Die Unterkunft und Versorgung in (Hafen-)Städten für Durchreisende und Alleinstehende

Alte Schiffscontainer als Wohnungen für chinesische Bauarbeiter: Damals wie heute spiegeln Unterkünfte von Arbeitern gesellschaftliche Probleme.
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Das Ledigenheim in Hamburg im internationalen Vergleich

13. März 2013
Robert Lee

Sowohl die Sozialgeschichte (etwa Werner Conze in seinem klassischen Aufsatz ‘Vom Pöbel zum Proletariat’) als auch die demographische Theoriebildung (etwa durch Gerhard Mackenroth) gehen von der Annahme aus, dass Wirtschaft und Bevölkerung in der Vormoderne so aufeinander abgestimmt gewesen waren, dass es Familien ohne sichere Existenzgrundlage nicht geben konnte und dass einzelne Menschen durch die Familie versorgt wurden.

Erst durch die Auflösung der alten Ordnung, sagen wir ab der Mitte des 19. Jahrhunderts, hat eine Überschwemmung der Gesellschaft durch proletarische Massen gedroht, zu einem Zeitpunkt als der Industrialisierungsprozess, die traditionelle Rolle der Familie zunehmend unterminierte. Gleichzeitig haben die ansteigenden Wanderungsbewegungen andere schwerwiegende Probleme in der Welt entstehen lassen.

Wie sollten der Staat oder die städtischen Behörden das Einströmen von einzelnen arbeitssuchenden Menschen kontrollieren? Unter welchen Bedingungen war es möglich, eine passende Unterkunft für alleinstehende Menschen zu finden? Und wie konnte die Gesellschaft im allgemeinen die Aktivitäten von Durchreisenden einigermaßen gestalten, um die gegebenen klassen-spezifischen Strukturen aufrecht zu erhalten?

Dieser Vortrag von Robert Lee wird versuchen, einen Teil der zeitgenössischen Reaktion auf diese Probleme zu diskutieren: nämlich die Gründung von Wohnheimen für Arbeiter und durchreisende Männer, die von dem etablierten Häusermarkt ausgeschlossen waren. Wir feiern in diesem Jahr den 100. Jahrestag der Eröffnung des Hamburger Ledigenheims im Jahre 1912 und in diesem Zusammenhang scheint es angebracht zu sein, die Rolle dieser Einrichtung bei der Versorgung von Durchreisenden und Alleinstehenden im internationalen Vergleich zu analysieren; also nicht nur in Bezug auf die Vergangenheit, sondern auch als ein Beispiel für die zukünftige Betreuung von Obdachlosen und notleidenden Arbeitern.

Zuerst müssen wir leider zugeben, dass diese traditionelle Interpretation der vormodernen Vergangenheit nicht gerade stichhaltig ist. Auch die vormoderne Welt war weniger stabil und gleichzeitig beweglicher als manche Historiker behauptet haben. Die Rolle der Familie als Grundstein der Gesellschaft war etwas weniger ausgeprägt. Die ländlichen Familienverhältnisse, auch hier in den deutschen Ländern, waren durch eine konkrete Formenvielfalt gekennzeichnet und verhältnismäßig viele Leute, wie zum Beispiel unverheiratete Erwachsene und ältere Einwohner, waren nicht notwendigerweise Mitglieder einer sogenannten Kernfamilie. Auch die räumliche Wanderung, sowohl alters- als auch saisonbedingt war erheblich größer als angenommen und lief zum größten Teil geregelt ab, wobei die Zunfthäuser in manchen Fällen feste Übernachtungsmöglichkeiten für durchreisende bzw. arbeitsuchende Gesellen angeboten haben.

Der kompletten Vortrag von Robert Lee mit zahlreichen Fotos und Quellenangaben können sie als pdf-Datei (2,3 MB, 36 Seiten) herunterladen.