Pegida - ein Aufstand von rechts

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Pegida-Ableger in Leipzig: Wer marschiert unter solchen Plakaten? Was sie alle zu einen scheint, sind ein unterkomplexes Weltbild, Faktenresistenz bis zur Irrationalität und rechte Einstellungen

Tausende gehen Montag für Montag auf die Straße: Pegida mobilisiert und polarisiert. Wer läuft mit und wofür stehen die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“?

Drei Monate, elf „Spaziergänge“, Tausende Montag für Montag auf der Straße, 130.000 Likes bei Facebook, internationale Berichterstattung, bundesweit mediale Aufmerksamkeit, politische Statements von höchster Ebene, aber auch breiter Widerspruch. Pegida mobilisiert und polarisiert. Am Thema Pegida kommt derzeit niemand vorbei. Wer steht dahinter, wer läuft mit und wofür stehen die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“?

Rasanter Aufstieg

18.000 haben sich an diesem Montag auf der Dresdner Cockerwiese zwischen Gläserner Manufaktur, Hygienemuseum und Dynamostadion versammelt. Es ist der elfte „Spaziergang“ der "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" und der Erste im Jahr 2015.

Seit Oktober finden Montag für Montag diese Demonstrationen unter dem Motto "Gewaltfrei und vereint gegen Glaubens- und Stellvertreterkriege auf deutschem Boden" statt. Was am 20. Oktober mit etwa 350 Teilnehmenden begann, bekam rasanten Zulauf. Woche für Woche verdoppelte sich die Anzahl der Teilnehmenden bis am 8. Dezember die 10.000 erreicht waren. Zum „Weihnachtssingen mit Pegida“ am 22. Dezember strömten 17.500 und trotz Feiertagspause und einem pegidafreien Montag zum Jahreswechsel nahm die Zahl der Teilnehmenden auch zum ersten Montag im neuen Jahr nicht ab.

Was in Dresden offenkundig funktioniert, will in anderen Städten jedoch einfach nicht in gewünschtem Maße anlaufen. Seit November gründen sich bundesweit Ableger: Kassel, Braunschweig, München, Würzburg, Köln, Düsseldorf, Hannover, Bonn oder Berlin, Rostock, Magdeburg und Leipzig. In einigen gab es erste Demonstrationsversuche, weitere sind angekündigt. Doch während in Dresden die „Spaziergänge“ ungebrochenen Zulauf erhalten, waren die Versuche andernorts bisher allesamt ein Reinfall. Ob in München, Kassel, Düsseldorf, Köln oder Berlin – die Teilnehmerzahlen blieben mit zum Teil nur ein paar Dutzend weit unter den Erwartungen. In Köln folgten am 5. Januar mit 500 Menschen noch die meisten der Mobilisierung von Kögida. Am 12. Januar werden die ersten Demonstrationen im Osten Deutschlands außerhalb Dresdens stattfinden – in Leipzig und Rostock. Inzwischen existiert zumindest bei Facebook Pegida Deutschland und Pegida Europa. Für den 2. Februar ist eine Pegida Demonstration in Wien angekündigt, für den 16. Februar auch in der Schweiz.

Pegida geriert sich als Bewegung, die sich von Dresden aus europaweit entfalten soll. Ob allerdings in Anbetracht der ausbleibenden Mobilisierungserfolge außerhalb der sächsischen Landehauptstadt tatsächlich von einer Bewegung gesprochen werden kann, darf derzeit noch angezweifelt werden. Deutlich wird jedoch: Pegida bringt eine Stimmung auf die Straße, die nicht nur in Sachsen seit über einem Jahr gärt. Im November 2013 waren es 2000 Menschen, die in Schneeberg (Erzgebirge) mit Fackeln gegen eine Flüchtlingsunterkunft auf die Straße gingen. Es folgten Facebookgruppen, Kundgebungen, Demonstrationen, Bürgerversammlungen mit hunderten wutentbrannten Anwohnern überall, wo eine Unterkunft für Asylsuchende eröffnet werden sollte. Auch in Dresden waren die Reaktionen auf das städtische Unterbringungskonzept von Flüchtlingen Ende Oktober unerwartet heftig. Pegida kombiniert das Asylthema mit einer Problematisierung des Islam und trifft damit einen Nerv. PEGIDA spricht all jene an, die sich "überfremdet", "benachteiligt" und in ihrer Identität bedroht fühlen. Laut dem ARD Deutschlandtrend vom 8. Januar 2015 zeigen 22 % Verständnis für Pegida.

