Klimagipfel in Lima: "Nationale Alleingänge reichen nicht"

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Überschwemmung in Pakistan im Juli 2010

Interview mit Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, zum Klimagipfel in Lima: Einschätzungen zum internationalen Prozess, dem neuen Klimafinanzierungs-Fonds und Lateinamerikas Rolle im Klimaschutz.

Vom 1. bis 12. Dezember findet in Lima, Peru, die 20. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) statt. Ein Jahr später, im Dezember 2015 in Paris, soll ein neues  globales Klimaabkommen unterzeichnet werden. Wie stehen denn die Chancen dafür?

Die gute Nachricht zuerst: Nach der Übereinkunft zwischen den USA und China ist definitiv Bewegung in das gegenseitige Blockadespiel gekommen. Da mag Präsident Obamas Erkenntnis eine Rolle gespielt haben, dass er nach den jüngsten Kongress-Wahlen sowieso nichts mehr zu verlieren hat.  Insofern ist die Ankündigung, die US-Emissionen bis 2025 um bis zu 28 Prozent zu reduzieren, in jeder Hinsicht ein Befreiungsschlag. Bemerkenswert ist Chinas Ankündigung, den Anteil nicht-fossiler Energieträger bis 2030 auf rund 20% zu steigern. Allerdings muss man sehen, wie hoch dabei der nukleare Anteil ausfällt. Zudem gibt es im Rahmen der UN-Klimaverhandlungen seitens Chinas keine Aussage über eine verbindliche Reduzierung der Emissionen. Die gemeinsame US-chinesische Erklärung setzt außerdem eher auf bilaterale Kooperation und Absprachen.

Für ein verbindliches weltweites Abkommen unter dem Schirm des Völkerrechts sind daher die Chancen weiterhin unklar. Als die EU mit den ärmsten Entwicklungs- und den afrikanischen Ländern in Durban 2011 eine progressive Allianz schmiedete und einen Verhandlungsfahrplan für ein Abkommen 2015 in Paris durchgesetzt hat, war die Hoffnung groß. Diese hat  verschiedene Dämpfer erfahren. Unübersehbar ist, dass verschiedene Industrieländer eine Abkehr von der Klimapolitik eingeleitet haben und wir weltweit eine regelrechte Renaissance der Ausbeutung fossiler Energien erleben. Das gilt trotz der jüngsten Willenserklärung auch für China, das weiterhin stark auf den Ausbau von Kohlekraftwerken setzen will.  Ob Kanada, Japan und Australien weiterhin bei Klimaverhandlungen blockieren werden, bleibt ebenfalls abzuwarten.

Auch die EU ist leider schon lange keine Vorreiterin mehr. Das jüngst verabschiedete Klima- und Energiepaket für 2013 mit einer 40 Prozent-Emissionsreduktion gegenüber 1990 ist der kleinste gemeinsame Nenner. Selbst Musterschüler Deutschland gerät aufgrund der zunehmenden Kohleverstromung und steigenden Emissionen in die Kritik – zu Recht aus meiner Sicht. Die Gleichung ist eigentlich ganz klar: Ohne Kohleausstieg keine ambitionierte Klimapolitik in Deutschland und Europa. Mit keiner der Ankündigungen der großen Emittenten ist bislang das 2 Grad Ziel zu packen.

Was wir für Paris erhoffen können, ist ein Paket aus einigermaßen ambitionierten nationalen Beiträgen. Regierungen zur Rechenschaft zu ziehen und in den kommenden Jahren weitergehende Reduktionsziele zu verabreden, wird allerdings nur gelingen, wenn es ein robustes System des Messens, Monitorings und Berichtens geben wird. Das ist nicht viel. Aber auch nicht Nichts. Wir werden sehen, ob die Absprachen zwischen USA und China den internationalen Prozess in Lima beflügeln können. Die USA, China und die EU sind immerhin für rund 55% der weltweiten Emissionen verantwortlich und nun bereit, unabhängig voneinander Emissionen deutlich zu reduzieren. Die individuellen Reduktions-Absichten sind also durchaus beeindruckend, und gewiss steigen damit zumindest die Chancen, die 2-Grad-Grenze zum Temperaturanstieg noch einzuhalten. Doch dieses Ziel kann nicht nur durch nationale Alleingänge oder bilaterale Absprachen ohne verbindlichen Charakter und klare Strategien erreicht werden. Es braucht weiterhin das multilaterale, regelsetzende System der UN, das alle Akteure einbindet und somit einen fairen Ausgleich schafft. Etwas anderes haben wir nicht.

