„Wenn man kein Recht auf Freiheit hat, werden alle anderen Rechte gegenstandslos!“












3. Dezember 2008

Von Ralf Fücks



Eröffnung der Veranstaltung zur Verleihung des Petra-Kelly-Preises an Zhang Sizhi
durch Ralf Fücks, Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung, 2. Dezember 2008

Sehr geehrter Herr Zhang Sizhi,
sehr geehrte Frau Bundesministerin Zypries,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,

herzlich Willkommen in der Heinrich-Böll-Stiftung. Wir verleihen heute erstmalig den Petra-Kelly-Preis in unserem neuen Stiftungshaus und freuen uns, dass Sie alle so zahlreich erschienen sind. Eine besondere Freude ist es uns, dass unser Preisträger die weite Reise nach Berlin angetreten hat, und wir ihn persönlich willkommen heißen können.

Sehr verehrter Herr Zhang Shizi,


ich habe mir mehrfach das Interview angesehen, das Sie der Heinrich-Böll-Stiftung im Vorfeld der Preisverleihung gegeben haben. Es ist als Video auf unserer Website dokumentiert. Ich muss gestehen, dass ich selten von einem Dokument so berührt war wie von diesem äußerlich so nüchternen Interview: ein aufrichtiges, offenes und dabei sehr differenziertes Bild der Entwicklung Chinas über die letzten Jahrzehnte seit der Kulturrevolution, über die Fortschritte und Rückschläge auf dem Weg zur Rechtsstaatlichkeit - und zugleich das Porträt einer mutigen und dabei überaus bescheidenen Persönlichkeit. Ich bin sicher, dass Petra Kelly in Ihnen einen Geistesverwandten sehen würde.

Der Petra-Kelly-Preis wird alle zwei Jahre von der Heinrich-Böll-Stiftung an Personen vergeben, die sich in herausragender Weise für die Achtung der Menschenrechte, für gewaltfreie Konfliktlösungen sowie den Schutz der natürlichen Umwelt einsetzen. Die Auswahl der Preisträger trifft der Aufsichtsrat der Stiftung auf Vorschlag des Vorstands.

Erste Preisträgerin war 1998 die „Unrepresented Nations and Peoples Organisation“, die internationale Vereinigung der ethnischen und kulturellen Minderheiten. Die folgende Auszeichnung ging an die Schwestern Berta und Nicolasa Quintreman, die sich für die Rechte der indigenen Minderheit in Chile einsetzen. Preisträgerin des Jahres 2002 war die kolumbianische Abgeordnete und „grüne“ Politikerin Ingrid Betancourt, die in diesem Jahr endlich nach sechsjähriger Verschleppung aus der Gefangenschaft der FARC-Guerilla befreit werden konnte. Mit dem Preis würdigte die Stiftung Ingrid Betancourts herausragendes Engagement für ein Ende der Jahrzehnte andauernden Gewalt und der massiven Menschenrechtsverletzungen in Kolumbien sowie ihren Kampf gegen Korruption und für eine transparentere Politik. Wir sind erleichtert, dass bei der spektakulären Befreiungsaktion keine Opfer zu beklagen waren – das ist nicht selbstverständlich.

2004 ging der Preis an die kenianische Umwelt- und Menschenrechtsaktivistin Wangari Maathai, die später mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, sowie im Jahr 2006 an den Juristen und Gründer des Russischen Anwältekomitees für Menschenrechte, Juri Schmidt.

Mit dem Preis gedenkt die Heinrich-Böll-Stiftung zugleich Petra Kelly, Mitbegründerin der bundesdeutschen Grünen und herausragende Persönlichkeit der weltweiten ökologischen und pazifistischen Bewegung. Petra Kelly war eine rastlose, missionarische Vorkämpferin für die Menschenrechte, für den Frieden mit der Natur und unter den Völkern. Sie stand für eine unbedingte, aber strikt gewaltfreie Parteilichkeit an der Seite der Unterdrückten. Petra war unbequem, unbeirrt und unbeugsam. Ihr politisches Erbe ist bis heute eine Herausforderung an die Grünen, nicht zu kurz zu springen und sich jene produktive Unruhe zu bewahren, die Petra Kelly auszeichnete.

In ihrem Sinne sollen der Preis, die mit ihm verbundene öffentliche Aufmerksamkeit und auch das Preisgeld von 10.000 Euro die Anliegen der ausgezeichneten Personen fördern und ihnen helfen, diese weiter zu verfolgen. Insofern ist die Auszeichnung mit dem Petra-Kelly-Preis auch eine politische Stellungnahme.

Es entspricht keiner gezielten Preispolitik, ist aber auch kein Zufall, dass jetzt zwei Mal in Folge Anwälte den Preis erhalten haben: In autoritär verfassten Staaten spielen sie eine zentrale Rolle als Verteidiger von Menschenrechten und rechtsstaatlichen Normen.

Wie für Juri Schmidt ist auch für Herrn Zhang Sizhi sein Beruf zugleich Berufung: Indem er seinen Beruf ernst nimmt, verteidigt er zugleich das Recht. Dabei geht es ihm um ein normatives Rechtsverständnis, dessen Fundament die Menschenrechte bilden. Die Gesetze müssen sich deshalb daran messen lassen, ob sie im Einklang mit den Menschenrechten stehen. Das Recht aller Rechte aber ist das Recht auf Freiheit. Um es mit den Worten unseres Preisträgers zu sagen: „Wenn man kein Recht auf Freiheit hat, werden alle anderen Rechte gegenstandslos!“ Ich hoffe, dass die Verleihung des Petra-Kelly-Preises an Zhang Shizi dazu beiträgt, alle zu ermutigen, die sich auf den langen Marsch zur Freiheit begeben haben.

Meine Damen und Herren,


wir freuen uns sehr, dass die Bundesministerin der Justiz die Laudatio für Herrn Zhang Shizi übernommen hat.

Liebe Brigitte Zypries, Sie haben das Wort.