Nitrat, Phosphor und Kalium als Düngemittel: Chemie für den Boden

Infografik aus dem Konzernatlas 2017: Kali und Phosphat im internationalen Handel
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Kali- und Phosphatvorkommen sowie das Erdgas für die Stickstoffdünger-Herstellung sind ungleichmäßig verteilt. Dies bestimmt den internationalen Handel

Die Nährstoffe Stickstoff, Phosphor und Kalium steigern die Produktivität der Landwirtschaft, aber nicht die Qualität der Böden. Die Hersteller setzen auf Wachstum – dem Energieverbrauch und der Umweltverschmutzung zum Trotz. Ein Kapitel aus dem Konzernatlas.

Für Bäuerinnen und Bauern ist die Fruchtbarkeit des Bodens von zentraler Bedeutung. Mit der Ernte abgefahrene Nährstoffe müssen sie durch Dünger ersetzen. Das gilt insbesondere für die drei wichtigsten: Stickstoff, Phosphor und Kalium. Sie werden über Mist, Gülle und Hühnerkot aus der Tierhaltung wieder auf die Äcker ausgebracht, sind aber auch in Mineraldüngern enthalten. Synthetischer Stickstoff hingegen wird durch ein chemisches Verfahren erzeugt. Phosphor und Kalk werden aus Gesteinen gewonnen.

Die Erfindung des mineralischen Düngers ermöglichte die Industrialisierung der Landwirtschaft, erst in Europa und Nordamerika, dann im globalen Süden. Die „grüne Revolution“ hatte zum Ziel, das westliche Agrarmodell in andere Regionen zu exportieren. Maßgeblich vorangebracht von der profitierenden Düngemittelindustrie, entstand ein weltweites Milliardengeschäft. Die Branche verweist auf die gesteigerten Erträge und schweigt über die Folgen für Boden, Klima und Umwelt.

Weltweit wird auf Wachstum durch Düngemittel und Pesitizide gesetzt

Wie Konzerne eine positive Idee aus der internationalen Diskussion für ihre Zwecke nutzen, zeigt die „Klima-smarte Landwirtschaft“. 2010 brachte die FAO, die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, dieses Konzept auf. Damit wollte sie Landwirtschaft, Ernährungssicherung und Klimaschutz zusammenbringen. Sorgfältig ausgewählte Methoden sollten die Produktivität kleinbäuerlicher Betriebe steigern und zugleich die Humusbildung der Böden verbessern. Ziel war, die Landwirtschaft an den Klimawandel anzupassen und die Böden – vor allem des globalen Südens – als Kohlenstoffsenke aufzuwerten.

Doch der Richtungswechsel folgte schnell. 2014 gründeten FAO, Weltbank und einige Regierungen mit Lobbygruppen und Düngemittelkonzernen eine „Global Alliance for Climate-Smart Agriculture“ (GACSA). Sie setzt nun ganz klassisch auf Technologie, Düngemittel, Pestizide und Industriesaatgut, um vor allem die Produktivität zu steigern. Hinzu kommt, dass die Allianz fordert, die CO2-Speicherung der Böden in den globalen Emissionshandel aufzunehmen.

2017 soll auch bei den Düngerproduzenten eine Großfusion stattfinden: Agrium und Potash gehen zusammen

Doch dieses Speichervolumen wäre nicht nur schwer messbar. Weil den Bauern und Bäuerinnen dafür Geld gezahlt werden soll, sind zudem falsche Anreize bei Aussaat und Pflanzung, ungeeignete Anbaumethoden sowie Bodenspekulation zu befürchten. Auf der Strecke würde bleiben, was am wichtigsten ist: Ernährungssicherung, Bodenfruchtbarkeit und biologische Vielfalt.

