Scheitern mit Ausblick auf Fortschritt

Trotz zäher und vierwöchiger Verhandlungen ist zum Ende der Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag am Freitagabend kein Konsens erzielt werden. Der Beobachterstaat Israel hat eine Einigung im Mittleren Osten verhindert. Die humanitäre Bewegung wird dafür immer stärker. 

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Abschlussplenum in New York

Es scheint an der Zeit, die Funktionalität des Atomwaffensperrvertrags (NVV) ernsthaft in Frage zu stellen. Zwar beharren insbesondere die Atommächte und ihre Unterstützer immer noch darauf, er sei der „cornerstone“, also der Grundpfeiler des Abrüstungsregimes. Was genau seine Aufgabe in der nuklearen Abrüstung ist, was er überhaupt noch dazu leisten kann, bleibt unklar. Nachdem sich die 191 Vertragsparteien am späten Freitagabend nach mehrmaligem Verschieben der Plenardebatte und nach offenbar verbissenen Hintergrunddiskussionen nicht auf ein konsensuales Abschlussdokument geeinigt haben, stellt sich die Frage umso mehr: Ist der NVV noch zeitgemäß? Oder ist er, ähnlich wie die Abrüstungskonferenz (CD), die einst den NVV und andere Verträge zum Laufen brachte, nun aber seit Jahrzehnten völlig blockiert ist, längst zum Anachronismus geworden?

Während nämlich die humanitäre Bewegung, und vor allem die Humanitarian Pledge (ehemals Österreichische Selbstverpflichtung) in den letzten Wochen enorm an Fahrt aufgenommen haben, schienen schon lange wenig Zweifel daran zu bestehen, dass die diesjährige Überprüfungskonferenz scheitern würde. 107 Staaten haben mittlerweile das von Österreich initiierte Dokument unterzeichnet und sich damit für ein Verbot von Atomwaffen ausgesprochen. 159 Staaten bekennen sich innerhalb des NVV zur humanitären Bewegung, die die katastrophalen Konsequenzen einer möglichen nuklearen Detonation in den Fokus stellt. Der Rest – geschätzte 20 Prozent – inszeniert sich als Mehrheit und stellt sich einem rechtlich bindenden Regelwerk entgegen.

Doch nicht nur diese Perspektive schafft eine Kluft in der Staatengemeinschaft. Ein weiteres Minenfeld ist eine seit langem diskutierte massenvernichtungswaffenfreie Zone im Mittleren Osten. Bereits 2012 sollte es eine Konferenz in Helsinki geben, die allerdings niemals stattgefunden hat. Besonders Ägypten und der Iran drängten in diesem Jahr auf ein offizielles Staatentreffen. Aus den abschließenden Statements der arabischen Länder war jedoch herauszuhören, dass die Einigung an Israel gescheitert ist. Wenngleich kein Mitglied des NVV und auch erst seit diesem Jahr als Beobachter dabei, haben einige Staaten ihren Konsens von Israels Zustimmung abhängig gemacht. Da Israel seine Teilnahme an einer Konferenz über die Möglichkeit einer massenvernichtungswaffenfreien Zone im Nahen Osten nicht zusagen wollte, haben diese Staaten die gesamte Überprüfungskonferenz scheitern lassen.

Im Vorfeld sah es zunächst aus, als könnten sich die Parteien auf den als Entwurf veröffentlichten Vertragstext einigen. Dieser wurde allerdings kurz vor Ende der Konferenz an entscheidenden Stellen so verändert, dass eine Einwilligung aller Länder unwahrscheinlich war. Insbesondere sah der neue Entwurf keine konkreten zeitlichen Fristen mehr vor – ein Zustand, an dem der NVV bereits lange krankt.

In der abschließenden Sitzung äußerte sich eine ganze Reihe von Staaten nochmals, darunter auch die fünf offiziellen Atommächte, die unisono die Bedeutung des Vertrags hervorhoben, sonst aber wenig Konstruktives zu sagen hatten. „Sehr bewegend“ nannte die Präsidentin der Konferenz, die algerische Botschafterin Taous Feroukhi, die Rede der südafrikanischen Delegierten. Diese verglich den NVV mit dem Apartheid-Regime, da er der Mehrheit die Meinung einer kleinen Gruppe aufzwänge. Zweimal während des Statements applaudierten Vertreter der Zivilgesellschaft auf den oberen Rängen und andere Delegierte, was in der Plenardebatte sonst üblicherweise nicht der Fall ist.

Der Esprit, der sich seit Aufkommen der humanitären Initiative und der Pledge entwickelt hat, lässt hoffen, dass gerade in Anschluss an die gescheiterte Überprüfungskonferenz weitere Schritte in Richtung Verbotsvertrag unternommen werden. Die Angst der Atommächte, der NVV könne durch ein anderes Regelwerk ersetzt werden, ist insofern vorgeschoben als es nie das Ziel der Zivilgesellschaft oder der Staaten, die sich humanitär verpflichtet haben, war, den NVV zu ersetzen. Stattdessen soll er durch einen Verbotsvertrag ergänzt werden.