Wer ist Pegida?

Das Pegida Organisationsteam besteht nach eigenen Angaben aus zwölf Personen. Von Beginn an als Frontmann aufgetreten, ist Lutz Bachmann. Inzwischen tritt er hinter Rene Jahn und Kathrin Oertel zurück, die seit einigen Wochen Pegida gegenüber der Presse und auch als RednerInnen repräsentieren. Bachmann, Jahn und Oertel sind auch der Vorstand des am 19. Dezember 2014 offiziell gegründeten Vereins Pegida e.V. Weitere Mitglieder sind Ehefrau Vicky Bachmann, Thomas Tallaker, Thomas Hiemann, Frank Ingo Friedmann, Siegfried Däbritz, Tom Balazs und Stephan Baumann.

Mit der Vereinsgründung hat sich Pegida eine institutionelle Basis außerhalb der virtuellen Welt geschaffen. Denn begonnen hat die „Rettung des Abendlandes“ bei Facebook. Aus einer Facebookgruppe heraus fand sich das Orgateam zusammen und lud für den 20. Oktober 2014 zum ersten Event vor die Frauenkirche in Dresden ein. Die Mitglieder dieses Orgateams sind keine organisierten Nazis und auch nicht in die heutige Szene involviert. Bis auf zwei bekannte Ausnahmen sind sie bisher nicht politisch in Erscheinung getreten. Lediglich Siegfried Däbritz trat 2009 für die FDP als Stadtratskandidat in Meißen an, Thomas Tallaker war Stadtratsabgeordneter der CDU in Meißen. Vielmehr handelt es sich um einen langjährigen Freundes- und Bekanntenkreis, auch außerhalb des Internets. Sie sind mit diversen Kleinunternehmen vor allem in der Dienstleistungsbranche Teil der Dresdner Geschäftswelt und haben weitreichende Kontakte in die Dresdner Party- und Clubwelt und ins Türsteher- und Fussball-Hooligan-Milieu.

Lutz Bachmann erhielt 1996 von der Bildzeitung den Titel "Panzerknacker von Dresden", er wurde wegen 16-fachen Einbruch-Diebstahls verurteilt. Um einer Gefängnisstrafe zu entgehen, floh er 1997 nach Südafrika. Drei Jahre später fiel der Einwanderungsbehörde bei einer Kontrolle auf, dass sein Visum abgelaufen war. So kam er 2000 zurück nach Deutschland und saß 14 Monate seine Haftstrafe ab. Auf Bewährung auf freiem Fuß soll er nach SZ-Informationen für den Nachtklub „Angels“ in Leipzig tätig gewesen sein. 2009 kam er nach Dresden und wurde mit Kokain erwischt und 2010 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu 2 Jahren auf Bewährung verurteilt. Inzwischen betreibt er eine Foto- und PR Agentur. Zu den Kunden zählen u.a. ein Erotikklub, eine Tabledance-Bar, ein Bordell und auch Dresdens bekanntester Nachtklubbesitzer, Wolfgang „Wolle“ Förster, Chef der ältesten Stripteasebar Dresdens, dem Klax. Zu Bachmanns Hotpepperpix Firmengruppe gehört außerdem die Agentur für Grafik, Werbung und Design seiner Frau Vicky Bachmann und die Striezelmarktbratwurst, mit der es Bachmann 2011 schon einmal zu etwas lokaler Berühmtheit brachte. „Wurstkrieg auf dem Striezelmarkt“ nannte vor drei Jahren die Dresdner Morgenpost den Streit Bachmanns mit der Stadt Dresden um seinen Würstchenstand auf dem Dresdner Weihnachtsmarkt.

