„Wir sind noch weit davon entfernt, in Sicherheit leben zu können”

Duniya Mohsini ist Universitätsdozentin. Sie unterrichtet seit 12 Jahren und ist bei den Studierenden sehr beliebt. Momentan promoviert sie an einer Universität in Tadschikistan im Fach Literaturwissenschaften. In Rah-e Madaniyat Daily sind bereits mehrere Beiträge von ihr erschienen.

Duniya Mohsini, wie würden Sie sich selbst beschreiben?

Meine Weltsicht hat sehr tiefe Wurzeln. Ich möchte in einer menschenwürdigen Umwelt leben, und ich tue sehr viel dafür, dass das eines Tages Wirklichkeit wird.

Ist es ihnen oft gelungen, Ihre Wünsche zu verwirklichen?

Je ehrgeiziger die eigenen Ziele, umso größer sollte das Selbstvertrauen sein. Diese Ziele zu verwirklichen, bedeutet harte Arbeit und viel Mühe. Ich habe immer versucht, besser zu leben. Schaue ich zurück auf meinen beruflichen Werdegang, kann ich sagen, ich bin zufrieden mit dem, was ich erreicht habe.

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Wie wichtig ist es, dafür hart zu arbeiten?

Durch Tagträumerei werden wir unsere Ziele nicht erreichen – da muss man schon handfest anpacken. Das haben mir bereits an der Schule meine Lehrer beigebracht.

Glauben Sie, dass die Studierenden mit Ihrem Unterricht zufrieden sind?

Ich arbeite gern an der Universität und unterrichte gerne. In meiner beruflichen Laufbahn haben mir bestimmte Unterrichtsmethoden und psychologische Ansätze sehr geholfen. Das Ergebnis ist, die Studierenden sind zufrieden.

Wie kam es, dass Sie sich sagten: Ich will unterrichten?

Schon als ich ziemlich jung war, hat mich meine Familie darin bestärkt. Mein wirkliches Interesse an der Lehre setzte aber erst ein, als ich begann, Literatur zu studieren.

An welcher Uni haben Sie studiert – und bis zu welchem Abschluss?

Zuerst habe ich an der Universität von Balch studiert, dann meinen Magister an der Uni Kabul gemacht. Momentan promoviere ich an einer Universität in Tadschikistan.

Fühlen Sie sich als Frau wohl im Arbeitsumfeld einer Universität?

Eine Universität ist ein sehr spezieller Ort, an dem man lernt und seine Fähigkeiten verbessert. Dennoch gibt es auch an diesem Ort Menschen, die anderen gegenüber ablehnend eingestellt sind – oft wegen Armut, Gewalt und ähnlichen Dingen. Es braucht viel Selbstvertrauen, damit man sich in einem solchen Arbeitsumfeld wohlfühlen kann.

Was war Ihr größtes Problem an der Uni?

Es gibt dumme Personen, die sich unangemessen verhalten und dadurch andere in Verlegenheit bringen.

Wie schätzen Sie die Entwicklung der vergangenen 13 Jahre ein?

Das Leben ist stets schön. In der Regel geht alles voran, aber man muss das auch so empfinden und sich darauf einlassen. Das Bildungsniveau ist heute deutlich höher, die Studierenden sind kultivierter und sie haben mehr Selbstvertrauen. Die Fortschritte sind zwar nicht riesig, aber bedeutend sind sie schon.

Was hat sich für Sie geändert?

Man hat einiges unternommen, um Lehrkräfte weiterzubilden, so dass sie ihren Magister und Doktor machen können. Ich hatte das Glück, meinen Magisterabschluss zu bekommen, und in Kürze werde ich auch meinen Doktor haben.

Können sich Frauen heute in Afghanistan sicher fühlen?

Frauenrechte sind bei uns ein sehr kontroverses Thema. Wir brauchen ein Umfeld, in dem Frauen in Sicherheit leben können. Möglich ist das aber nur, wenn eine breite Mehrheit dies auch will. Leider sind wir noch weit davon entfernt, in Sicherheit leben zu können.

