-Paper der Heinrich-Böll-Stiftung hat sich Peter Kreysler mit dem Thema befasst. Er kommt zu dem Schluss, dass die Rohstoffunternehmen findig sind und nach immer neuen Möglichkeiten suchen, ihre Gewinne zu maximieren: „Zum Beispiel befinden sich 70 Prozent der Produktionsstandorte der Minen und Bergwerke Glencores in instabilen und autoritären Entwicklungsländern, weil hier die Umwelt- und Sozialstandards oft so niedrig sind, dass sich die Rohstoffe in diesen Ländern noch gewinnbringender abbauen lassen. Korruption und schlecht funktionierende Staatsorgane erweitern den Handlungsspielraum der multinationalen Firmen, die sich so jeder Kontrolle entziehen können“ [16].

Auch in der globalen Nahrungs- und Futtermittelbranche nimmt Marktmacht und damit auch die politische Macht einiger weniger wettbewerbsfähiger Konzerne stetig zu. Auch hier kommen Firmenkäufe mehr und mehr aus dem globalen Süden, vor allem aus China und Brasilien. Hauptaktionär des größten chinesischen Schweinefleischverarbeiters – Shuanghui International Holdings Limited [17] – kaufte den weltweit größten US-amerikanischen Fleischproduzenten Smithfield Foods (Kaufpreis 7,1 Mrd. Dollar). JBS – der brasilianische Rindfleischproduzent – kauft Fleischunternehmen in Australien, Europa und den USA [18].

Wenn diese mächtigen Giganten intransparente Deals mit (korrupten) Regierungen aushandeln, haben die Menschen in den Abbauregionen und Herkunftsländern (neben der Umwelt) das Nachsehen. Die großen Konzerne verfügen zudem über eine unangefochtene Lobbymacht in den politischen Entscheidungszentren der Industrieländer, mit der sich zivilgesellschaftliche Organisationen, was Zahlen und Geld angeht, nicht messen können. Von einer Trennung der wirtschaftlichen Eigeninteressen und einer Allgemeinwohlorientierung kann auch im Fall der Staatskonzerne gar keine Rede sein.

Ressourcenreichtum muss nicht per se ein Nachteil sein. Entscheidend für den gemeinwohlorientierten Umgang mit Ressourcen sind – neben der gerechten Verteilung der Einnahmen – Transparenz sowie die Existenz institutioneller checks and balances im politischen System [19]. Transparenz ist eine Voraussetzung für die Korruptionsbekämpfung und für demokratische Kontrolle durch die Bevölkerung oder durch sie legitimierte Gremien wie demokratisch gewählte Parlamente. Daran mangelt es jedoch auf allen Ebenen – angefangen bei Marktakteuren, bei den Vorkommen, den gehandelten Mengen, der Besteuerung und Preisen [20]. Die Förderung und der Export von Rohstoffen werden von Regierungen und internationalen Unternehmen meist hinter verschlossenen Türen ausgehandelt. Angaben zu den Verträgen, den Förder- und Exportmengen sowie den dafür vereinbarten Zahlungen sind öffentlich meist nicht verfügbar. Information ist jedoch eine entscheidende Voraussetzung, damit Bürgerinnen und Bürger sich eine Meinung bilden und ggf. eine Gegenöffentlichkeit organisieren können.

Problematisch ist auch, dass eine klare Trennung zwischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern in der Politik auf der einen und der Wirtschaft auf der anderen Seite fehlen. Es besteht ein weitverbreiteter Mangel an Transparenz hinsichtlich Art und Ausmaß der Positionen politischer Entscheidungsträgerinnen und -träger in privaten oder staatlichen Unternehmen. Diese Geheimhaltung schafft nicht nur Möglichkeiten für Bestechung und Korruption, sondern manchmal auch Interessenkonflikte. Dieses Problem spitzt sich zu, wenn große Unternehmen (teilweise) in staatlichem Besitz sind oder wenn Regierungen und ihre Vertreterinnen und Vertreter den Reichtum, der ihrer Bevölkerung gehört, für ihren eigenen persönlichen Profit plündern.

Ein weiteres Problem ist das häufig kurzfristige Interesse von Regierungen, Entscheidungen zugunsten großer Unternehmen zu fällen, wobei diese angeben, Arbeitsplätze und den dazugehörigen Wohlstand schaffen zu wollen. Aspekte der globalen und Generationengerechtigkeit, einschließlich der Menschenrechte, zahlen sich aus einer kurzfristig angelegten politischen Perspektive nicht aus.

Staaten organisieren in vielen Fällen also für die eigenen und Privatfirmen den Zugang zu Ressourcen, subventionieren Investitionen, ermöglichen deren Ausbeutung, halten jedoch viel zu wenig den effizienten Umgang der endlichen Ressourcen nach oder sorgen für die demokratische Kontrolle oder die Einhaltung menschenrechtlicher Standards.

Klimawandel, die Begrenztheit der Ressourcen, die Bewältigung der globalen Armuts- und Nahrungskrisen, Menschenrechte und Demokratie haben im Kalkül einer Mehrheit der Regierungen wenig Platz, schon gar nicht werden sie im Wechselspiel betrachtet. Auch wer Ressourceneinnahmen gerechter verteilt und in die soziale Entwicklung investiert, tut das auf Kosten der Umwelt und künftiger Generationen. Was am Neo-Extraktivismus nachahmenswert und kritikwürdig ist, das diskutieren wir gleich.

