Wahlen in Tunesien: Ein Meilenstein der politischen Transition

Dreieinhalb Jahre nachdem die tunesische Stadt Sidi Bouzid und der Tahrirplatz in Kairo zu Ikonen globaler Protestbewegungen wurden, ist über Tunesien kaum mehr zu erfahren, als dass es das einzige positive Beispiel des arabischen Frühlings darstelle.

Angesichts der Kriege und Krisen in Syrien und Irak, der Medienpräsenz des „IS“ und der wachsenden politischen Akzeptanz des neuen Militärregimes in Ägypten, gerät die tunesische Entwicklung aus dem Blickwinkel des öffentlichen Interesses. Dabei befindet sich das Land in einer entscheidenden Phase seiner politischen Transformation. In einem Wahlmarathon soll zwischen dem 26. Oktober und dem 28. Dezember die Transformationsphase beendet und der formale Übergang zu einem neuen politischen System vollzogen werden.

Seit 2011 hat Tunesien eine freiheitliche Verfassung verabschiedet und den Rücktritt einer frei gewählten Regierung in einem nationalen Dialog ohne Einsatz von Gewalt ausgehandelt. Die eingesetzte Übergangsregierung hat aller Skepsis zum Trotz den Weg für umfassende und freie Wahlen geebnet. Dennoch ist die Stimmung in Tunesien alles andere als euphorisch. Werden die politischen Parteien die Wählerschaft mobilisieren? Wird das neue parlamentarische System in der Lage sein, die öffentliche Verwaltung zu demokratisieren und das Land dezentralisieren? Wird es eine Aufarbeitung der Diktatur geben, sowohl der Verbrechen gegen die Menschenrechte, als auch der wirtschaftlichen Korruption und Vorteilsnahme? Wie kann ein frei gewähltes Parlament einen zentralistischen ehemaligen Polizeistaat in ein partizipatives öffentliches System überführen? Und wie kann dies in einem regionalen Konfliktkontext und ohne massive ökonomische Unterstützung von außen geschehen.

Die folgenden Artikel und Interviews befassen sich mit diesen Fragen und geben Einblicke in aktuelle Debatten und Entwicklungen in Tunesien.