Kommunale Handlungsstrategien gegen Rechtsextremismus

Welche Handlungsstrategien sich in Kommunen gegen Rechtsextremismus als wirksam erwiesen haben, lässt sich nach einem Jahrzehnt Projektförderzeit gut herausstellen. Die wichtigsten Bausteine erfolgreicher Initiativen hat Kati Becker zusammengestellt.

Wenn sich rechtsextreme Parolen und Aufkleber im Straßenbild häufen, Treffpunkte, Kneipen und Geschäfte von Neonazis entstehen und wenn es zu Angriffen auf Alternative oder Migrant/innen kommt, wird Rechtsextremismus in Kommnen zum Problem. Während sich bis zur Jahrtausendwende nur Wissenschaft und ehrenamtliche Initiativen dem Problem widmeten, setzte mit der rot-grünen Bundesregierung eine intensivere Wahrnehmung des Rechtsextremismus ein. Es folgte die Förderung demokratischer zivilgesellschaftlicher Projekte, die bis heute unter wechselnden Bedingungen fortgeführt wird.

Nach mehr als einem Jahrzehnt Projektförderzeit haben sich bestimmte Handlungsstrategien als besonders hilfreich im Zurückdrängen des Rechtsextremismus erwiesen. Das Spektrum reicht von Prävention, über Dokumentation und Beratung bis hin zur Beteiligung in Initiativen. Die wichtigsten Bausteine erfolgreicher Handlungsstrategien werden im Folgenden vorgestellt.

Mobile Beratungsteams gegen Rechtsextremismus beraten demokratische Initiativen, Einrichtungen und Institutionen, Parteien und Einzelpersonen, die mit Rechtsextremismus konfrontiert sind. Sie klären über Handlungsoptionen auf, führen Schulungen zu verschiedenen Themen durch und vermitteln zwischen lokalen Akteuren und Politik. Das heißt, sie versuchen gemeinsam mit den Anfragenden eine Lösung zu erarbeiten und umzusetzen. Eine Übersicht der Mobilen Beratungsteams ist auf der Internetseite der Mobilen Beratung in Sachsen zu sehen. Die Opferberatungsstellen für Opfer rechter Gewalt sind das zweite wesentliche Standbein der seit dem Jahr 2000 entstandenen Beratungsprojekte.

Im Gegensatz zur juristischen Ebene, in der der Fokus auf Täter/innen gelegt ist, rücken die Opferberatungsstellen Betroffene in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Neben psychischer Unterstützung, juristischer Beratung oder Prozessbegleitung veröffentlichen die Opferberatungsstellen Gewaltdelikte und thematisieren aktuelle Tendenzen, die sich aus der Arbeit ergeben.

Eine kontinuierliche Analyse der Situation in einer Kommune können Register zur Erfassung von rassistischen, antisemitischen, homophoben, rechtsextremen und diskriminierenden Vorfällen liefern. Im Gegensatz zu polizeilichen Statistiken nehmen Register auch Vorfälle auf, die nicht strafrechtlich relevant sind, wie Aufkleber, Sprühereien, Pöbeleien oder legale Veranstaltungen der rechten Szene. Die Vorfälle werden von Zivilgesellschaft und Verwaltung an das Register weitergeleitet und daraus können dann inhaltliche, räumliche oder Tat-Schwerpunkte des Rechtsextremismus abgebildet werden. Registerstellen gibt es in mehreren Berliner Bezirken und anderen Kommunen. Mehr Informationen zur Arbeit eines Registers sind auf der Internetseite des Registers Treptow-Köpenick zu finden: www.register-tk.de.

Um präventiv oder als Reaktion auf Aktivitäten der rechten Szene tätig zu werden, sind Fortbildungen oder Informationsveranstaltungen unerlässlich. Ob im Lehrerkollegium, in der Verwaltung oder für zivilgesellschaftliche Initiativen, es gibt zu vielen Themen Vorträge oder Workshops, die von unterschiedlichen Einrichtungen oder Institutionen angeboten werden. Schulungen zu rechter Symbolik, rechtsextremer Ideologie oder Argumentationstrainings gegen rassistische Stammtischparolen bilden häufig den Anfang der inhaltlichen Auseinandersetzung.