Und was genau verhandeln die Regierungen nun in Lima?

Um den vereinbarten Zeitplan für das Pariser Abkommen noch zu halten, müssen in Lima Entscheidungen über Form, Umfang und Ambition dieses Abkommens fallen. Unter anderem deswegen hatte ja Ban Ki-Moon Staats- und Regierungschefs und –chefinnen im September zu einem großen Klimagipfel nach New York geladen.

Mit der US-chinesischen Vereinbarung sind die Chancen auf eine Vereinbarung, wie gesagt, zwar gestiegen. Was auch gebraucht wird, sind verbindliche Abmachungen über nationale und multilaterale Politikinstrumente. Zum Beispiel konkrete Maßnahmen wie Emissionsbesteuerungen und –handel sowie Förderpolitiken für Erneuerbare  Energien.  Immerhin wurde zumindest Mitte November in Berlin die Erstausstattung des „Grünen Klimafonds“ auf den Weg gebracht - das ist ein gutes Signal an die Entwicklungsländer. Aber die Industrieländer müssen bei der Finanzierung des Klimaschutzes in Entwicklungsländern noch deutlich nachlegen. Hierzu gibt es einen eigenen, sehr zähen Verhandlungsstrang. Der Verhandlungstext für Paris soll bis zum Frühjahr 2015 stehen – unmöglich ist dies zwar nicht, doch es bleibt nicht mehr viel Zeit.

Woran liegt es denn, dass dieser Prozess so schwerfällig ist und es keine Fortschritte gibt? Haben Sie Vorschläge, was passieren muss, um das zu ändern?

Dafür gibt es natürlich viele Gründe. Aber ein zentraler ist die Macht der fossilen Industrie. Die Recherchen des amerikanischen Wissenschaftlers Richard Heede haben gezeigt: Nur 90 Produzenten von Öl, Gas, Kohle und Zement (die sog. „Carbon Majors“) sind für etwa zwei Drittel der Treibhausgasemissionen seit Beginn der Industrialisierung verantwortlich. Sie verkaufen diese klimaschädlichen Produkte und erwirtschaften dabei Milliarden. Außerdem verhindern sie mit ihrem mächtigen Lobbyapparat die Umsetzung von Klimapolitik und finanzieren in großem Maßstab Klimaskeptiker. Auf der anderen Seite leiden bereits heute Millionen von Menschen unter den Folgen des Klimawandels.  Allein der Taifun Haiyan, der vor einem Jahr in der Philippinen wütete, hat  über 6000 Menschen getötet, vier Millionen Flüchtlinge hervorgebracht, mehr als eine Millionen Häuser zerstört und einen wirtschaftlichen Schaden in Milliardenhöhe verursacht. Wir schlagen vor, dass die Carbon Majors eine Abgabe auf fossile Energieträger zahlen, die unmittelbar den ärmsten Opfern des Klimawandels durch den UN Mechanismus für Klimawandelschaden und –verluste (Loss and Damage Mechanism) zu Gute kommt. Dies wäre eine direkte und unmittelbare Umsetzung des Verursacherprinzips. Damit so ein Mechanismus zur innovativen Klimafinanzierung gelingen kann, muss es aber zunächst einmal das Thema „Loss and Damage“ in das Pariser Abkommen schaffen. Einige Entwicklungsländer kämpfen dafür.

In der vergangenen Woche (am 20. November) fand auf Einladung von Umweltministerin Barbara Hendricks und Entwicklungsminister Gerd Müller in Berlin die Geberkonferenz für den Grünen Klimafonds GCF (Green Climate Fund) statt. Wie bewerten Sie die Ergebnisse der Konferenz gerade auch mit Blick auf die COP in Lima und nächstes Jahr in Paris? 

 

Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung

Das selbstgesteckte Mindestziel von 10 Milliarden US-Dollar für die Erstausstattung des Fonds wurde zwar immer noch knapp verfehlt, auch weil Australien, Russland, China und Indien keine Finanzierungs-Zusagen machten oder erst gar nicht zur Konferenz erschienen. Auch einige europäische Länder wie Österreich, Belgien, Irland oder Portugal haben sich bislang nicht beteiligt. Unklar ist auch, wann denn nun diese offiziell bestätigten 9,3 Milliarden US-Dollar tatsächlich fließen. Deutschland hat 750 Millionen als Zuschuss zugesagt. Im Bundeshaushalt scheinen jedoch, einigen Informationen  zufolge, für 2015 nur 18 Millionen für den Klimafonds eingestellt zu sein.