Verbrauch von Dünger hat sich versechsfacht

Mineraldünger werden weltweit gehandelt. Ihre Produktion ist energieintensiv. Daher orientieren sich die Kosten am Gas- und Ölpreis. Viele Produktionsstätten liegen dort, wo günstige fossile Energien vorhanden sind. Dazu gehören für den synthetischen Stickstoffdünger Nordamerika, Indien, China, Russland, der Mittlere Osten, Australien und Indonesien. Ansonsten siedeln sich Düngerfabriken oft an den Lagerstätten an. 80 Prozent der Kalisalze kommen aus Kanada, Israel, Russland, Weißrussland oder Deutschland. Im Tagebau werden Rohphosphate gewonnen; mehr als 75 Prozent der weltweiten Reserven befinden sich in Marokko und der marokkanisch besetzten Westsahara.

Bereits heute wird sehr viel Dünger verbraucht. Seit 1961 hat sich der weltweite Einsatz von Mineraldünger versechsfacht. Im Jahr 2013 wurden weltweit mineralische Düngemittel, die Schlüsselstoffe der industrialisierten Landwirtschaft, im Wert von 175 Milliarden US-Dollar verkauft. Die Hersteller dominieren bestimmte geografische Märkte oder Düngersparten, vor allem bei Phosphat und Kali, und können daher als Monopolisten auftreten. Die größten Player sind Agrium aus Kanada, Yara aus Norwegen und die Mosaic Company aus den USA. Zusammen beherrschen sie 21 Prozent des globalen Düngemittelmarktes. Sie betreiben eigene Minen und Fabriken.

Das langjährige Wachstum scheint seit Kurzem gebremst zu sein. Die Produktion steigt, aber die Nachfrage ist gesunken. Die vier großen multinationalen Agrarhandelskonzerne Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus Company haben ihre Investitionen reduziert. Die Großen kaufen sich bei Konkurrenten ein. Die PotashCorp (Nr. 4) hält Anteile an Sinofert (Nr. 6) und ICL (Nr. 7). Yara als weltweite Nummer zwei erwarb Beteiligungen in Brasilien und den USA und will seine Geschäfte in Afrika durch Förderung der großflächigen, industriellen Landwirtschaft ausbauen.

In allen wichtigen Herstellerländern, außer in China, kontrollieren die vier größten Firmen mehr als die Hälfte der Produktion. In Nordamerika bestimmen drei der größten Düngerkonzerne das Kaligeschäft: Agrium (weltweit die Nr. 1), Mosaic und die PotashCorp. Sie arbeiten in einem Kartell zusammen und vertreiben ihre Produkte über die gemeinsame Gesellschaft Canpotex. In manchen Ländern gibt es überhaupt nur ein einziges Düngemittelunternehmen, zum Beispiel in Ungarn oder Norwegen.

Überdüngung, um die Pflanzenproduktion immer weiter zu steigern, lässt in vielen Teilen der Welt die Böden versauern und verschmutzt Grundwasser, Seen und Flüsse

In Deutschland steigt der Stickstoffeinsatz - und die Nitratbelastung

In Deutschland ist seit 1961 der Stickstoffeinsatz um das Zweieinhalbfache gestiegen, der von Kalk um die Hälfte. Deutschland ist von Importen abhängig: 66 Prozent der Stickstoffdünger und 94 Prozent der Phosphatdünger kommen aus dem Ausland. Keinen Mangel gibt es an Kalium. Die K+S AG aus Kassel gehört zu den weltgrößten Herstellern. Die Hälfte ihres Umsatzes von 3,8 Milliarden erwirtschaftet die frühere „Kali und Salz“ mit Düngemitteln.

Das kommt die Umwelt teuer. Das Unternehmen leitet Salzlauge direkt in die Werra ein oder verpresst sie in den Untergrund. Riesige Berge aus unverkäuflichen Salzen werden aufgetürmt, das Grundwasser ist belastet, und salzhaltige Abwasser aus den Halden setzen Schwermetalle frei. Aus Kostengründen weigert sich K+S, Rückstände der Kaliproduktion wieder zurück ins Bergwerk zu transportieren. Landespolitiker und -politikerinnen feiern es schon als Erfolg, dass K+S die Einleitungen wenigstens halbieren will. Zeitpunkt: Ende 2027.

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