Der Rohstoffboom setzt sich ungebremst fort. Der Glaube an den Fortschritt der mit dem Wachstumsparadigma verbunden und die Natur als auszubeutende Ressource versteht, ist ungebrochen. Ein Blick auf unsere Umwelt und auf die sozialen Spaltungen und ungleichen Verteilungen sagt uns: Die natürlichen Grenzen des Planeten und über zwei Milliarden Arme und Ärmste auf dieser Welt dulden keinen Aufschub im politischen Handeln. Die Finanz- und Wirtschaftskrise, die Klimakrise und Ressourcenknappheit, Armut und die Ernährungskrise sind Ergebnisse eines zügellosen Kapitalismus.

Deshalb brauchen wir eine große Transformation unseres Produktions- und Konsummodells, hin zu einer demokratischen, gerechten und wachstumsbefriedeten Weltwirtschaft. Nicht Boom sondern Begrenzen sollte das Ziel sein.

„Ressourcengerechtigkeit in einer endlichen Welt“ ist ein Schwerpunktthema der Stiftung. Daran arbeiten wir mit Euch, mit vielen Mitstreiterinnen in aller Welt. Ich freue mich auf den Austausch und die Debatte in den kommenden beiden zwei Tagen.

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Endnoten:

[1] Bundeszentrale für politische Bildung 2013, Zahlen und Fakten – Globalisierung, Primärenergie-Versorgung, http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/globalisierung/52741/primaerenergie-versorgung
[2] Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe 2013, Energiestudie 2013 – Reserven, Ressourcen und Verfügbarkeit von Energierohstoffen, Hannover, S. 17.
[3] Siehe: arte FUTURE, Sind Seltene Erden ersetzbar? Wo sind Seltene Erden enthalten?, http://future.arte.tv/de/sind-seltene-erden-ersetzbar#article-anchor-10606
[4] Näheres zum Fleischkonsum und Daten und Fakten zu Tieren als Lebensmittel sind in dem Fleischatlas 2013 und Fleischatlas 2014 zu finden, herausgegeben von Heinrich-Böll-Stiftung, BUND und Le Monde Diplomatique, Berlin, https://www.boell.de/de/content/fleischatlas-daten-und-fakten-ueber-tiere-als-nahrungsmittel und https://www.boell.de/de/2014/01/07/fleischatlas-2014
[5] Sachverständigenrat für Umweltfragen 2012: Umweltgutachten 2012 – Verantwortung in einer begrenzten Welt, Juni 2012, Berlin, S. 70.
[6] Siehe auch: Antoine Simon, Greig Aitken, Fabian Flues und Henning Mümmler 2013: Ressourcenschwindel Schiefergas, herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung, https://www.boell.de/de/2013/10/09/ressourcenschwindel-schiefergas
[7] Siehe Oxfam Deutschland/Maria Wiggerthale 2011: Fragen und Antworten zum Landgrabbing, Oktober 2011 http://www.oxfam.de/publikationen/faq-landgrabbing_oxfam
*[8] Land Matrix, Web of national deals, Top Ten Countries, http://www.landmatrix.org/en/get-the-idea/web-transnational-deals/
[9] Siehe: Sachverständigenrat für Umweltfragen 2012: Umweltgutachten 2012 – Verantwortung in einer begrenzten Welt, Juni 2012, Berlin, S. 72.
[10] Siehe SWP Berlin / BGR 2013, Nationale Alleingänge oder internationale Kooperation? Analyse und Vergleich der Rohstoffstrategien der G20-Staaten, Berlin/Hannover, S. 18 und S. 20.
[11] Siehe Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe 3013: Deutschland – Rohstoffsituation 2012, Hannover, S. 9.
[12] Siehe Goldinvest 2013: Rohstoffboom: Neue Chancen für Afrika, 28. Mai 2013, <http://www.goldinvest.de/index.php/neue-chancen-fuer-afrika-28703> und AfDB, OECD, UNEP und UNECA 2013, African Economic Outlook 2013 – Structural Transformation and Natural Resources, <http://www.africaneconomicoutlook.org/en/
[13] SWP Berlin / BGR 2013, Nationale Alleingänge oder internationale Kooperation? Analyse und Vergleich der Rohstoffstrategien der G20-Staaten, Berlin/Hannover, S. 13.
[14] Vgl. SWP Berlin / BGR 2013, Nationale Alleingänge oder internationale Kooperation? Analyse und Vergleich der Rohstoffstrategien der G20-Staaten, Berlin/Hannover, S. 11f.
[15] Siehe Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe 3013: Deutschland – Rohstoffsituation 2012, Hannover, S. 10.
[16] Peter Kreysler 2013, Glenstrata - Glencore und Xstrata werden zum Rohstoffgiganten, E-Paper, herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung, Januar 2013 https://www.boell.de/de/content/glenstrata-glencore-und-xstrata-werden-zum-rohstoffgiganten
[17] Im Januar 2014 hat sich Shuanghui International Holdings Limited umbenannt in WH Group Limited.
[18] Siehe auch: Heinrich-Böll-Stiftung, BUND und Le Monde Diplomatique 2014, Fleischatlas 2014, Berlin https://www.boell.de/de/2014/01/07/fleischatlas-2014
[19] Siehe auch: Chistian von Haldenwang 2012, Gibt es den „Ressourcenfluch“ nicht mehr?, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik, Die aktuelle Kolumne vom 23.07.2012 http://www.die-gdi.de/die-aktuelle-kolumne/article/gibt-es-den-ressourcenfluch-nicht-mehr/
[20] Das legt auch eine Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik, die in Kooperation mit Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe durchgeführt wurde, nahe. Siehe: SWP Berlin / BGR 2013, Nationale Alleingänge oder internationale Kooperation? Analyse und Vergleich der Rohstoffstrategien der G20-Staaten, Berlin/Hannover, S. 8.