TTIP stoppen? Das wäre zu einfach!

Handschlag EU und USA
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Befürworter des TTIP-Abkommens vermissen eine konstruktive Auseinandersetzung: Sie sind überzeugt, dass der größte freie gemeinsame Markt der Welt ein Wegbreiter für grüne Ideen und Technologien werden könnte

Die Verhandlungen zur Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen den USA und der EU sind in vollem Gange. Wenn das Abkommen erfolgreich abgeschlossen werden sollte, entsteht der größte freie gemeinsame Markt der Welt. Die wirtschaftliche und politische Bedeutung von TTIP ist daher immens und muss erst recht mit größter Vorsicht auf ihre Vor- und Nachteile überprüft werden.

Eine kritische Diskussion über die Auswirkungen des geplanten Abkommens soll die strategische Kulisse der Pläne nicht überdecken. Das Abkommen steht vor dem Hintergrund von drei zentralen Entwicklungen: Zum einen zeigt sich die relative wirtschaftliche Schwäche der EU und der USA im Vergleich zu den weiterhin schnell wachsenden Volkswirtschaften der Schwellenländer. Zum anderen schwächelt die Doha-Runde weiterhin – trotz gewisser Bewegung in den letzten Monaten und damit auch die Aussicht, auf diesem Wege in absehbarer Zeit zu effektiven globalen Vereinbarungen für den Welthandel zu kommen. Schließlich ist TTIP auch der Versuch, das transatlantische Bündnis mit neuem Leben zu füllen angesichts der sinkenden Bedeutung der NATO und des schleichenden Verlusts der USA sowie der EU an politischem Gewicht in der Welt.

Gemeinsame Standards entwickeln

Der Schlüsselaspekt von TTIP ist dabei nicht der transatlantische Abbau von Zöllen, die in den meisten Bereichen heute bereits sehr niedrig sind, sondern der Abbau von sogenannten nicht-tarifären Handelshemmnissen. Und das ist die Hoffnung der Verfechter: Es geht im Kern um gemeinsame Standards oder die gegenseitige Anerkennung von Standards und Regeln für Investitionen und den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital.

Zurecht verursacht diese Sehnsucht nach Harmonisierung vor allem innerhalb der EU große Ängste und Vorbehalte bei zahlreichen Akteuren. Befürchtet wird ein Absenken europäischer Umwelt-, Verbraucherschutz- und Sozialstandards. Als Beispiele werden angeführt die mittlerweile sprichwörtlich gewordenen, chlorierten Hühnchen aus den USA, gentechnisch veränderte Lebensmittel sowie "Hormonfleisch", mit denen der europäische Markt überschwemmt werden könnte. Die größten Defizite an Transparenz und demokratischer Beteiligung in der Verhandlungsphase tun ihr übriges.

Und so entsteht bereits jetzt ein klares Feindbild "TTIP": So wie vor einigen Jahren gegen die "Globalisierung" zu Felde gezogen wurde, wird nun gegen "TTIP" Stellung bezogen.

Globalisierung aktiv mitgestalten

Die zentrale Frage jedoch bleibt und sie stellt sich nicht nur im Rahmen der TTIP: Wollen wir die Globalisierung aktiv mitgestalten oder uns in nationale oder regionale Räume zurückziehen. Isolationismus ist in Europa nicht nur wirtschaftlich eine Illusion, sondern auch ein politisch gefährliches Unterfangen. Versuchen wir innerhalb der EU bereits Erreichtes solange wie möglich zu bewahren oder haben wir den Anspruch, Europa und die Welt im 21. Jahrhundert sozialer, erfolgreicher und grüner zu machen? Wer weiterhin daran glaubt, Europa und die Welt zum Besseren gestalten zu können, der kann sich aus einem derart zentralen Projekt wie TTIP nicht völlig zurückziehen.

Der größte Markt der Welt sollte vor allem eins sein: grün

Allen Problemen zum Trotz kann TTIP in zwei Richtungen erzählt und wahrgenommen werden: Als Vehikel des Raubbaus an jeglichen Standards, als das berühmte Race-to-the-Bottom, oder als Möglichkeit, den größten Markt der Welt grüner zu gestalten und damit global auszustrahlen. Es mag sein, dass am Ende der Verhandlungen ein Paket vorliegt, das aus grüner Sicht inakzeptabel ist. Wenn grüne Forderungen aber bereits jetzt darauf beschränkt werden, TTIP endgültig zu stoppen, nehmen wir uns nicht selbst aus dem Spiel, dem vielleicht wichtigsten Spiel dieses Jahrhunderts?

Europäer kennen diese Diskussionen aus den frühen 90er Jahren, als es um den Vertrag von Maastricht ging, mit dem der gemeinsame europäische Markt geschaffen wurde. Auch damals standen Gegner des vermeintlich neo-liberalen Projekts den Befürwortern einer weiteren Integration gegenüber. Neben den inhaltlichen Differenzen unterschied sich das damalige Verfahren allerdings erheblich von den aktuell laufenden TTIP-Verhandlungen. Damals wurden die frei gewählten Abgeordneten der nationalen Parlamente in den Prozess einbezogen. Das Ergebnis war ein demokratischer Konsens bzw. ein in zähem Ringen erzielter Kompromiss.

Deshalb sollten wir grüne Ideen proaktiv in die Verhandlungen einbringen und für mehr Transparenz und zivilgesellschaftliche wie parlamentarische Mitsprache kämpfen. TTIP könnte zum dringend notwendigen Abbau der Subventionen für fossile Brennstoffe genutzt werden. TTIP könnte höhere Effizienzstandards beinhalten – beispielsweise bei den Emissionen von PKWs, die die Bundesregierung innerhalb der EU bislang erfolgreich verhindert hat. TTIP könnte transatlantische Investitionen erleichtern im Bereich neuer Technologien. TTIP könnte letztlich auch offen bleiben für andere Länder wie die Türkei und damit das Herzstück einer möglichen globalen Handelsordnung bilden.

Wenn wir aber TTIP von vorneherein kategorisch ablehnen, übertragen wir es anderen, TTIP zu gestalten. Und wenn TTIP scheitert und es keinen transatlantischen Markt geben sollte, überlassen wir es anderen Akteuren in der Welt, globale Standards und Regeln aufzustellen. Auch dies kann kaum im europäischen Interesse sein.