Die Heinrich-Böll-Stiftung ist in der Region Nahost und Nordafrika mit insgesamt fünf Büros in Tel Aviv, Ramallah, Beirut, Tunis und Rabat vertreten. Von dort aus fördert sie Partnerprojekte in Israel, Palästina, Jordanien, Libanon, Syrien, Irak, Tunesien und Marokko. Das Iran-Programm sowie die Ägypten- und ein Teil der Syrien-Arbeit der Stiftung werden von Berlin aus gesteuert.

Die Programmarbeit der Heinrich-Böll-Stiftung basiert auf langfristigen und nachhaltigen Kooperationen mit Partnerorganisationen in der Region. Wir unterstützen zivilgesellschaftliche Akteur/innen und Initiativen vor Ort, die sich in ihren jeweiligen Ländern für ein friedliches, demokratisches, geschlechtergerechtes und ökologisch nachhaltiges gesellschaftliches Zusammenleben einsetzen. Dabei verstehen wir uns als Prozessbegleiter und Impulsgeber unserer Partnerinnen und Partner. Begleitet wird die Programmarbeit in der Region von den Dialog- und Vernetzungsangeboten der Zentrale in Berlin, mit denen die Stiftung den Austausch zwischen Deutschland und den Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas fördert.
Umbrüche begleiten
Die politischen Proteste seit 2011 haben die Region nachhaltig verändert, auch wenn sich die Hoffnungen auf eine Demokratisierung größtenteils (noch) nicht erfüllt haben. Während Tunesien bislang einen erfolgversprechenden Transitionsprozess durchläuft, erlebt Ägypten eine Wiederkehr autokratischer Herrschaft. In Syrien führt das Regime mit externen Unterstützern einen langen, blutigen Krieg gegen die eigene Bevölkerung, der hunderttausende Todesopfer gefordert und über die Hälfte der Menschen in die Flucht gezwungen hat.
Gleichzeitig sind in der gesamten Region aber auch neue Formen des zivilgesellschaftlichen Engagements entstanden, die ein Momentum für progressive Ideen geschaffen haben. Auch im Libanon, in Algerien oder dem Irak haben zuletzt hunderttausende Menschen für Freiheit und soziale Gerechtigkeit protestiert. Gemeinsam mit ihren Partnerinnen und Partnern begleitet die Heinrich-Böll-Stiftung daher die politischen Entwicklungen in den Ländern der Region ebenso wie in der Diaspora und tritt für politische, soziale und ökologische Teilhabe ein.
Flucht und Migration
Besonders betroffen vom Krieg in Syrien ist der Libanon, der über eine Million syrischer Geflüchteter aufgenommen hat und dessen Wirtschaftskrise überdies auch von der Lage in Syrien befördert wird. Auch Jordanien hat sehr viele syrische Geflüchtete aufgenommen. Da die Nachbarländer mittlerweile aber die Grenzen geschlossen halten, sind in Syrien selbst Millionen von Binnenflüchtlingen unterwegs. Flucht und Vertreibung werden insbesondere vom Regime, aber – wie in den kurdischen Gebieten Syriens – auch von anderen Akteuren als Kriegsziel verfolgt, die die Zusammensetzung der Bevölkerung damit dauerhaft verändern wollen.
Auch in Nordafrika sind Flucht und Migration wichtige Themen, da Länder wie Libyen, Marokko oder auch Ägypten als Transitländer dienen. In den vergangenen Jahren unterstützt die europäische Politik die südlichen Mittelmeeranrainer vermehrt darin, Fluchtbewegungen in Richtung der EU zu verhindern. Wie im Falle Ägyptens werden dadurch aber auch autoritäre Entwicklungen bestärkt. In unserer Arbeit stellen wir daher den Schutz der Menschenrechte in den Mittelpunkt. So möchten wir dazu beitragen, Fluchtursachen zu bekämpfen und dabei das Grundrecht auf politisches Asyl zu bewahren.
