Indien beim BRICS-Gipfel: Mehr Mitsprache in globalen Strukturen gefordert

Teaser Bild Untertitel
Shakehand beim BRICS-Gipfel in Brasilien

Das 6. Gipfeltreffen der BRICS-Gruppe – Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – fand vom 14. bis 16. Juli in Fortaleza, Brasilien, statt. Das Akronym BRICS wurde vor etwa zehn Jahren von dem damaligen Chef-Volkswirt von Goldman Sachs geprägt, der davon ausging, dass diese Länder sowohl einzeln als auch als Gruppe in den kommenden Jahren eine zunehmend wichtige Rolle in der internationalen Wirtschaft spielen würden. Heute generieren die BRICS-Länder ein Viertel des weltweiten BIP und stellen etwa 40 Prozent der Weltbevölkerung. Wann immer sich die Staats- und Regierungschefs zum BRICS-Gipfel treffen, stellt sich die Frage, ob es der Ländergruppe gelingt, eine Alternative zu bestehenden globalen Strukturen, unter anderem den wirtschaftspolitischen Machtstrukturen, zu bilden. Die Unzufriedenheit und Frustration der BRICS-Staaten über die Tatsache, dass ihre Forderung nach einem Mitspracherecht in diesen globalen Strukturen, das ihrem wirtschaftlichen Gewicht entspricht, nicht erfüllt wird, prägte auch die zentralen Themen des diesjährigen Gipfels.

Globale Mitsprache gefordert

Indien ist heute ein Schwellenland. Um ein Global Player zu werden, muss Indien unbedingt mit anderen Entwicklungsländern zusammenarbeiten, damit sie gemeinsam die Kontrolle der USA nicht nur über die Weltwirtschaft, sondern auch über die Bretton-Woods-Institutionen – IWF und Weltbank – brechen. BRICS (vor dem „Beitritt“ von Südafrika im Jahr 2010 als BRIC bekannt) bietet den fünf schnell wachsenden Schwellenländern ein Forum: Hier diskutieren sie, wie sie zusammenarbeiten und Einfluss auf verschiedene globale Themen ausüben können. Seit 2009 findet der BRICS-Gipfel jährlich in unterschiedlichen Städten der BRICS-Länder statt.

Der diesjährige BRICS-Gipfel war das erste internationale Spitzentreffen, an dem Narendra Modi teilnahm. Meiner Ansicht nach ist die BRICS-Konferenz eine wichtige Benchmark: Sie zeigte, wie sich Modi mit anderen Staats- und Regierungschefs verhält, wie er sich integriert, um Indiens Kooperationsbereitschaft mit den anderen Ländern zu demonstrieren. In diesem Jahr wurde der BRICS-Gipfel vielerorts als Forum wahrgenommen, über das die indischen Interessen und Ansichten in den wichtigen globalen Themen vorangetrieben werden. So hieß es im "Hindu" zum BRICS-Gipfel:

„Über die geplante BRICS-Tagesordnung hinaus werden die Länder, die einen wirtschaftlich mächtigen Block mit einem gemeinsamen BIP von 24 Billionen USD und 40 % der Weltbevölkerung darstellen, auch internationale Themen wie die WTO-Verhandlungen und die Lage im Irak und in Syrien diskutieren. Außer Südafrika sind alle Länder von den Enthüllungen der NSA-Überwachung betroffen und haben die USA für die Bespitzelungen kritisiert. Modi steht in dieser Frühphase seines Amtes vor der Herausforderung, so kurz vor seinem Besuch in den USA im September nicht den Eindruck zu erwecken, bei BRICS handele es sich um eine „antiwestliche“ Koalition.“

Zusammenarbeit der Länder

Den BRICS-Ländern hat man früher gerne vorgehalten, sie besäßen keine gemeinsame Grundlage. Doch mit diesem Gipfel haben sie bewiesen, dass sie trotz bilateraler Meinungsverschiedenheiten in bestimmten Bereichen zu einer konstruktiven Zusammenarbeit fähig sind, aus der sich eine gesunde Beziehung entwickeln kann. Der "Pioneer" sagte dazu:

„Zu einem Zeitpunkt, zu dem die BRICS-Gruppe wegen ihrer Unfähigkeit kritisiert wird, eine gemeinsame Basis zu finden, zeigt Premierminister Modis erfolgreiches Treffen mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping, dass eine solide Beziehung, die auf Zusammenarbeit beruht, auch zwischen zwei Nationen möglich ist, die zu verschiedenen wichtigen Themen unterschiedlicher Meinung sind. Die beiden Regierungschefs haben sich in Fortaleza im Rahmen des 6. jährlichen BRICS-Gipfels zum ersten Mal getroffen und informelle Gespräche geführt. Während sie eine Intensivierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit vereinbarten, machte Premierminister Modi jedoch auch deutlich, wie wichtig ihm eine Lösung des Grenzstreits ist, der auch nach 17 Gesprächsrunden einer Beendigung kaum näher gekommen ist. Im Gegenteil – wiederholte chinesische Grenzverletzungen entlang der sog. Line of Actual Control haben Ruhe und Frieden gestört. Die Beziehungen Chinas zu vielen seiner anderen Nachbarn haben in letzter Zeit aufgrund der Pekinger Aggressionen im Chinesischen Meer stark gelitten. Im Falle Indien jedoch hat China Bereitschaft signalisiert, den schon lange schwelenden Grenzstreit beizulegen. Das ist wesentlich für eine belastbare Beziehung in Zukunft.“