Welche Rolle spielen Frauen im Friedensprozess?

So etwas wie persönliche Sicherheit für Frauen gibt es in traditionellen Gesellschaften nicht. Zuallerest müssen die Sicherheitskräfte und andere Organisationen für ein sicheres Umfeld sorgen. Ist das der Fall, kann es zu Entwicklung kommen, zu mehr sozialer Gerechtigkeit, oder dazu, dass Posten nach Befähigung vergeben werden. Erst wenn das der Fall ist, können Frauen – und können alle Mitglieder einer Gesellschaft – gleichberechtigt am sozialen Leben teilnehmen.

Kann eine Uni-Dozentin gleichzeitigig auch Politikerin sein?

Ja. Politik ist eine dem Menschen eigene gesellschaftliche Betätigung, die auf Theorie und Praxis fußt.

Denken Sie, alle Bürgerinnen und Bürger sollten das Recht haben, sich politisch zu betätigen?

Ja – vorausgesetzt, sich politisch betätigen bedeutet, dass man persönliche Anliegen mit den viel weitergehenden Bedürfnissen der Gesellschaft verbindet.

Konnten Sie Ihr Recht, sich politisch zu betätigen, bislang ausüben?

Ich befürworte eine Art von Politik, die uns dabei hilft, das alltägliche Leid zu beseitigen. Eine solche Politik muss modern und vernunftgeleitet sein. Ich habe versucht, meine politische Rechte auszuüben – soweit das bei uns momentan möglich ist.

Wie würden Sie „moderne Politik“ definieren?

Grundlage ist, dass alle ihre Pflichten auf eine Art und Weise erfüllen, die das System stärkt. Ein robustes Sozialsystem ist Voraussetzung einer modernen Gesellschaft. Gerechtigkeit, Aufstieg nach Leistung und Demokratie sind weitere wichtige Säulen.

Hat das politische Umfeld der vergangenen Jahre jungen Politikerinnen genützt?

In den letzten zehn Jahren haben junge Leute Zugang zu Medien, Technologie, dem Web und sozialen Netzwerken bekommen. Das lässt mich hoffen. Frauen in Afghanistan sind jedoch aufgrund traditioneller Gepflogenheiten nach wie vor Gewalt unterschiedlichster Art ausgesetzt.

Wie, denken Sie, wird sich die politische Landschaft Afghanistans entwickeln?

Afghanistan ist immer noch eines der rückständigsten Länder der Welt. Der Grund dafür ist, dass bei uns verantwortunglos regiert wird, und sich Nachbarländer in unsere inneren Angelegenheiten einmischen. Ich glaube aber, dass eine neue Generation nach und nach die Zügel in die Hand nehmen wird – und Afghanistan so zu einem blühenden und stabilen Land werden wird.

Würden Sie eines Tages gern Afghanistans Bildungsministerin sein?

Ich sehne mich nicht nach Macht. Sollte man mich aber bitten, eine derartige Position zu übernehmen, würde ich diese Verantwortung auf jeden Fall annehmen.

Was für ein Typ Mensch sind Sie?

Ich bin jemand, der sich wünscht, dass sich die Wünsche der Anderen erfüllen. Ich achte alle Menschen. Ich erwarte von den Anderen nichts, bin aber stets sehr zuversichtlich.

Sie sind eine schöne Frau. Verwenden Sie viel Zeit auf Ihr Aussehen?

Man sollte versuchen, eine abgerundete Persönlichkeit zu werden. Ich glaube an die äußere Schönheit und die innere Güte.

Was möchten Sie unseren Leserinnen und Lesern mit auf den Weg geben?

Wir sind Wellen,
die Flaute ist unser Ende.
Wir leben nicht, um still zu stehen.
Im Lauf unseres Lebens haben wir Menschen mit zahlreichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Wir sollten dabei nie vergessen, welch Glück es ist zu leben.