Grüne Politik am Scheideweg – auf den Bürger kommt es an!

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"Was erwarten die Bürger/innen heute von einer grünen Partei? Was soll auf ihrer politischen Kompassrose stehen?"

Hierzulande ist die Zustimmung zur Marktwirtschaft auf einen historischen Tiefstand gesunken. Diese Beobachtung erstaunt gerade mit Blick auf die Tatsache, dass die deutsche Volkswirtschaft als eine der wenigen westlichen Ökonomien die Krise relativ gut bewältigt hat.

Es war zu erwarten, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise zu einer kritischen Reflexion innerhalb der gesellschaftspolitischen Debatten um die Zukunft der kapitalistischen Systeme führen würde. Während noch am Ende des letzten Jahrhunderts die Einsicht vorherrschte, dass Demokratie und Marktwirtschaft als perfekte Komplemente und damit als sich ergänzende Garanten für Wohlstand und Freiheit avancierten, tendiert die öffentliche Meinung heute dazu, dass sie eher in einer Konkurrenzbeziehung hinsichtlich des Ziels stehen,  eine „gute Ordnung“ für alle Bürger aufzubauen. In keinem anderen Land zeigt sich dieses Paradoxon so deutlich, wie in Deutschland. Hierzulande ist die Zustimmung zur Marktwirtschaft auf einen historischen Tiefstand gesunken. Diese Beobachtung erstaunt gerade mit Blick auf die Tatsache, dass die deutsche Volkswirtschaft als eine der wenigen westlichen Ökonomien die Krise relativ gut bewältigt hat.
Diese Situation stellt die Parteien in zweifacher Weise vor eine Herausforderung: Einerseits ist es notwendig, Antworten auf die Frage zu finden, wie der Ordnungsrahmen der Marktwirtschaft durch die allseits gepriesene „Ordnungspolitik“ zu verändern ist, um eine höhere Zustimmung zu erhalten. Zweitens ist es notwendig, den Bürger viel stärker als vorher in diesen Prozess einzubinden – schließlich ist er der Souverän – nicht die Politik.

Steuerungsideal ist die Bürgersouveränität

Was erwarten die Bürger/innen heute von einer grünen Partei? Was soll auf ihrer politischen Kompassrose stehen? In erster Linie zuverlässig für die Umwelt einzutreten – das mag eine naheliegende Antwort sein. Hinreichend ist die Antwort sicherlich nicht: Schließlich löst die Deduktion der politischen Programmatik aus dem historisch gewachsenen Markenkern, nicht die Herausforderungen, den Bürger viel intensiver als früher in die Programmatik zu integrieren.

Ein Steuerungsideal, das hier hilfreich sein kann, geht auf das Konzept der Bürgersouveräntität zurück. Es zielt darauf ab, die Ordnung des Staates und der Wirtschaft zu reformieren – und darüber hinaus neue Institutionen zu suchen, die die Stellung des Bürgers als Souverän stärken. Damit ist nicht nur gemeint, sich für einen schärferen föderalen Wettbewerb stark zu machen (ob auf europäischer oder bundesstaatlicher Ebene), Freizügigkeits- bzw. Migrationsregelungen unter diesem Leistungskriterium neu auszugestalten, sondern auch jenseits der Ordnungsrealität nach alternativen Arrangements zu suchen, die gemeinsame Kooperationsvorteile für den Bürger ermöglichen.

Demokratie entdeckt sich neu

Wird grüne Politik entlang des Kriteriums der Bürgersouveränität neu ausgerichtet, wird auch die „alte“ Grundidee erneut in den Vordergrund gerückt, den Bürger zum Subjekt des politischen Prozesses und zum Souverän des Gemeinwesens zu ermächtigen – schließlich werden diejenigen institutionellen Arrangements unter der Anwendung des Steuerungsideals der Bürgersouveränität empfohlen, die eine höhere Reagibilität auf Bürgerinteressen erwarten lassen. Damit wird Demokratie jenseits der Realität des politischen Mehrheitswettbewerbs angestrebt – auch indem der föderale Wettbewerb als Entdeckungsverfahren wieder entdeckt wird.

 

Dies ist der vierte Debattenbeitrag zur Konferenz "Baustelle grüne Wirtschaftspolitik: Welche Ordnung muss sein?", die am 26. und 27. Juni in Berlin stattfindet. Alle Beiträge finden Sie in unserem Dossier.