Modis präzise und fokussierte Art fand viel Zustimmung. Unter anderem schlug er vor, nationale Entwicklung in das Themenspektrum der BRICS-Gruppe aufzunehmen, was auf dem Gipfel als innovative Idee wahrgenommen wurde. Die "Economic Times" kommentierte:

„Modis Beiträge beim BRICS-Gipfel waren direkt und sachorientiert. Er sprach länger über das Thema Afghanistan, wo sich die Lage zu Ungunsten von Indien entwickeln könnte. Neu war der klare Wunsch, die Entwicklungsagenda, die Modi seinem Land vorgeschlagen hat, mit der BRICS-Agenda zu verzahnen. Dies zeigte sich in seiner Rede vor dem Plenum zur BRICS-Zusammenarbeit, in der er die Nutzung der Technologie im Sinne von E-Bildung und E-Gesundheit sowie saubere Energie, Tourismus und Jugend zu Schwerpunktthemen erklärte."

Im "Indian Express" hieß es zum selben Thema:

„Zu einer Vielzahl von kontroversen globalen Themen, einschließlich Klimawandel, grünes Wachstum, globaler Handel und Cyber-Sicherheit, vertrat Modi zukunftsorientierte Positionen, die im Einklang mit den Interessen Indiens stehen.“

Die BRICS-Entwicklungsbank: eine neue Alternative

Eines der zentralen Themen des diesjährigen BRICS-Gipfels, das die globale Finanzordnung verändern könnte, war der Beschluss der BRICS-Länder, eine BRICS-Entwicklungsbank, die New Development Bank (NDB), und einen Währungsstabilisierungsfonds, das Contingency Reserve Arrangement (CRA), einzurichten. NDB und CRA, die mit 50 bzw. 100 Mrd. USD ausgestattet werden, sollen Weltbank und IWF ergänzen, die von den USA und Europa dominiert werden. Meiner Ansicht nach war es sehr wichtig, dass die BRICS-Chefs betonten, NDB und CRA sollen die Bretton-Woods-Institutionen ergänzen. Allein die Existenz der neuen Institutionen könnte die Weltbank und IWF zur kritischen Selbstanalyse zwingen und dazu führen, dass die Schwellenländer mehr Mitspracherecht erhalten, denn schließlich entstand die BRICS-Gruppe ja gerade aus der Frustration über die Tatsache, dass die Forderungen dieser Länder in den etablierten Institutionen schlichtweg ignoriert wurden.

Modi wurde nicht nur für die Art und Weise gelobt, wie er mit den andern BRICS-Staaten zusammenarbeitete, sondern auch für seine Bemühungen sicherzustellen, dass die Entscheidungsstrukturen der neuen Institutionen nicht von dem stärksten Mitglied der Gruppe dominiert werden, denn Gewicht und Einfluss Chinas in der globalen Wirtschaft sind nicht zu ignorieren. Der "Indian Express" kommentierte:

„Die BRICS-Entwicklungsbank, deren Gründung auf dem Gipfel beschlossen wurde, ist nicht als Gegengewicht, sondern als Ergänzung der Weltbank zu sehen, die zusätzliche Mittel und neue Optionen für die wirtschaftliche Entwicklung der Schwellenländer bietet. Indien arbeitete mit allen anderen Mitgliedern des Forums zusammen um sicherzustellen, dass die Mitglieder in den Entscheidungsstrukturen der neuen Bank gleichberechtigt sind und nicht vom stärksten Mitglied, China, dominiert werden. Modi, der den „horizontalen Einfluss“ der BRICS-Staaten begrüßte, forderte die Mitglieder auf, die „vertikale Kooperation“ zu intensivieren, indem die Beziehungen der Mitglieder auf „subnationaler“ Ebene gestärkt werden.“

Der BRICS-Gipfel war zweifellos ein guter Anfang, aber die echten Herausforderungen stehen den fünf Ländern noch bevor, denn ihre politischen Ideologien und Strukturen, aber auch ihre wirtschaftlichen und kulturellen Systeme sind sehr unterschiedlich. Der Rückgang des Wirtschaftswachstums in den Ländern ist ein weiteres Hindernis, das es zu überwinden gilt. Es bleibt jedoch zu hoffen, dass die gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der „Klebstoff“ sind, der ein nachhaltiges Wachstum der neuen Initiativen aber auch der Gruppe als Ganzes ermöglicht.