Aber immerhin sieht es nun so aus, als ob der Fonds nächstes Jahr seine Arbeit auf jeden Fall aufnehmen kann; übrigens auch dank der Finanzzusagen von Schwellenländern, die eigentlich keine Zahlungsverpflichtung hatten. Damit sollte eine wichtige Hürde für erfolgreiche Verhandlungen in Lima und dann Paris überwunden sein. Dennoch – der Teufel steckt im Detail: Zum Einen soll der Fonds Maßnahmen und Investitionen zur Emissionsreduktion und Verlangsamung des Klimawandels finanzieren, zum Anderen Anpassungen an die bereits jetzt spürbaren Folgen insbesondere in den ärmeren Ländern, die am wenigsten dazu beigetragen haben. Da ist es gut, dass der Fonds bereits zugesagt hat, dass die Hälfte seiner Ausgaben für Anpassungsmaßnahmen getätigt werden. Vor allem aber dürfen die Projekte und Ausgaben des Fonds auf keinen Fall an irgendwelche Konditionen gebunden sein, oder womöglich mit sowieso bereits geplanten Investitionskooperationen oder Krediten verrechnet werden.

Einige lateinamerikanische Länder wie Mexiko, Brasilien, Costa Rica oder Chile gelten –oder präsentieren sich gerne -  als Vorreiter in Sachen erneuerbare Energien und Klimapolitik  – inwieweit trifft dies - auch mit Blick auf Lima und im nächsten Jahr Paris- zu  und welche Bedeutung hat die Gastgeberrolle Perus für die Klima- und Energiepolitiken auf dem Kontinent?

Vor allem Mexiko, aber auch Brasilien oder Chile versuchen, eine wahrnehmbare Vermittler-Rolle zwischen den Befürwortern eines verbindlichen Abkommens und denBlockierern einzunehmen. Mexiko verdient eine besondere Erwähnung, da das Land ohne Verpflichtung freiwillig Finanzmittel zum „Grünen Klimafonds“ beigetragen hat. Damit spielt Lateinamerika in den Klimaverhandlungen durchaus eine Rolle und kann aktiv dazu beitragen, über Lima in Paris ambitioniertere Klimaziele und -vereinbarungen zu erreichen. Außerdem haben einige Länder der Region in der Tat in den letzten Jahren zumindest auf dem Papier neue Ansätze in der Einführung Erneuerbarer Energien und in Emissionsreduzierungen entwickelt, so zum Beispiel Mexiko,  Brasilien oder auch Uruguay und Chile. Dennoch lohnt ein etwas genauerer Blick auf die jeweiligen nationalen Energiemixe. Mit Ausnahme von Uruguay werden in vielen Ländern fossile Träger wie Kohle oder Diesel-Kraftwerke ausgebaut.

Es existieren nur halbherzige Effizienzstrategien und der Ausbau Erneuerbarer Energien wird nur zögerlich in Angriff genommen oder wegen bestehender fossiler Oligopole verschleppt. Auch für viele lateinamerikanische Schwellenländer gilt also, was hier in Deutschland zu Recht kritisiert wird: Wer in seiner Energieversorgung weiterhin vor allem auf Kohle setzt oder fossile Träger ausbaut, hat ein Glaubwürdigkeitsproblem und trägt zu steigenden Emissionen bei.  Es stimmt natürlich, dass der Anteil Lateinamerikas an den weltweiten Gesamtemissionen niedrig ist, und vielfach auf Entwaldung zurückzuführen ist, doch das ist kein Grund, auf alte Energieträger zu setzen: Denn emissionsfreie und kostengünstige technologische Alternativen existieren und die realen Potentiale gerade von Solar- oder Windenergie sind in vielen Ländern der Region enorm, so dass auch von der Kostenseite her Vorteile auf der Hand liegen. Insofern bietet vielleicht auch die Gastgeberrolle Perus dem Kontinent eine Chance, den Worten auf globaler Bühne lokale Taten folgen zu lassen.