„Reformiert IWF und Weltbank!“

31. März 2009
Von Korinna Horta und Barbara Unmüßig
Von Korinna Horta und Barbara Unmüßig

Große Hoffnungen richten sich auf die G20, den neuen Klub der Industrie- und Schwellenländer: Auf ihrem Gipfeltreffen in London Anfang April sollen sie die Grundlagen für eine neue globale Finanzarchitektur schaffen. Unter dem akuten Krisendruck – so die Hoffnung – wird eine neue Etappe des kooperativen Multilateralismus eingeläutet. 

Allerdings sind schon im Vorfeld Divergenzen zwischen den Industrieländern offen gelegt worden. Ausmaß und Reichweite der Kontrolle und Aufsicht über die Finanzmärkte bleiben umstritten. Und während die EU den Akzent auf eine stärkere Regulierung setzt, sieht die Obama-Administration eine Verstärkung weltweiter Liquidität als höchste Priorität – auch wenn damit größere Defizite und wachsende Inflationsraten einhergehen.

Neu ist die Beteiligung der Schwellenländer. Anders als 1944 bei der Konferenz der Alli-ierten in Bretton Woods, einem Kurort im U.S. Staat New Hampshire, und anders als in der G8, in der nur die großen Industrieländer vertreten sind, werden am G20-Gipfel Schwellenländer wie China, Indien, Südafrika, Brasilien, Südkorea und Mexiko teilnehmen: Sie werden bei der Bewältigung der schwersten Krise seit 1929 dringend gebraucht. Immerhin bemüht sich auch der britische Gastgeber Premier Gordon Brown um mehr politische Legitimation: Die britische Regierung hat regionale Bündnisse wie die Organisation Afrikanischer Staaten (OAU) oder das südostasiatische Staatenbündnis ASEAN ein-geladen. Damit macht sie die Repräsentanz von armen Entwicklungsländern möglich. Welche politische Mitsprache damit verknüpft ist, muss sich noch zeigen.

IWF und Weltbank: Aufstockung der Kriegskasse

Bei allen Kontroversen gibt es einen großen Konsens: Die Bretton-Woods-Organisationen Internationaler Währungsfonds (IWF) und Weltbank sollen aufgewertet werden. Ansätze für Reformkonzepte, die sich mit künftigen Kompetenzen, einer sinnvollen Arbeitsteilung zwischen beiden Institutionen, mit neuen Entscheidungsstrukturen und den wirtschafts- und finanzpolitischen Zielen der Kreditvergabe auseinander setzen, liegen jedoch nicht auf dem Tisch. Hier klafft eine riesige Reformlücke, denn gleichzeitig besteht Konsens, die Bretton-Woods-Zwillinge mit viel neuem Geld auszustatten. Beide Institutionen sollen für neue Liquidität vor allem der stark gebeutelten osteuropäischen und aller anderen, von der Krise in Mitleidenschaft gezogenen Schwellen- und Entwick-lungsländer sorgen.

Die Aufstockung der „Kriegskasse“ des IWF scheint abgemachte Sache. Dessen Kreditmittel sollen sich von jetzt 250 Milliarden Dollar verdoppeln bis verdreifachen. Aber der IWF ist gerade in den Schwellen- und Entwicklungsländern ein ungeliebter Krisemanager. Allzu häufig hat er neo-liberale Wirtschaftsprogramme durchgesetzt, die die Wirtschaftskrisen noch verschärften. Von Indonesien bis Argentinien, von Südkorea bis Brasilien und natürlich auch China – alle, die es sich leisten konnten, haben sich mit Devisenreserven zu schützen versucht, um bloß nicht Kunde beim IWF zu werden. In Lateinamerika war der IWF 2008 nur noch mit einem Prozent seines Kreditportfolios präsent. Das än-dert sich nun wieder, ohne dass es eine ausführliche politische Debatte zu den finanz- und wirtschaftspolitischen Zielen der neuen IWF-Kredite gäbe. Klar ist, dass die Entwicklungs- und Schwellenländer ihre Zustimmung zur Aufwertung des IWF und der Weltbank an eine Reform der Stimmrechte in den jeweiligen Exekutivräten knüpfen werden. Diese längst überfällige Reform der Stimmrechtsverhätnisse, für 2013 geplant, dürf-te nun auf 2011 vorgezogen werden. Sie reicht jedoch bei weitem nicht aus. Wenn der IWF eine prominentere „Global Finance Governance“-Rolle spielen soll, dann braucht er vor allem mehr Kompetenzen und ein „robustes“ Mandat, sich mit den ökonomischen Ungleichgewichten und den Risiken der Finanzmärkte zu beschäftigen. Zudem muss es eine, auch an sozialen und ökologischen Kriterien orientierte Reform der Kreditkonditio-nen geben. Die aktuellen IWF-Pakete zum Beispiel für die baltischen Staaten lassen kei-ne neuen Konzepte erkennen.