Demokratischer Umgang mit Ressourcen
Ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit ist der demokratische Umgang mit natürlichen Ressourcen. Hier beleuchten wir auch, inwieweit regenerativen Energiequellen weiter erschlossen werden können. Insbesondere in Nordafrika greifen zivilgesellschaftliche Gruppen diese Themen immer stärker auf. Die Stiftungsbüros in Tunis, Rabat und auch Tel Aviv beteiligen sich an der Debatte und unterstützen Partnerinnen und Partner, die auf ein nachhaltiges und transparentes Ressourcenmanagement hinarbeiten.
Israel und Palästina
Im Regionalprogramm der Stiftung nehmen Israel und Palästina eine besondere Rolle ein. Im Jahr 1998 gründete die hbs ein Büro in Tel Aviv, 1999 ein weiteres in Ramallah.
Ein zentraler Schwerpunkt des Büros in Tel Aviv ist die Förderung des deutsch-israelischen Dialogs vor dem Hintergrund der historischen Verantwortung Deutschlands für die Shoa und der besonderen Beziehung der beiden Staaten. Die Heinrich-Böll-Stiftung steht uneingeschränkt zu einer kritischen und reflektierten Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte und der grundlegenden Verantwortung, die sich daraus ergibt. Das Existenzrecht Israels und seine Sicherheit sind für die Stiftung nicht verhandelbar. Seit ihrer Gründung tritt die Stiftung zudem in Deutschland und weltweit Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierungen jeglicher Art entschieden entgegen.
Ein bedeutendes Element der Stiftungsarbeit in Israel ist die Stärkung und Begleitung der Zivilgesellschaft und die Unterstützung der Akteure, die sich innerhalb der israelischen Demokratie und Gesellschaft aktiv für ökologische Nachhaltigkeit, Demokratie, Frauenrechte, Minderheitenschutz und den Friedensprozess einsetzen und deren Arbeit zum Teil durch die Auflagen der 2016 in Kraft getretenen NGO-Gesetzgebung eingeschränkt wird. Im Bereich des deutsch-israelischen Dialogs werden Räume für Austausch und Begegnung zwischen jungen Berufstätigen aus Israel und Deutschland geschaffen und Kooperationen im wissenschaftlichen und kulturellen Bereich ermöglicht.
In Ramallah liegt ein spezieller Fokus der Arbeit des Büros auf der Stärkung von Menschenrechten. Empowerment von Frauen und vulnerablen Gruppen sind ebenso wichtige Anliegen der Arbeit. Das Büro unterstützt zudem zivilgesellschaftliche Akteure, die sich gegen die Beschränkung demokratischer Freiräume und für eine friedliche Konfliktlösung einsetzen.
Auch wenn die Fronten im Nahostkonflikt verhärtet sind und die Perspektiven für eine Verhandlungslösung in Israel und in Palästina ungewiss bleiben: Neue Ansätze werden dringend gebraucht. Deshalb ist der Nahost-Konflikt eines der zentralen Themenfelder für die Arbeit der Büros in Tel Aviv und Ramallah, aber auch in Deutschland. Dabei bildet das Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung den politischen Bezugsrahmen – das heißt, eine Verhandlungslösung, an deren Ende eine friedliche Koexistenz zwischen dem Staat Israel und einem zu gründenden, souveränen und demokratischen palästinensischen Staat steht.
Grundlage hierfür sind für die Stiftung die Grenzen von 1967 und Jerusalem als Hauptstadt beider Staaten. Auch die Partnerinnen und -Partner der Stiftung in Israel und Palästina stehen zu dieser Konfliktlösung. Trotz der gewaltigen Diskrepanz zur Realität vor Ort ist die Zwei-Staaten-Lösung Maßstab für unsere Auseinandersetzung mit der israelischen sowie mit der palästinensischen Politik. Völkerrecht und Menschenrechte müssen für beide Konfliktparteien gleichermaßen gelten.
Viele Organisationen und Akteure in Israel und Palästina, aber auch in Europa, sind jedoch seit geraumer Zeit zunehmendem politischem Druck aus verschiedenen Richtungen ausgesetzt: Gesprächsräume mit israelischen Organisationen und Akteuren werden von palästinensischen Gruppierungen immer stärker eingeschränkt, bis hin zur Verhinderung von Treffen zwischen Mitgliedern der israelischen und der palästinensischen Zivilgesellschaft. Eine organisierte Isolierung von Menschen in professionellen oder sozialen Zusammenhängen ist in keinem Fall hinnehmbar, insbesondere, wenn sie gemeinsam mit Vertreter/innen der jeweils „anderen Seite“ nach friedlichen Lösungen des Konflikts suchen.
