Zukunft ungewiss: Wie geht es weiter mit der AfD?

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Hier war die Welt der AfD noch in Ordnung: Infostand in Bocholt 2013

Innerparteiliche Flügelkämpfe, abgesagter Bundesparteitag - die "Alternative für Deutschland" befindet sich am Scheideweg. Viele offene Fragen lassen Raum für unterschiedliche, in der Öffentlichkeit diskutierte Szenarien.

Die Gründung der Alternative für Deutschland (AfD) ist mittlerweile fast zweieinhalb Jahre her. Als Anti-Euro-Partei gestartet, ist diese Forderung nicht mehr das einzige Narrativ der Partei. Rechtspopulistische Äußerungen zur Asyl- und Einwanderungsthematik, Familienpolitik und dem Islam gehören ins Repertoire. Genauso wie offen ausgetragene Auseinandersetzungen zwischen dem rechtsliberalen und rechtsnationalen Flügel der Partei. Mit der Absage des Bundesparteitags in Kassel hat dieser Konflikt an Dynamik gewonnen. Wie sieht die Zukunft der Alternative für Deutschland aus? Hat sie überhaupt eine Zukunft? Wie wird der innerparteiliche Streit ausgehen? Wie gehen Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft mit der AfD um? Vor dem außerordentlichen Bundesparteitag der Partei Anfang Juli in Essen haben wir Expert/innen um eine Bewertung und Einschätzung der AfD gebeten.

Rechtsliberaler Flügel vs. Rechtsnationaler Flügel

 „Mit den aktuellen Konkurrenten um die AfD-Führungsspitze, Frauke Petry und Bernd Lucke, scheint eine Einigung unwahrscheinlich. Allerdings besteht meiner Ansicht nach in Deutschland mehr Platz für eine rechtspopulistisch ausgerichtete AfD als für eine AfD, die im Öffentlichen als FDP-Kopie mit Anti-Euro-Stoßrichtung wahrgenommen würde.“ Zu diesem Urteil kommt Alexander Häusler, Wissenschaftler an der Hochschule Düsseldorf. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die beiden Flügel der Partei vertragen und eine Spaltung abgewendet wird, schätzen alle Fachfrauen und Fachmänner als äußerst gering ein. Für Bianca Klose, Leiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin, ist allerdings klar, dass die ideologischen Gräben doch nicht so tief sind, wie von den Protagonist/innen des rechtsliberalen Flügels behauptet wird. Ihrer Meinung nach sind die Meinungsverschiedenheiten zum Teil taktisch motiviert. Dass sich die Spitze der AfD in vielen Fragen, auch und gerade zur Migrationspolitik weiterhin eher einig ist, ist für Simone Rafael, Mitarbeiterin der Amadeu-Antonio-Stiftung Beweis genug, dass der Streit zwischen dem rechtsliberalen und rechtsnationalen Flügel scheinheilig ist. „Die AfD hat von Anfang an ganz bewusst mit rassistischen Ressentiments gespielt. Die Verwunderung über die rechtspopulistischen Strömungen innerhalb der Partei nehme ich den Rechtsliberalen unter Lucke nicht ab.“

Ideologien der Ungleichwertigkeit

Was die Inhalte der AfD angeht erklärt Monika Lazar, Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/ Die Grünen, dass die AfD die Verbreitung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeiten in der Mitte der Gesellschaft sichtbarer gemacht hat. Wahlerfolge hat sie mit der offensichtlichen  Anschlussfähigkeit dieser Ideologien eingefahren. Konkrete Erfolge konnte die AfD bisher bei insgesamt fünf Landtagswahlen (Brandenburg, Sachsen, Thüringen, Bremen und Hamburg) feiern. „Seit vielen Jahren gibt es ein festes Wählerpotential für eine populistische Rechte in Deutschland, das zeigen auch die hohen Zustimmungswerte zu einer potentiellen Parteigründung von Thilo Sarrazin nach seiner Veröffentlichung „Deutschland schafft sich ab.“ Zu dieser Beobachtung kommt Jan Philipp Albrecht. Dem Grünen Europaabgeordneten zufolge, war es nur eine Frage der Zeit bis auch in Deutschland eine Partei wie die AfD gegründet wird.