Bachmann ist nicht der einzige im Team mit strafrechtlich relevanter Vorgeschichte. Thomas Tallaker, der 2013 sein Stadtratsmandat niederlegen musste, nachdem er sich auf Facebook rassistisch äußerte, wurde im September 2014 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt, wegen gefährlicher Körperverletzung und Nötigung. Er hatte mit zwei weiteren Personen einen ehemaligen Auftraggeber zusammengeschlagen um Schulden einzutreiben. Gegen das CDU Mitglied Tallacker läuft seit Anfang 2014 ein Parteiausschlussverfahren. Däbritz, selbst Sicherheitsunternehmer, habe laut verschiedenen Medienberichten, gute Verbindungen zu Hooligans und sei auch bei HOGESA involviert. Auch er wird mit rassistischen Facebook-Kommentaren zitiert.

Die Verbindungen zwischen Geschäftswelt, Kriminalität und rechten Hooligans sind in Dresden nicht neu. Rockergruppen wie Gremium MC und Hells Angels oder die Gruppe "Hooligans Elbflorenz" sind durch diese Mischung immer wieder aufgefallen. Spätestens zum Halbfinale der Europameisterschaft 2008 wurde dies aktenkundig. Ein vermummter Mob von ca. 60 Nazis, Hooligans und Türstehern überfiel wie ein Rollkommando Dönerimbisse in der Dresdner Neustadt. Die "Hooligans Elbflorenz" wurden wenig später als kriminelle Vereinigung verboten.

Die Pegida Anhänger

Zu den ersten Demonstrationen im Oktober, zu denen über Facebook eingeladen wurde, kam vor allem das weite soziale Umfeld der Organisatoren. Es folgten im virtuellen Schneeballsystem die Freunde der Freunde der Freunde. Bis zur vierten Demonstration war so vor allem ein verstärkter Zuwachs aus dem Fussballumfeld festzustellen. Das Publikum war jung bis mittleren Alters, vorwiegend männlich und sportlich, zumindest jedoch handfest. Von Beginn an waren auch vereinzelte Nazis zu sehen, mit dem Anwachsen der Demonstrationen nahm auch deren Anzahl zu. Ab der vierten Demonstration am 10. November mit 2000 Teilnehmenden wurde das Publikum breiter. Es nahmen vermehrt ältere Bürger, mehr Frauen und mehr Familien teil. Pegida wurde nun auch außerhalb von Facebook wahrgenommen und mischte sich im Anliegen mit den zu diesem Zeitpunkt starken Protesten gegen die Unterbringung Asylsuchender in Dresden. Am 24. Oktober stellte die Stadt Dresden ihr Konzept "zur Schaffung zusätzlicher Unterbringungskapazitäten" für Flüchtlinge in den Jahren 2015/16 vor. Im Anschluss kam es in Bürgerversammlungen zu rassistischen Ausfällen, Kundgebungen wurden abgehalten, Petitionen gestartet. Nun wurde Pegida zum Selbstläufer. Unter den inzwischen 18.000 Teilnehmern finden sich bei weitem nicht mehr nur Dresdner, mobilisiert wird ganz Sachsen und auch aus anderen Bundesländern.