In den besetzten Gebieten Palästinas werden durch die israelischen Behörden und auch durch die Palästinensische Autonomiebehörde das Versammlungsrecht, die Organisationsfreiheit, die freie Meinungsäußerung und die Bewegungsfreiheit von Palästinenser/innen stark eingeschränkt, was die Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen deutlich erschwert. Vor allem Menschenrechtsorganisationen leiden unter einer zunehmenden Kriminalisierung ihrer Arbeit.
Eine dritte Gruppe, die zunehmend unter Druck steht, sind israelische NGOs, die sich für ein Ende der Besatzung des Westjordanlandes, der Blockade des Gazastreifens oder der israelischen Siedlungspolitik engagieren. Diese werden in gezielten Kampagnen sowie durch Gesetzesvorhaben angegriffen. Gegen diese Verkleinerung von gesellschaftlichen Handlungsspielräumen in Israel setzen sich das Büro der Stiftung in Tel Aviv und zahlreiche Partnerorganisationen der Stiftung in Israel ein.
Die Heinrich-Böll-Stiftung wird sich weiterhin in ihren Büros vor Ort und in Berlin dafür engagieren, dass Räume offengehalten und geschaffen werden, in denen sich Vertreterinnen und Vertreter beider Gesellschaften begegnen und an Konfliktlösungen und gemeinsamen Projekten arbeiten können, ohne sich von äußerem Druck und instrumentalisierenden Kampagnen beeinflussen zu lassen.
Ägypten
Obwohl Ex-Präsident Mubarak im Zuge der Revolution von 2011 abgesetzt wurde, herrscht in Ägypten weiterhin das Militär. Unter dem Vorwand, Stabilität und Sicherheit zu garantieren, regiert das Militär mit eiserner Hand, jegliche Opposition wird unterdrückt, grundlegende Freiheiten eingeschränkt und Menschenrechte verletzt. Da die Situation vor Ort für uns und unsere Partner/innen zu unsicher ist, ist die hbs nicht in Ägypten aktiv. Stattdessen unterstützen wir von Berlin aus die immer größer werdende ägyptische Diaspora, die sich für Menschenrechte und Geschlechterdemokratie einsetzt. Ein ebenso wichtiger Fokus ist die deutsche und europäische Außenpolitik, die durch sicherheits- und wirtschaftspolitische Abkommen mit Ägypten das Militärregime stärkt und dadurch Menschenrechtsverletzungen in den Hintergrund rückt.
Iran
Seit gut zwanzig Jahren beschäftigt sich die Heinrich-Böll-Stiftung mit ihrem Iran-Programm in verschiedenen Formaten mit Politik und Gesellschaft des Iran – Schwerpunkte sind, neben dem Atomprogramm, Umweltgerechtigkeit und Geschlechterdemokratie. Unser Programm hat in der aufgeladenen Debatte den Anspruch, kontinuierlich differenzierte und fundierte inhaltliche Angebote bereit zu stellen und progressive Stimmen aus Iran einzubinden und zu vernetzen.
Syrien
Über 5,6 Millionen Syrer/innen sind ins Ausland geflohen. Während die meisten in Syriens Nachbarländern geblieben sind, hat sich auch in Europa eine wichtige Diaspora entwickelt. Die Stiftung unterstützt die Arbeit in und zu Syrien auf vielfältige Weise. Neben dem im Büro Beirut angesiedelten Programm fördert die Stiftung Bemühungen um Gerechtigkeit, politische Teilhabe und einen informierten Dialog in deutschen Medien und unter Entscheidungsträgern. Der Dialog zwischen Stimmen aus Syrien und der Diaspora ist über die Jahre ebenfalls immer wichtiger geworden.
Büro Tel Aviv – Israel
Büro Ramallah – Palästina und Jordanien
Büro Beirut – Libanon, Syrien, Irak
Büro Rabat – Marokko