René Böll zur Abschlussveranstaltung der Kölner Ausgabe der Werke Heinrich Bölls

17. November 2010

Von Rene Böll

Sehr geehrter Kulturstaatsminister Bernd Neumann,
lieber Ralf Fücks,
lieber Helge Malchow,
lieber Prof. Dr. Ralf Schnell,
 
leider kann ich heute aus gesundheitlichen Gründen nicht an dieser Feier teilnehmen.
Wir feiern heute den erfolgreichen Abschluss eines Projektes, das vor über 25 Jahren im Wohnzimmer meiner Mutter seinen Anfang nahm und - nach einigen Schwierigkeiten - 1998 in der jetzigen Form begonnen wurde.

Damals wurde geplant, das Projekt mit der Herausgabe des 27. Bandes im Jahre 2010 abzuschließen, und ich darf uns allen gratulieren, dass dies - und das ist zumindest in der modernen Editionsgeschichte einmalig - pünktlich geschehen ist.

Es ist in gemeinsamer Anstrengung vieler Beteiligter und dank großzügiger Förderung gelungen, jedes Jahr 3 Bände in hervorragender Qualität fertigzustellen.

Ich kann hier nicht alle Förderer einzeln nennen, stellvertretend sei der Heinrich-Böll-Stiftung gedankt, die das Projekt über 20 Jahre nicht nur finanziell gefördert hat, und dem Verlag Kiepenheuer & Witsch.

Es haben - angefangen von den Holzfällern, die hoffentlich ökologisch und politisch korrekt gearbeitet haben, über die Papierherstellung, die Manuskriptarbeit, das Lektorat, den Korrektur- , Satz-, Druck- und Bindearbeiten bis hin zur Auslieferung und zum Vertrieb - wohl mehr als 100 Menschen an dem Zustandekommen der Ausgabe mitgearbeitet, hinzugenommen auch die, die mit Auskünften zu Personen und zur Zeitgeschichte behilflich waren.

Es gab vieles zu bedenken: Für wen machen wir diese Ausgabe? Wie bauen wir den Kommentar auf? Denn der Kommentar, der manchen vielleicht zu umfangreich scheinen mag, sollte ja nicht (nur) für die ältere Generation verfasst sein, sondern soll gerade jüngere Leser mit der Welt zu Heinrich Bölls Lebenszeit vertraut machen.
Die Entscheidung stand an: alte oder neue Rechtschreibung? Ich sprach mich für die alte, von meinem Vater selber verwendete Rechtschreibung aus, und glaube heute, dass dies die richtige Entscheidung war. Ein Kunstwerk darf nicht verändert werden, darf nicht den heutigen Erfordernissen politischer Correctness angepasst werden.

Aufgenommen wurde alles, was Heinrich Böll zu Lebzeiten veröffentlicht hat. Zu entscheiden, was von den zahlreichen unveröffentlichten Arbeiten aufgenommen werden sollte, war nicht immer leicht. So wurden von den Arbeiten aus der Vorkriegszeit exemplarische Texte ausgesucht und veröffentlicht.

Wichtig ist mir, dass die Menschen heute lesen, was Heinrich Böll geschrieben hat und nicht nur lesen, was über ihn geschrieben wird. Nur so können sie sich ihr eigenes Urteil bilden, können wegkommen von den zahlreichen Klischees über ihn. Der Leser kann ihn so als das wahrnehmen, was er in allererster Linie war und ist: ein Schriftsteller und Künstler. Ein Schriftsteller der sich auch einmischte, dann, wenn es um Menschenrechte ging, auch, wenn es um Autorenrechte ging.

Natürlich tauchten für mich bei der erneuten Lektüre und bei der Mitarbeit am Kommentar viele Episoden, meiner Kindheit, meiner Jugend, auch meines Erwachsenendaseins wieder auf: die vielen Reisen, nicht nur nach Irland, das halbe Jahr in Italien und Jugoslawien, der Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes 1968 in Prag, die Friedensdemonstrationen der 80er Jahre...
Es gab und gibt für uns, seine Söhne, ein materielles und immaterielles Erbe. Das immaterielle zu verwalten ist durch die vielen neuen urheberechtlichen Fragen alles andere als einfach – ich nenne nur das Internet und das E-Book. In beiden Fällen bildet für mich das Urheberrecht eines der zentralen Rechtsgüter in der Informationsgesellschaft, denn der Schutz der Autoren muss weiterhin das wichtigste Ziel des Urheberrechts bleiben.

Mein ganz besonderer Dank gilt Jochen Schubert und Markus Schäfer, die als Mitarbeiter der Heinrich-Böll-Stiftung im Kölner Heinrich-Böll-Archiv arbeiten. Ich glaube, niemand kann ermessen, was sie zur Herausgabe dieser Ausgabe geleistet haben.
Ich möchte schließen mit einem meiner Lieblingszitate: »Die Humanität eines Landes lässt sich daran erkennen, was in seinem Abfall landet, was an Alltäglichem, noch Brauchbarem, was an Poesie weggeworfen, der Vernichtung für wert erachtet wird.«

© René Böll / Alle Rechte vorbehalten

 
 

Galerie: Feierliche Präsentation der Böll-Gesamtausgabe

 
 

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