Aufbruch für einen Green New Deal?

Der Weltklimarat und der IWF kommen unabhängig voneinander zu einem ähnlichen Ergebnis: Die ärmsten Staaten und die ärmsten Bevölkerungsgruppen sind am härtesten von der Klimakrise und der Weltwirtschaftskrise betroffen, an derer Verursachung sie keinerlei Anteil hatten. Zur Rettung tritt auch die Weltbank aufs Parkett, die schon 2009 ihre Kredite für Länder mittleren Einkommens verdreifachen möchte und ein Kreditvo-lumen von 100 Milliarden US-Dollar über die nächsten drei Jahre anstrebt. Weltbankchef Robert Zoellick fordert dazu auf, ein Prozent aller Konjunkturprogramme in einen Ret-tungsfonds einzuzahlen. Doch auch bei der Weltbank stellt sich die Frage, für welche Ziele sie die neuen Kredite bereit stellt. Die Weltbank wird seit Jahren für ihre fehlgelei-tete Entwicklungspolitik kritisiert. Ihre armutspolitische und mehr noch ihre umweltpolitische Bilanz ist ernüchternd.


Das wird selbst durch die hausinternen Berichte der Evaluierungsgruppe (IEG) der Welt-bank belegt, deren Ergebnisse bislang wenig Einfluss auf eine Neu- oder Umorientierung der Kreditvergabe haben.

Die IEG veröffentlichte 2008 eine Evaluierung zum Umgang der Weltbank mit der Um-welt. Weltbankinvestitionen über den Zeitraum von 1990 bis 2007 wurden unter die Lupe genommen. Das Zeugnis war denkbar schlecht:  Kredite für den öffentlichen Sektor und den Privatsektor unterhöhlen sich wechselseitig. Dieses Problem tritt besonders häufig in Sektoren wie Energie, Transport und der industriellen Landwirtschaft in Tropenländern auf. Zum Beispiel beteiligt sich die International Finance Corporation, die Privatsektortochter der Weltbank, an Investitionen in industriellen Palmöl- und Sojaplantagen. Dafür werden Tropenwälder gerodet. Gleichzeitig warnt die Weltbank  vor den Folgen der Entwaldung. Vinod Thomas, General-Direktor der IEG sagte dazu kürzlich: „Sie [Weltbankangestellte] müssen unbedingt damit anfangen, den unausweichlichen Zusammenhang zwischen Umweltschutz und Armutsbekämpfung zu sehen.“  Dabei hatte sich die Weltbank seit dem Rio-Erdgipfel von 1992 „nachhaltige Entwicklung“ auf die Fahne geschrieben. Ihr institutionelles Lernen ist äußerst schwach, das belegen zahlreiche Evaluierungsberichte, die Widersprüche und Fehlschläge attestieren.