Der umstrittenen Annahme, dass die Gründung der AfD als Ergebnis einer eingeschränkten Debatte zu Themen wie EU, Flucht und Islam bewertet werden kann, stimmt kaum einer der befragten Experten/innen zu. Dagegen stellt Volker Beck - ähnlich wie die anderen Befragten -  eine Verbindung zu den populistischen Thesen des Autors Thilo Sarrazin her. Für ihn steht fest, dass diese Debatten unentwegt stattfinden. „Erinnert sei nur an das Buch von Thilo Sarrazin oder die täglichen Schlagzeilen der Springer-Medien. Die AfD hat dem Diskurs der Ungleichwertigkeit  einen parlamentarischen Arm gestellt.“ Dass diese Diskussionen nicht stattfinden würden und die AfD mit ihren Inhalten ein vermeintliches Vakuum füllt, sehen viele der Expert/innen nicht. Monika Lazar meint: „Fehlende Visionen, zum Beispiel im Hinblick auf die EU, aber auch zum Zusammenleben in einer pluralistischen Gesellschaft, lassen ein Vakuum entstehen, in dem sich Rechtspopulisten als vermeintliche Tabubrecher etablieren können. Nicht immer wird vorhandenen Ängsten und Vorurteilen eine positive Erzählung entgegen gesetzt und etwa das Recht auf Asyl als freiheitliches Prinzip offensiv vertreten.“ Kritisch äußert sich auch Bianca Klose. „Das Problem war vielmehr, dass in diesen Diskussionen eben nicht die demokratischen und solidarischen Haltungen hegemonial waren, sondern die Sorge um nationale Standortsicherung. Genau dadurch wurde der AfD der Boden bereitet.“ Besonders bedenklich sind nach Jan Philipp Albrecht die Reaktionen der großen Parteien. „Problematisch ist, dass die großen Parteien sich bei (zu erwartenden) Wahlerfolgen der AfD nur darum sorgen, künftig an Einfluss und Stimmen zu verlieren. Statt sich offen gegen die fehlerhaften und menschenverachtende Politik dieser Parteien zu stellen, laufen sie ihren Parolen und Themen hinterher“.

Handlungs- und Zukunftsperspektiven

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft mit der AfD umgehen sollten. Simone Rafael kommt zu dem Schluss, dass eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD unumgänglich ist. „Es ist wichtig, dass sich die Gesellschaft mit den rechtspopulistischen, homophoben und islamfeindlichen Aussagen der AfD argumentativ auseinandersetzt.“ Ein ähnliches Fazit zieht auch Bianca Klose. Ihr zufolge zwingt die Tatsache, dass nationalistische, rassistische, antifeministische und homosexuellenfeindliche Ideologeme auch weit über das Milieu der AfD hinaus verbreitet sind, die Zivilgesellschaft dazu, sich über ihr eigenes Verständnis von Menschenrechten und einer demokratischen, solidarischen Kultur klar zu werden. Argumentationen müssen ihrer Meinung nach diesbezüglich geschärft werden.

Was die Erfolgschancen der AfD für die nächsten Bundestagswahlen angeht, steht für Volker Beck fest, dass neue Parteien sehr schnell kommen und gehen können. „Mit Blick auf die Bundestagswahl wäre ich gelassen.“

In wie fern sich die Einschätzungen und Bewertungen der Expert/innen bewahrheiten werden, wird sicherlich durch den Ausgang des bevorstehenden Bundesparteitag beeinflusst werden. Gleichzeitig steht jedoch fest, dass die AfD, wie von Alexander Häusler beschrieben, mit ihren ausgrenzenden Thesen gegenüber Zuwanderern und Flüchtlingen sowie gegenüber Feministinnen und sexuellen Minderheiten eine Politik der Ausgrenzung bedient. Diese Politik der Ausgrenzung wird auch mit einem möglichen Ende der Alternative für Deutschland weiterhin existieren und auch in Zukunft eine politische, wissenschaftliche und zivilgesellschaftliche Auseinandersetzung erforderlich machen.