Die Macht der Biomas(s)ters: Wer kontrolliert die Grüne Ökonomie?

18. Juni 2012
ETC Group und Heinrich-Böll-Stiftung
Etwa zur Jahrtausendwende nahm die Vision einer umweltfreundlichen Zukunft im Post-Fossilen-Zeitalter Gestalt an. Die neue Grundlage der industriellen Produktion sollten biologische Rohstoffe sein, die durch High-Tech Bioengineering umgewandelt wurden. Dabei geht es um die Gewinnung und Umwandlung lebender (oder vor kurzem lebender), als Biomasse bezeichneter, Materie – also Nahrungsmittel- und Faserpflanzen, Gräser, Abfallprodukte aus Wäldern, Pflanzenöle, Algen etc. – in Chemikalien, Kunststoffe, Medikamente und Energie. Diese im Entstehen begriffene biobasierte Wirtschaftsweise bekam schnell einen „grünen“ Anstrich verpasst; sie sollte das Problem von Peak Oil lösen, den Klimawandel aufhalten und eine Ära der nachhaltigen Entwicklung einläuten. In jüngerer Zeit, im Vorfeld des Erdgipfels (Rio+20) im Juni 2012, wird die Idee eines „großen grünen technologischen Wandels“, der eine „grüne Wirtschaftsweise“, eine „Green Economy“, ermöglicht, breit – jedoch nicht von allen – aufgenommen.

Manche Staaten, Konzerne, Risikokapital-Anlegerinnen und -Anleger sowie Nichtregierungsorganisationen fördern auch diejenigen Technologien – darunter Gentechnologie, synthetische Biologie und Nanotechnologie – die es möglich machen (oder möglich machen werden), aus Biomasse Handelsprodukte herzustellen. Das Bemühen um die Sicherung von Biomasse als Rohstoff schafft neue Konfigurationen der Macht der Konzerne.

Der Vorstoß in Richtung einer biobasierten Wirtschaftsweise geht mit einer Forderung nach ökonomischen Instrumenten für die Finanzialisierung der natürlichen Prozesse der Erde einher (etwa die Kohlenstoff-, Bodennährstoff- und Wasserkreisläufe), die als „Ökosystemdienstleistungen“ umfirmiert wurden, was den Land- und Wasserraub begünstigt. Unternehmen konzentrieren sich nicht mehr eng auf die Kontrolle genetischen Materials, das in Samen, Pflanzen, Tieren, Mikroben und Menschen zu finden ist; sie haben ihre Betätigungsfelder erweitert und beziehen das reproduktive Vermögen des gesamten Planeten mit ein.

Die Analyse diskutiert, ob die „Green Economy“, vorgeschlagen als das Hauptkonzept für Rio+20 und danach, nicht Gefahr läuft, in eine von multinationalen Konzernen gesteuerte „Gier Economy“ umzuschlagen.

 

Dossier

20 Jahre nach dem ersten Erdgipfel wird sich die Weltgemeinschaft vom 4. bis 6. Juni 2012 erneut in Rio de Janeiro treffen. Für die Stiftung ist Rio 2012 Anlass und Gebot, sich aktiv in die politischen Debatten und die Suche nach Lösungen für die drängendsten Probleme unserer Zeit einzumischen.