Die Fälle Libyen und Syrien haben das Prinzip der Schutzverantwortung (Responsibility to Protect) nach ganz oben auf die globale Agenda gesetzt. Es verpflichtet Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen, rasch und entschieden zu handeln, um Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorzubeugen oder entgegenzuwirken. Sollte ein Staat dieser Verpflichtung gegenüber der eigenen Bevölkerung nicht nachkommen, ist die internationale Gemeinschaft gefordert. Die Schutzverantwortung wirksam umzusetzen, ist die zentrale Herausforderung für eine menschenrechtsorientierte Sicherheitspolitik im 21. Jahrhundert.
Doch wer entscheidet über ein Eingreifen? Mit welchen Mitteln? Und nach welchen Regeln? Wie kann man wirksame Prävention organisieren? Was sind die Alternativen, wenn sich der Sicherheitsrat nicht auf ein gemeinsames Handeln einigen kann? All diese Fragen sind fast 20 Jahre nach dem Völkermord in Ruanda umstrittener denn je: Sowohl innerhalb des Westens als vor allem auch zwischen dem Westen und den aufstrebenden Mächten wie den BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), die in der globalen Politik immer stärker den Ton angeben.
Hat das Konzept der Schutzverantwortung eine Chance in einer Welt, in der der Westen immer weniger Einfluss hat? Was ist die Agenda der BRICS-Staaten mit Blick auf die Schutzverantwortung? Was unterscheidet die Demokratien und Nicht-Demokratien unter den BRICS-Staaten?
Diesen Fragen wird sich Prof. Michael Ignatieff in einem einführenden Vortrag widmen. Ignatieff ist einer der führenden Intellektuellen zu Fragen der Menschenrechte und der Intervention. 2001 war er Mitglied der International Commission on Intervention and State Sovereignty (ICISS) und damit maßgeblich an der Entwicklung des Konzepts der Schutzverantwortung beteiligt.
Für Ignatieff markiert der Fall Syrien aber einen Wendepunkt. Das Verhalten Russlands und Chinas sei die klare Botschaft an den Westen: „Bis hierhin und nicht weiter. Die Geschichte bewegt sich in eine andere Richtung, weg von der westlichen Werteordnung und dem Prinzip der Schutzverantwortung." Es stellt sich die Frage, ob sich die westliche Wertegemeinschaft realpoltisch dieser Verantwortung nicht bereits entzieht.
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Die unten gezeigten Videos entstanden am 15. Mai 2013 in der Heinrich-Böll-Stiftung bei einer Kooperationsveranstaltung mit dem GPPI (Global Public Policy Institute).
Dossier
Syrien zwei Jahre nach Beginn des Aufstands
Unser Dossier versammelt analytische Artikel und Interviews, die die Geschehnisse in Syrien aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. Es erlaubt durch Videos unserer Projektpartner im Libanon auch einen Einblick in die Perspektive syrischer Aktivisten, die ihrer Hoffnung auf eine bessere Zukunft künstlerisch Ausdruck verleihen. » zum Dossier