Leben im Internet. Realität und Virtuelle Verdopplung

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30. September 2008
Liebe im chatroom Kommunikation per Blogging - schöner, interessanter, ungebundener. Das virtuelle Leben im Internet ermöglicht, sich zu befreien von Mühen und Macken des materiellen Lebens und so zu leben, wie Mensch sich erträumt und erfindet. Stofflich gebundene Emotionalität und Begrenztheit scheinen aufgebbar zugunsten ihrer willentlich-synthetischen Neuerfindung.

Mit der Lust an der virtuellen Selbstverdopplung wird mittlerweile echtes Geld umgesetzt und verdient. Die Online-Welt "Second Life" der Firma LindenLab gilt als zukunftsweisende Geschäftsidee. Potente Wirtschaftsakteure wie IBM, dell, adidas und Amazon tummeln sich zwischen den mittlerweile 2,3 Millionen "Siedlern", Reuters betreibt ein virtuelles Büro, BILD eine eigene Zeitung. Der Kult um Second Life sei "definitively overhyped, aber der Nutzen ist gegeben" (Sperlhofer, E-commerce Competence Center EC3 Wien): Die Geschäftsidee von Second Life könnte das neue www werden.

Jenseits der Diagnose von Suchtpotenzial und jenseits einer "Angstindustrie": Wie greift diese Online-Zukunft in unsere Wirklichkeit, unser Bewusstsein, unser Zusammenleben ein? Wie verändert die voranschreitende Online-Virtualität unsere Gesellschaft und die öffentliche Kommunikation? Die Dynamik der virtuellen Verdopplung ist im Kern eine innovative Geschäftsidee mit Zeitfresser- und Suchtpotenzial. In ihrer gesellschaftlichen Wirkung erscheint sie zugleich wie eine bizarre Verlängerung der Sennett-Diagnose vom Verfall und Ende des öffentlichen Lebens (1999), der eine "Ideologie der Intimität" und einen einhergehenden Verlust von politisch konstituierter Öffentlichkeit diagnostizierte; die gesellschaftliche Dimension narzißtischer Energien führe dazu, dass das Handeln selbst jede Bedeutung verliert".