Annemarie Böll über Heinrich Bölls Familie

Sie befinden sich in "Kapitel 2: Im Zweiten Weltkrieg (1939 bis 1945)".

Am 6. März 1942 heiraten Annemarie und Heinrich Böll in Köln. Am 31. Dezember 1942, während eines Heimaturlaubs in Köln, findet die kirchliche Trauung in St. Paul statt.

Vorwort von Annemarie Böll zu Heinrich Bölls "Briefe aus dem Krieg 1939 – 1945“

"[...] Die Familie Böll und ihren Freundeskreis lernte ich durch meine Studienfreundin Mechthild, eine der Schwestern Heinrich Bölls, die, die ihm wohl am nächsten stand, schon Ende der dreißiger Jahre kennen. Das Haus Böll war ein sehr »offenes«, trotz der wirtschaftlich schwierigen Lage und der Kränklichkeit der Mutter, die wegen ihrer Großherzigkeit, ihres oft bitteren Witzes, ihres Verständnisses für die jungen Leute von allen verehrt wurde.

Auch vom Vater Viktor Böll muß gesagt werden, daß er den sicher oft turbulenten Betrieb mit Großzügigkeit duldete. Zu dieser Zeit hatte sich ein ziemlich einheitlicher Kreis herausgebildet. Alle waren entschiedene Hitler-Gegner und Kriegsgegner, wenn auch die Ansichten, wie man sich in den nun eingetretenen Katastrophen verhalten sollte, auseinandergingen. Alle kamen aus einem katholischen Milieu. Trotz häufiger Kritik an der Amtskirche und einem gelegentlichen Antiklerikalismus war der christliche Glaube doch eine Lebensgrundlage, die als Gegenpol zur nationalsozialistischen Ideologie empfunden wurde.

Der Zusammenhalt der Eltern und Kinder Böll war sehr eng und herzlich. Die Entscheidungen der Söhne, soweit sie im Krieg möglich waren, wurden immer auch von der Rücksicht auf die Eltern bestimmt.

Heinrich Böll kam nach einer schweren Ruhrerkrankung und langem Lazarettaufenthalt in Frankreich im Sommer 1941 zu einem Genesungsurlaub nach Hause, danach zu seinem Ersatzbataillon, das in Köln stationiert und über mehrere Kasernen im Kölner Raum verteilt war. Zu dieser Zeit stellte sich heraus, daß unsere Beziehung eine dauernde sein würde. Wir heirateten im Frühjahr 1942.
Damals arbeitete ich an der Städtischen Realschule am Rothgerberbach in Köln.

Im Sommer brannte das Haus am Volksgarten, in dem ich wohnte, völlig aus. Wir fanden eine neue Wohnung in Sülz. Ein Jahr später wurde auch die Wohnung meiner Schwiegereltern am Karolingerring und in derselben Nacht das Haus, in dem der älteste Sohn Alois mit seiner jungen Familie lebte, zerstört. Die Eltern Böll mußten sich also auf Dauer in einem Hotelzimmer in Ahrweiler einrichten, in dem sie Zuflucht gefunden hatten. Meine Schwägerin Mechthild und ich fanden ebenfalls Unterschlupf in dem kleinen ehemaligen Gasthaus, das teilweise von Militär, teilweise von Fliegergeschädigten aus Köln und dem Ruhrgebiet bis unter das Dach belegt war.

Von dort aus fuhren wir täglich zu dritt, mein inzwischen fünfundsiebzigjähriger Schwiegervater, meine Schwägerin und ich nach Köln. Die Züge waren überfüllt mit Menschen, die beruflich noch in Köln festgehalten wurden, dort aber keine Wohnung mehr besaßen oder wegen der ständigen Fliegerangriffe ihre Familien aufs Land gebracht hatten. Die Nächte in Ahrweiler waren ruhig, aber 1944 wurden die Tieffliegerangriffe bei Tage immer häufiger.

Im November starb meine Schwiegermutter - Heinrich Böll lag zu dieser Zeit im Lazarett in Bad Neuenahr. Wegen der immer bedrohlicher werdenden Lage entschlossen wir uns, auf die rechte Rheinseite zu wechseln, wo mein Schwager Alois in dem Dorf Marienfeld bei Much eine Unterkunft für seine Familie gefunden hatte. Dort erlebten wir das Kriegsende. [...]"

aus:
„Briefe aus dem Krieg 1939 – 1945“ von Heinrich Böll
Hrsg. von Jochen Schubert
© 2001 by Verlag Kiepenheuer & Witsch Köln

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