Über die Zukunft des Fliegens

Fliegendes Flugzeug

Die Heinrich-Böll-Stiftung veröffentlicht in Kooperation mit Airbus Group die Publikation „Oben - Ihr Flugbegleiter“. Im Interview erklärt Ralf Fücks wie es dazu kam und was nötig ist, damit das Fliegen in Zukunft umweltverträglicher wird.

Boell.de: Eine gemeinsame Publikation der Stiftung mit dem Luftfahrtkonzern Airbus ist nicht unbedingt zu erwarten. Weshalb dieses Projekt?

Ralf Fücks: Fliegen ist ein alter Traum der Menschheit. Das darf man auch als Grüner sagen, zumal Anhänger/innen der Grünen so viel fliegen wie keine andere Gruppe. Heute ist die Fliegerei ein Inbegriff globaler Mobilität. Das gilt für eine arbeitsteilige Weltwirtschaft ebenso wie für Politik und Wissenschaft, Kunst und Kultur, Sport und Urlaub.

Kehrseite dieser Entwicklung ist der Anstieg der Umweltbelastungen, die mit dem Flugverkehr verbunden sind: klimaschädliche Abgase, Lärm, Flächenverbrauch, Druck auf knappe Ressourcen. Mit diesem Konflikt müssen wir uns auseinandersetzen. Wir haben deshalb im letzten Jahr eine Reihe von Fachgesprächen mit Airbus organisiert, an denen auch grüne Politiker/innen, Umweltverbände, Flughafenmanager und Vertreter von Lufthansa teilgenommen haben. Die Broschüre fasst diese Gespräche zusammen.

Wie klimaschädlich ist das Fliegen?

Die CO2-Emissionen des Luftverkehrs tragen heute mit circa 3 Prozent zum Klimawandel bei. Werden alle Schadstoffe berücksichtigt, liegt der Anteil bei mehr als 5 Prozent (Wasserdampf, Kohlenmonoxid, Stickoxyd, Kohlenwasserstoffe).

Also dürfen wir alle nicht mehr so viel fliegen?

Ein edler Vorsatz, aber keine wirkliche Lösung des Problems. Die weltweite Zunahme des Flugverkehrs ist schon vorprogrammiert. Heute sind wir bei rund 3,3 Milliarden Flugreisen pro Jahr. In zwanzig Jahren wird sich diese Zahl voraussichtlich verdoppeln, ebenso die Zahl der Flugzeuge. Hohe Wachstumsraten werden v.a. für Asien, den Mittleren Osten und Afrika vorausgesagt. Gleichzeitig brauchen wir im Interesse des Klimaschutzes eine drastische Senkung von Treibhausgasen in Richtung „Zero Emission“ (Null-Emissionen). Klingt nach Quadratur des Kreises, aber das ist die Herausforderung.

Was also tun?

Kurzstreckenflüge können und müssen auf die Schiene verlagert werden. Manche Flugreise lässt sich durch eine Videokonferenz ersetzen. Man muss auch nicht zum Kurzurlaub nach Mallorca oder London fliegen. Das alles kann die Zunahme des Flugverkehrs dämpfen. Aber aufhalten werden wir ihn nicht. Die entscheidende Antwort liegt deshalb in radikaler technischer Innovation mit dem Ziel: CO2-freies Fliegen.

Wie soll das gehen?

Durch neues Design der Flugzeuge, neue Antriebstechnik, neue Werkstoffe und neue Herstellungsverfahren wie 3D-Druck. Ein großes Thema sind alternative Treibstoffe. Dazu gehört Biosprit der nächsten Generation – etwa die Gewinnung von Kerosin auf Algenbasis. Eine andere Option ist regenerativ erzeugter Wasserstoff. Auch der Elektroantrieb wird eine wachsende Rolle spielen. Daran wird bereits intensiv geforscht.

Klingt gut, aber dauert das alles nicht viel zu lange?

Bisher schon. Der Weg zum klimaneutralen Fliegen muss abgekürzt werden, weil neu gekaufte Maschinen noch die nächsten 30-40 Jahre eingesetzt werden. Auf dem Weg zu diesem Ziel gibt es viele sinnvolle Zwischenschritte: etwa ein einheitliches europäisches Luftraum-Management (Single European Sky) – das spart gut 10 Prozent des Spritverbrauchs.

Sollte man sich tatsächlich nur auf die Innovationsfreude der Industrie verlassen?

Keineswegs: Politik muss den Druck für Öko-Innovation im Flugverkehr erhöhen und Ziele vorgeben. Dazu gehört mehr Kostenwahrheit, etwa durch die Einbeziehung des Flugverkehrs in den europäischen Emissionshandel oder die Besteuerung von konventionellem Flugbenzin. Ohne Regulierung geht es nicht. Der Flugverkehr muss in das globale CO2-Minderungsregime einbezogen werden. Das Pariser Klimaabkommen ist dafür ein guter Hebel. Das bedeutet verbindliche Vorgaben für CO2-Reduktionsziele über 2020 hinaus. Bloße Kompensationsprojekte für die Treibhaus-Emissionen der Luftfahrt („Offsets“) sind nicht akzeptabel.

Wie bewertest Du unter dem Strich den Dialog mit Airbus?

Das war und ist keine Harmonieveranstaltung. Aber eine nützliche Übung war es doch. Die klimapolitischen Herausforderungen an die Branche liegen klar auf dem Tisch. Wir haben dazugelernt im Hinblick auf die technischen Potentiale. Hier gibt es ein breites Feld für Kooperation. Fragen politischer Regulierung bleiben strittig. Sie müssen letztlich durch Regierungen und Parlamente entschieden werden.

Airbus stellt ja nicht nur Zivilflugzeuge her. Was ist mit dem Thema Rüstungsproduktion?

Die militärische Seite von Airbus war nicht Gegenstand des Dialogs – die Differenzen vor allem im Hinblick auf den Rüstungsexport in Spannungsgebiete sind bekannt. Darüber habe ich mit Tom Enders (dem Airbus-Chef) schon in der FAZ gestritten. Wir haben uns auf die Frage konzentriert, wie die Kluft zwischen wachsendem Flugverkehr und Klimaschutz überbrückt werden kann. Die Broschüre gibt den Stand der Diskussion wieder.

Was soll diese Publikation bewirken?

Wenn wir einen Anstoß für die Debatte um nachhaltiges Fliegen geben können, hat sie ihren Zweck erfüllt. Wir wollten ein breiteres Publikum mit diesen Themen erreichen. Weil Airbus mit an Bord ist, kann man das nicht als grünes Wolkenkuckucksheim abtun. Außerdem wird sich der Konzern an diesem Maßstab messen lassen müssen.

Nach der Beschäftigung mit der Chemie-Industrie, der Automobil-Branche (siehe auch: Der Güterverkehr von morgen) und nun mit der Flugzeug-Industrie: Werden weitere Dialoge folgen?

Konkrete Pläne gibt es noch nicht. Wir werden diese Branchendialoge erst einmal in einem Buchprojekt zur ökologischen Transformation der Industrie bündeln. Darin wird es auch um die Energiewirtschaft, den IT-Sektor und den Maschinenbau gehen. Wenn man Klimaschutz ernst nimmt, kommt man um die Industrie nicht herum.

Vielen Dank.