Mit zunehmendem Interesse und entsprechend der kommunalen Problemlage, werden auch Themen wie Braune Ökologie, Verhalten auf Demonstrationen oder Fundraising für lokale Initiativen nachgefragt. Veranstalter für Projekttage an Schulen sind das Netzwerk für Demokratie und Courage, der DGB oder Schule ohne Rassismus. Unterstützung bei der Vermittlung von Referent/innen im Themenfeld Rechtsextremismus bundesweit leisten die Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München (a.i.d.a.) oder das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin (apabiz).

Jenseits von professioneller Beratungs- und Bildungsarbeit sind auf kommunaler Ebene die Vernetzung und Unterstützung von Engagierten notwendig, will man Rechtsextremismus langfristig und effektiv zurückdrängen. Besonders erfolgreich sind lokale Bündnisse und Initiativen, in denen sich neben Anwohner/innen auch Lokalpolitik und Verwaltung einbringen. Sie genießen durch die lokale Verankerung mehr Glaubwürdigkeit, als externe Expert/innen. Aktivitäten, die zum Mitmachen anregen und einen niedrigschwelligen Zugang bieten, sich gegen Neonazis zu positionieren, erzielen die größten Mobilisierungserfolge.

Gemeinsame Spaziergänge zur Entfernung rechter Propaganda, tragen über das Gespräch mit den Nachbar/innen zur Sensibilisierung für rechte Symbolik und Ideologie bei. Weiterhin wirkt sich die Unterstützung von alternativer Jugendkultur positiv auf eine Region aus. Für dieses Engagement sind die kommunalpolitische Unterstützung oder ein kommunales Leitbild, das die Bekämpfung von Rechtsextremismus beinhaltet, mehr als hilfreich.

Viele Projektideen auf lokaler Ebene sind in Lokalen Aktionsplänen umgesetzt worden. Sie sind Teil des Bundesprogramms „TOLERANZ FÖRDERN - KOMPETENZ STÄRKEN“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Lokale Aktionspläne werden von Kommunalpolitik, Verwaltung und Zivilgesellschaft gemeinsam erarbeitet. Für die Dauer von einigen Jahren, versucht eine Kommune dann im Zusammenspiel der Ebenen eine „lokal integrierte Strategie“ umzusetzen, die der Zurückdrängung von Rechtsextremismus oder anderen Zielen dient und die die Akzeptanz von Vielfalt und Demokratie befördern.

Greifen verschiedene Handlungsstrategien ineinander, kann Rechtsextremismus zurückgedrängt werden. Mobile Beratung, Opferberatung und Register liefern ein detailliertes Bild zu den Erscheinungsformen des Rechtsextremismus und helfen dabei, weitere Handlungsstrategien in den Kommunen zu entwickeln. Träger der politischen Bildung vermitteln die Inhalte, die für die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus nötig sind. Unerlässlich für eine erfolgreiche Strategie bleibt jedoch die Arbeit von Engagierten vor Ort, die durch eine Kommune unterstützt werden sollte.

Hilfreiche weiterführende Publikationen:

Verschiedene Ratgeber der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin.
Toolbox gegen rechte Gewalt der Opferperspektive (PDF).
Publikationen des Apabiz: http://www.apabiz.de/publikation/broschueren/index.htm
Rechte Symbolik: http://www.dasversteckspiel.de
Kritik am Extremismusbegriff: http://www.extrem-demokratisch.de


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Kati Becker ist Sozialwissenschaftlerin und hat zahlreiche Beiträge im Kommunal-Wiki der Heinrich-Böll-Stiftung zum Thema Rechtsextremismus veröffentlicht.

 
 

Dokumentation

Rechtradikalismus / Rechtspopulismus / Rassismus

Der Gerichtsprozess gegen die NSU hat gerade erst begonnen. Fest steht jedoch bereits jetzt, dass der Prozess nur einen Teil zur Aufarbeitung der furchtbaren Mordserie beitragen kann. Die Probleme liegen tiefer - Rassismus ist in unserer Gesellschaft nach wie vor fest verwurzelt. Vor dem Hintergrund des NSU-Prozesses stellen wir hier unsere aktuellen Projekte auf Bundes- und Landeseben vor. mehr»