750 Millionen US-Dollar für ein indisches Kohlekraftwerk

Die Kluft zwischen wohlmeinender Rhetorik und institutioneller Praxis ist ein altbekann-tes Phänomen. Kredite der Weltbank werden ohne größere Rücksicht auf soziale und ökologische Folgen abgewickelt. Mit mehr Geld im Portfolio verstärkt sich dieser Trend, auch das zeigt die Geschichte der Weltbankausleihungen. Trotzdem wird die Weltbank immer wieder als erste Adresse genannt, wenn es um die Finanzierung globaler Aufgaben geht. So bereitet sie sich derzeit darauf vor, die Hauptfinanzierungsquelle für Klimaprojekte zu werden. Letzten Sommer kündigte die Weltbank gleich eine ganze Serie neuer Klimainvestmentfonds an. Klimafreundliche Technologien in Entwicklungsländern und Anpassungsprogramme an den Klimawandel sollen gefördert werden. Fast gleichzeitig bewilligte die International Finance Corporation einen Kredit in Höhe von 750 Millionen US-Dollar für ein Kohlekraftwerk der Tata Power Corporation im indischen Bundesstaat Gujarat, das zu Indiens drittgrößter  CO2-Emissionsquelle werden wird. Hier geht es nicht um das Argument, ob Indien weiterhin Kohlekraftwerke bauen sollte, sondern darum, ob es die beste Verwendung öffentlicher Entwicklungshilfegelder ist, in erhöhte Emissionen zu investieren. Da, wie die Weltbank selbst erkannt hat, die ärmsten Bevölkerungsgruppen, ihre vermeintliche Klientel, am frühesten und am schlimmsten unter Kli-maveränderungen leiden, müsste die Antwort negativ ausfallen.

Bisher haben Geberländer mehr als sechs Milliarden US-Dollar für die Klimafonds zur Verfügung gestellt: Diese sollten eindeutig für klimafreundliche Investitionen, wie erneu-erbare Energien und Energieeffizienz, eingesetzt werden, um damit den Weg in eine ökologisch- und sozialverantwortliche Energiepolitik zu ebnen. Zudem ist es unverzichtbar, das gesamte Kreditportfolio der Weltbank mit Klimaschutz in Einklang zu bringen. Wie weit wir noch davon entfernt sind, zeigt eine neueste Untersuchung des Washingtoner World Resources Institute, die belegt, dass fast 50 Prozent aller Weltbankenergieprojekte im Jahr 2007 dem Thema Klima überhaupt keine Aufmerksamkeit schenkten. Dies dürfte auch für andere klimaempfindliche Sektoren wie Landwirtschaft, extraktive Industrien (Bergbau, Erdöl und Erdgas) und große Infrastrukturprojekte zutreffen.

Die Evaluierungsgruppe der Weltbank hat festgestellt, dass die Weltbank gut über nachhaltige Umweltpolitik reden kann, sie aber den Umweltauswirkungen ihrer eigenen Aktivitäten wenig Beachtung schenkt. Angesichts wachsender Umweltrisiken und neuen Finanzflüssen, die dem Klimaschutz dienen sollen, empfiehlt die IEG der Weltbank und ihren Partnern, sich auf messbaren Umweltschutz zu konzentrieren.

Verständlicherweise werden sich die G20 in London vornehmlich mit der Stabilisierung globaler Finanzmärkte befassen. Sie dürfen jedoch nicht verpassen, IWF und Weltbank als einflussreiche Kreditgeber und Entwicklungsinstitution auf globaler Ebene auf einen neuen grünen Kurs zu lenken, um sicherzustellen, dass öffentliche Gelder der Bewältigung multipler Krisen und den armen und ärmsten Bevölkerungen dienen.

Korinna Horta, Leiterin der Abteilung Internationale Finanzen & Entwicklung, Environmental Defense Fund, Washington
Barbara Unmüßig, Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin

Dieser Artikel erschien in gekürzter Fassung auf Zeit Online.

» Blog Klima der Gerechtigkeit

Barbara Unmüßig

Barbara Unmüßig ist Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Sie hat zahlreiche Zeitschriften- und Buchbeiträge zu Fragen der internationalen Finanz- und Handelsbeziehungen, der internationalen Umweltpolitik und der Geschlechterpolitik veröffentlicht.