Lebensmittelhersteller: Marken, Märkte, Manipulationen

Auf 50 Firmengruppen entfallen 50 Prozent des weltweiten Umsatzes mit der Herstellung von Lebensmitteln. Ihr Anteil steigt, und die Großen wachsen am stärksten. ➢ Ein Kapitel aus dem Konzernatlas. Jetzt kostenfrei downloaden oder bestellen!

Infografik aus dem Konzernatlas 2017: Die vier größten nationalen oder internationalen Lebensmittelhersteller
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Große nationale oder internationale Lebensmittelhersteller dominieren in vielen Regionen und Produktgruppen. Quelle: http://bit.ly/2hsFaHq

Der Wettbewerb in der Ernährungsindustrie des 21. Jahrhunderts wird unter immer wenigeren, dafür immer größeren globalen Playern ausgetragen. Selbst große Hersteller von Lebensmitteln sind durch die zunehmend machtvollen, ebenfalls international agierenden Supermarktketten unter Druck geraten. Aufgrund der Konkurrenzsituation und der weitgehend gesättigten Märkte in den USA und Europa setzen die Lebensmittelkonzerne auf die Expansion in Schwellen- und Entwicklungsländern.

Seit etwa 2010, als die Weltfinanzkrise an den Börsen ausklang, ist eine neue Fusionswelle zu beobachten. Allein 2015 gab es zwei Zusammenschlüsse mit einem Transaktionsvolumen von über 100 Milliarden US-Dollar: Zuerst übernahm der Brauereikonzern Anheuser-Busch den Rivalen SABMiller, dann der Ketchuphersteller Heinz seinen Lebensmittelkonkurrenten Kraft. Mit der neuen Kraft Heinz Company ist der sechstgrößte Lebensmittelkonzern der Welt entstanden. Umfangreiche Kostensenkungen – unter anderem durch den Abbau von Arbeitsplätzen – sollen den Deal finanzieren sowie Marktanteile und Gewinnspannen erhöhen. Hinter beiden Fusionen standen Finanzinvestoren. An beiden war 3G Capital beteiligt, die für ihre harten Sparmaßnahmen bekannte Investmentgesellschaft des Brasilianers Jorge Lemann. Für den Kraft-Heinz-Deal hat sich Lemann mit dem US-Investor Warren Buffett und seiner Gesellschaft Berkshire Hathaway zusammengetan.

 

Die Branche wächst, aber selbst die Größten expandieren nicht immer in allen Regionen. Die Namen mancher Global Player sind in Deutschland fast unbekannt. Quelle: http://www.foodprocessing.com/top100/top-100-2016/

In den vergangenen Jahren fragen Konsumierende verstärkt natürliche Produkte nach. Damit treiben sie die Ernährungsindustrie dazu an, künstliche Zutaten zu ersetzen. Konzerne wie General Mills, Archer Daniels Midland (ADM), Coca-Cola und Unilever haben deshalb Unternehmen aufgekauft, die natürliche Inhaltsstoffe und Aromen produzieren.

Übernahmen im Kaffeemarkt veranschaulichen, dass neben der Generalisierung (mit möglichst breiter Produktpalette) auch die Spezialisierung (in einem einzelnen Marktsegment) ein wichtiger Treiber der Marktkonzentration ist. Die JAB Holding, eine Investitionsgesellschaft der deutschen Milliardärs-Familie Reimann, kontrolliert heute unter anderem die Kaffeemarken Jacobs Douwe Egberts, Caribou und Keurig Green Mountain. Dazu gehören auch Kaffeekapseln und -maschinen. Die Übernahmen von JAB setzen den Marktführer Nestlé unter Druck. Der Marktanteil von Nestlé am globalen Markt für verpackten Kaffee liegt bei knapp 23 Prozent, JAB hat mittlerweile mit etwa 20 Prozent beinahe aufgeschlossen.

Bei Tee kontrollieren drei Konzerne – Unilever (Marke: „Lipton“), der indische Konzern Tata („Tetley“) und Associated British Foods („Twinings“) – rund 80 Prozent des globalen Teehandels. Der Markt für abgepackten Tee ist global noch nicht so konzentriert wie bei Kaffee. In Deutschland kontrollieren ihn zwei Familienunternehmen: Teekanne mit einem Anteil von 35 und die Ostfriesische Tee Gesellschaft mit 25 Prozent.

Neue Märkte: China, Russland, Afrika

Im Jahr 2010 verkündeten Unilever, Nestlé, Danone und PepsiCo, dass sie stärker in neue Märkte expandieren wollen – insbesondere nach China und Russland, aber auch nach Afrika. Auffällig aktiv sind dort europäische Molkereien. Auslöser der jüngsten Übernahmen und Fusionen war der globale Preisverfall bei Milch, der 2014 begann, sich bis 2016 fort- und kleinere Produzenten unter Druck setzte. Die französische Molkerei Lactalis vollzog allein im Jahr 2015 neun Übernahmen und vier weitere bis Mitte 2016. Danone erwarb eine Mehrbeteiligung an der westafrikanischen Fan Milk. Die schwedisch-dänische Molkerei Arla Foods ist mehrere Joint Ventures eingegangen und will bis 2020 ihre Umsätze in Westafrika verfünffachen.

 

Von illegalen Preisabsprachen bis zur marktbeherrschenden Stellung: Die Nahrungsmittelindustrie löst eine Fülle von Ermittlungen aus. Quelle: http://ec.europa.eu/competition/ecn/food_report_en.pdf

Wegen der vielen regionalen Hersteller ist der Weltmarkt für verarbeitete Lebensmittel noch nicht so stark konzentriert wie der Handel mit Agrarrohstoffen, Saatgut oder Pestiziden. Die 50 größten Lebensmittelkonzerne erwirtschaften 50 Prozent des weltweiten Umsatzes in der Branche; dabei verzeichnen die größten Konzerne die meisten Zuwächse. Diese Entwicklung wird sich so fortsetzen. Mit der Globalisierung der Ernährungssysteme und der Expansion der Multis mit ihrer Vielzahl von Produkten verändern sich die Essgewohnheiten, nicht nur im Norden, sondern auch in Schwellen- und Entwicklungsländern. Die wenig verarbeiteten Lebensmittel werden durch hochgradig verarbeitete ersetzt, auch durch Fertiggerichte wie Pizzen, Suppen und Menüs.

"Gesunde" Lebensmittel als lukratives Geschäft

Übergewicht, Diabetes und chronische Krankheiten gehören zu den Folgen dieser Entwicklung. Zunehmend werden Fertiggerichte mit Proteinen, Vitaminen, Probiotika und Omega-3-Fettsäuren angereichert. Die Lebensmittelkonzerne propagieren „gesunde“ Lebensmittel für ernährungsbedingte Probleme und Krankheiten, die sie selbst mitverursacht haben. So ist der gesundheitsbewusste Konsum für sie zum lukrativen Geschäftsfeld geworden.

Unter dem Preisdruck der Einzelhandelsketten setzen sie auf die Eroberung neuer Wachstumsmärkte. Die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren innerhalb der Lieferkette gewinnt an strategischer Bedeutung. Die Lebensmittelkonzerne vernetzen sich mit den Rohstoffhändlern im vorgelagerten Bereich – also in Richtung der Erzeugerinnen und Erzeuger – und mit den großen Einzelhändlern im nachgelagerten – also in Richtung Verbraucherinnen und Verbraucher. So weitet sich der Wettbewerb „Konzern gegen Konzern“ zu einem Kampf „Lieferkette gegen Lieferkette“ aus.  

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