Atomwaffen, Energiesicherheit, Klimawandel – Wege aus dem nuklearen Dilemma

30. September 2010
Von Henry D. Sokolski
Von Henry D. Sokolski

Beitrag aus der Publikation: Schriften zur Ökologie, Band 12: Mythos Atomkraft - Warum der nukleare Pfad ein Irrweg ist

Der Beitrag von Henry Sokolski „Atomwaffen, Energiesicherheit, Klimawandel – Wege aus dem nuklearen Dilemma“ macht deutlich, dass die Zahl von Staaten mit der Fähigkeit Atomwaffen herzustellen in den nächsten Jahren eher steigen als sinken wird.
Denn angesichts der wachsenden Sorge der Staaten um ihre Energieversorgung und die Verringerung der Kohlendioxidemissionen setzen die Regierungen inzwischen wieder vermehrt auf die Förderung der Atomenergie.

Zivile und Militärische Nutzung der Atomkraft lassen sich nicht trennen
Sokolski macht in seinem Beitrag deutlich: Man kann die Anzahl umfassender Reaktorprogramme nicht erhöhen, ohne dabei gleichzeitig auch die Technik zur Produktion von Atomwaffen weiterzuverbreiten. Technisch gesehen sind die Mittel, die man braucht, um mit Atomenergie Wasser kochen zu können, nahezu identisch mit denen zur Herstellung einer Plutoniummenge, die für eine ganze Anzahl an Bomben ausreicht.

Praktisch gesehen schafft man es nicht, die zahlreichen, für die Entwicklung und Durchführung solcher Programme erforderlichen Ingenieure und Techniker zu schulen, ohne das Risiko einzugehen, dass sie auch lernen, wie man durch Recycling abgebrannter Brennelemente den nötigen Brennstoff selbst herstellt. Auch lässt sich nicht wirklich überprüfen, ob die eventuellen Zusicherungen von Staaten, sie würden auf die Herstellung von Nuklearbrennstoff verzichten, auch wirklich eingehalten werden. Nicht nur, dass es der IAEO in der Vergangenheit nicht gelungen ist, verdeckt betriebene Anlagen zur Produktion von Nuklearbrennstoff aufzuspüren, sie hat darüber hinaus auch wiederholt feststellen müssen, dass extrahiertes Plutonium und angereichertes Uran in einer Menge, die für einige Bomben gereicht hätte, nicht verbucht wurde, und zwar lange nachdem es bereits produziert worden war. Laut Sokolski wird in keinem der vorgeschlagenen Inspektionsverfahren der IAEO – auch nicht im Zusatzprotokoll – diesen Problemen genügend Beachtung geschenkt.

Daher geht man aus Sicht des Autors ein erhebliches Risiko ein, dass Atomwaffen weiterverbreitet werden, falls man einem Staat die Mittel zur Durchführung eines umfangreichen Atomprogramms in die Hand gibt.

Alternativen zur Atomkraft
Sokolski zeigt, dass es etliche überzeugende, saubere und wirtschaftlich konkurrenzfähige Optionen der Energiegewinnung gibt, bei denen Atomenergie keine Rolle spielt. Aufgrund neu entdeckter Erdgasvorkommen erhält dieser relativ saubere und billige Brennstoff eine Brückenfunktion hin zu komplizierteren und gegenwärtig noch teureren alternativen Energieoptionen. Aber die Kosten dieser nicht-atomaren Alternativen sinken. Darüber hinaus versprechen auch Maßnahmen zur Energieeinsparung, neue Möglichkeiten der Stromspeicherung sowie neue Arten von Verteilungssystemen, dass sich der Energiebedarf erheblich verringern wird.

Maßnahmen zur Eindämmung der Proliferationsgefahr
Um die Proliferationsgefahr einzudämmen, schlägt der Autor jenseits einer Stärkung des globalen Nichtverbreitungsvertrags eine Reihe weiterer Schritte der internationalen Zusammenarbeit vor.

  • Er schlägt vor, nichtnukleare Energieoptionen bei allen großen Energieprojekten in einer offenen internationalen Ausschreibung wirtschaftlich miteinander konkurrieren zu lassen, damit sie sich gegenüber der Atomenergie besser positionieren können. Statt internationale Angebote für bestimmte Energieprojekte wie etwa für ein Atomkraftwerk oder ein Programm zur Kohlenstoffsequestrierung einzuholen, sollten die Staaten zu Ausschreibungen ermuntert werden, in denen lediglich die benötigte Energiemenge und die einzuhaltenden Umweltbedingungen vorgegeben werden. Das Angebot, das die genannten Anforderungen am schnellsten und kostengünstigsten erfüllt, kriegt den Zuschlag (die Kosten für Subventionen sowie eventuelle Kohlendioxidabgaben immer mit eingerechnet).

Des weiteren fordert Sokolski, dass die Staaten, denen am meisten an einer Eindämmung der nuklearen Gefahren gelegen ist, ihre Bemühungen um einen umfassenden internationalen Vertrag unbedingt durch praktische Maßnahmen ergänzen, die eigentlich jetzt schon ergriffen werden können (denn bis der Vertrag, wenn überhaupt, Wirklichkeit wird, werden noch Jahre ins Land gehen):

  • Staaten sollten darin bestärkt werden, ihre Produktion an waffenfähigem Spaltmaterial für zivile oder militärische Zwecke herunterzufahren. Dazu müssten sie melden, in wieweit ihre Bestände über das hinausgehen, was sie für zivile oder militärische Zwecke benötigen. Danach müssten sie dieses Material entsorgen oder zumindest den Zugriff darauf drastisch erschweren.
  • Es sollte auch die Lieferung von Atombrennstoff für zivile Zwecke an Staaten sichergestellt werden, die wie Indien den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet haben, wenn damit ein nukleares Wettrennen zwischen diesen Ländern verhindert werden kann.
  • Die Länder, die Nuklearbrennstoff liefern, sollten außerdem zu einer größeren Aufrichtigkeit in Bezug auf die Mängel im Überwachungssystem der IAEO angehalten werden und mit zur Klärung der Frage beitragen, was bei den Inspektionen bislang nicht zuverlässig aufgespürt werden kann.
  • Schlussendlich muss unbedingt der Stationierung nichtatomarer Waffensysteme mehr Bedeutung eingeräumt werden, damit sich das Interesse der Staaten am Kauf atomarer Waffen verringert. In diesem Zusammenhang sollte mehr dafür getan werden, die Zahl offensiver ballistischer Raketen, die Atomsprengköpfe tragen können, zu begrenzen.

Der Vorteil dieser Empfehlungen ist, dass sie direkt umgesetzt werden können. Andererseits gibt es keine Fristen für die Umsetzung. Daher plädiert der Autor dafür, das erhöhte Proliferationsrisiko zu erkennen und diese Maßnahmen zu ergreifen.  


Henry Sokolski
ist Executive Director des Nonproliferation Policy Education Center (NPEC) in Washington. Er ist Berater vieler amerikanischer Institutionen und Politiker. Zahlreiche Veröffentlichungen. Kontakt: www.npolicy.org

Den vollständigen Beitrag können Sie in unseren Schriften zur Ökologie, Band 12: "Mythos Atomkraft - Warum der nukleare Pfad ein Irrweg ist" lesen.

Dossier

Mythos Atomkraft

 Nach dem Atomunfall in Japan ist die Atomdebatte wieder aufgeflammt. Das Dossier liefert atomkritisches Know-How zu den großen Streitfragen um die Atomenergie.