„The Great Transformation – Greening the Economy“

28. Mai 2010
Von Ralf Fücks
Ralf Fücks, Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung       


Dies ist ein großes Ereignis für die Böll-Stiftung, und hoffentlich für Sie alle. Wir sind dankbar für das Echo, das wir mit dieser Konferenz gefunden haben.  Und wir bedanken uns bei unseren Partnern, ohne die ein Projekt dieser Größenordnung nicht möglich gewesen wäre, insbesondere beim Center for American Progress und der Mercator-Stiftung.

Angesichts der anhaltenden Finanzkrise, die ganze Staaten an den Rand des Bankrotts führt, und dem tristen Ausgang der Klimakonferenz von Kopenhagen brauchen wir dringend neue Impulse für den ökologischen Umbau der Industriegesellschaft. 

Mit einer Bilanz von Kopenhagen werden wir auch beginnen. Aber wir wollen uns nicht allzu lange mit dem Rückblick aufhalten, sondern den Blick nach vorne richten: wie soll, wie kann es jetzt weitergehen?
 
Klimadiplomatie ist wichtig, um die großen CO-2-Sünder auf verbindliche Reduktionsziele zu verpflichten und die finanziellen Ressourcen für den Transfer umweltfreundlicher Technologien in die Entwicklungsländer bereitzustellen.

Aber wir müssen nicht auf ein Post-Kyoto-Abkommen warten, um die ökologische Transformation der Industrieländer voranzutreiben. Der Klimawandel wartet nicht, bis wir unsere Hausaufgaben gemacht haben. Und wer eine sichere, bezahlbare Energieversorgung für die Zukunft will, der sollte nicht auf der Jagd nach dem letzten Tropfen Öl die Meere verseuchen, sondern auf Energieeffizienz, Wind, Sonne und Biogas setzen.

Der Übergang vom fossilen ins postfossile Zeitalter – das ist die große Aufgabe der kommenden Jahrzehnte. Die gute Botschaft ist: diese Transformation ist bereits im Gang – in vielen Städten, Bundesländern, Forschungsinstituten, Unternehmen und in den Köpfen von Abermillionen Menschen rund um den Globus. Und viele dieser positiven Beispiele werden auf dieser Konferenz zur Sprache kommen.

Die Industriegesellschaft hat nur eine Zukunft, wenn sie sich mitten im laufenden Betrieb neu erfindet. Eine Halbierung der globalen Treibhausgas-Emissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts, und eine Senkung um 90% in den Industriemetropolen: das bedeutet nichts weniger als eine neue industrielle Revolution. Der Wohlstand von morgen kann nur auf einem Höchstmaß an Ressourceneffizienz, nachwachsenden Rohstoffen und erneuerbaren Energien aufbauen.

Angesichts von Klimawandel und Ressourcenkrise ist dieser Umbau ein unbedingtes Muss, und zugleich ist er eine großartige Herausforderung für unseren Forschergeist, für Ingenieure, Pionierunternehmer, Architektinnen, Stadtplaner und Mobilitätsexperten. Und natürlich für kluge, vorausschauende Politik. Sie muss die Weichen auf nachhaltiges Wachstum stellen.

Ich weiß, dass dieser Begriff in vielen Ohren wie eine Quadratur des Kreises klingt. Aber wachsen wird die Weltwirtschaft in den kommenden Jahrzehnten so oder so, schon allein aufgrund der rasch wachsenden Weltbevölkerung. Aus ökologischer Perspektive lautet die entscheidende Frage deshalb: gelingt es, dieses Wachstum in umweltverträgliche Bahnen zu lenken? Und aus sozialer Perspektive kommt es darauf an, nicht die Polarisierung zwischen arm und reich zu vertiefen, sondern möglichst viele Menschen zu Teilhabern an Bildung, Arbeit und Einkommen zu machen.

Ökologische Nachhaltigkeit und soziale Teilhabe: das ist auch der Grundgedanke des Green New Deal, den sich unsere Stiftung auf die Fahnen geschrieben hat.

Tatsächlich ist dieses Konzept der einzig zukunftsweisende Ausweg aus der Doppelkrise des Ökosystems und des Finanzsystems, die sich noch verschärfen wird, wenn wir das Ruder nicht herumwerfen. Beide resultieren aus der Dominanz kurzfristiger Renditeziele über langfristige Gemeinwohlinteressen. Wir müssen deshalb dringend mehr Zukunftsverantwortung in die Wirtschaft wie in die Politik bringen – und für beides braucht es kritische, kenntnisreiche und engagierte Bürger.

Die Konferenz widmet sich vor allem drei großen Fragen, die im Zentrum der ökologischen Transformation stehen:
Erstens geht es um die notwendigen politischen Weichenstellungen und Instrumente. Dazu zählen eine zukunftsorientierte Forschungs- und Technologiepolitik, die ökologische Steuerreform, ein effizienter CO-2-Emissionshandel, anspruchsvolle Effizienzstandards für Gebäude und technische Geräte bis hin zu einer europäischen Gemeinschaft für erneuerbare Energien und einer Reform des Welthandelsregimes.

Zweitens wollen wir einen genaueren Blick auf Schlüsseltechnologien und Pilotprojekte für die ökologische Wende richten: von erneuerbaren Energien, CO-2-neutralen Städten und Plus-Energie-Häusern bis zu transnationalen „super smart grids“ und attraktiven öffentlichen Verkehrssystemen.

Drittens geht es um neue Allianzen, mit denen das Projekt der ökologischen Moderne vorangetrieben werden kann. Dabei geht es nicht primär um Parteikoalitionen, sondern um gesellschaftliche Bündnisse für Klimaschutz und ökonomische Innovation, z.B. zwischen Unternehmen, Gewerkschaften und Umweltverbänden.

Dieser Dreiklang prägt die Konferenz, bis wir uns am Ende der Debatte um alternative Wachstumsmodelle und -strategien zuwenden, die in den USA unter dem Begriff „Progressive Growth“ diskutiert werden.

Bei allem notwendigen Krisenbewusstsein wollen wir mit dieser Konferenz Mut machen, visionäre Ideen vermitteln und konkrete Handlungsmöglichkeiten aufzeigen.

Wer nicht in Berlin sein kann, hat die Möglichkeit, die Konferenz per live stream im Internet zu verfolgen und sich mit Fragen oder Kommentaren einzuschalten.

Wir werden unser Bestes tun, aber der Erfolg einer solchen Tagung hängt ganz wesentlich von Ihnen, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ab. Ich wünsche uns also allen gemeinsam viel Erfolg, viele Anregungen und viel Vergnügen in den kommenden zwei Tagen.

Ralf Fücks ist Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung

Er publiziert in großen deutschen Tages- und Wochenzeitungen, in internationalen politischen Zeitschriften sowie im Internet zum Themenkreis Ökologie-Ökonomie, Politische Strategie, Europa und Internationale Politik.

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