Bei Pegida findet sich Montag für Montag eine bunte Mischung ein: Nazis, AfDler, Neu-Rechte, Burschenschafter, Hooligans, Türsteher, selbstständige Kleinunternehmer, frustrierte alte Männer, abgehängte Milieus, Verschwörungstheoretiker, Beschützer des "Abendlandes", Sarrazin-Verehrer, Pirinçci-Leser und andere selbsternannter „Tabubrecher“, Huntington-Apologeten, Rassisten, die überhaupt keine Migranten wollen und Rassisten, die "nur" keine Muslime wollen, Linkenhasser und „Political Correctness“-Verachtende, die die sich von Politikern betrogen und den Medien in die Irre geführt fühlen. Jeder findet in den an der Oberfläche bleibenden Inhalten etwas, was er seinen Vorstellungen entsprechend ausdeuten kann. Was sie alle zu einen scheint, sind ein unterkomplexes Weltbild, Faktenresistenz bis zur Irrationalität und rechte Einstellungen. Es sind die 11% Rassisten, die 26,9 % Fremdenfeinde, die 11,6% Antisemiten, die 23,5 % Islamfeinde, 13,3 % Chauvinisten, die 52,8 %, die Asylsuchende abwerten[1]. Es sind die über 30 Prozent, die sich aufgrund der "vielen" Muslime als "Fremde im eigenen Land" fühlen und die 20 %, die Muslimen nicht das Recht zugestehen, Forderungen in Deutschland zu stellen[2].

Die Inhalte: Feindbild und Vorurteil

Im Kern ist Pegida gegen die Aufnahme von Flüchtlingen, gegen das Asylrecht, gegen den Islam, gegen die Politik und die Medien und gegen alle, die sie als „Gutmenschen“ verachten. Wenn Lutz Bachmann erklärt, dass man gegen die Islamisierung sei, weil der Dresdner Christ-Stollen auch in Zukunft noch so genannt werden soll, gegen Zuwanderung, weil sich arme Rentner eben jenen Stollen nicht mehr leisten können, während Asylsuchende in Vollausstattung lebten, macht er nichts anderes als Feindbilder zu beschwören und Ressentiments zu befeuern.

Am 10. Dezember veröffentlichte Pegida ein Positionspapier, auf den erste Blick moderat formuliert. Bei genauerer Betrachtung behält es jedoch den Kurs bei: Wer sich der PEGIDA-Abendlandkultur nicht fügt, fliegt raus oder wie Bachmann es in seiner Rede am 1. Dezember ausdrückte: "Wir sind die Gastgeber, und wir machen die Tischsitten!" Rene Jahn formulierte es im Interview mit dem rechten Nachrichtenportal Blu-News so: „Langfristig ist daher unser Ziel, dass die Politik insgesamt sich ändert und auch wieder nationaler denkt. Und sie der Überfremdung, nicht im Sinne von zu vielen Ausländern, sondern im Sinne von fremden Kulturen, vorbeugt. Es muss verhindert werden, dass sich fremde Kulturen hier platzieren und die deutsche Kultur eher an den Rand rückt. Wir sind hier in Deutschland und hier haben die deutschen Wertvorstellungen Vorrang.“ Dies als Konstante, sind die inhaltlichen Details durchaus im Fluss.

Thema Asyl

Angetreten unter dem Motto "Gewaltfrei und vereint gegen Glaubens- und Stellvertreterkriege auf deutschem Boden" demonstrierten sie zunächst insbesondere gegen Zuwanderung aus den Kriegsgebieten, weil sonst der Krieg der Islamisten hier ausgetragen würde und "in wenigen Jahren bei uns ebensolche Zustände wie in den Ländern aus denen die Flüchtlinge kommen”[3] herrschen. Jetzt steht Pegida "für die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen und politisch oder religiös Verfolgten". Gekoppelt wird diese Bereitschaft zu etwas Menschlichkeit jedoch mit einer Pflicht zur Integration, die im Grundgesetz verankert werden soll, mit einer Verkürzung des Asylverfahrens, einem "gesamteuropäischen Verteilungsschlüssel" und "Null-Toleranz-Politik gegenüber straffällig gewordenen Asylbewerbern und Migranten". Außerdem solle schneller abgeschoben werden, der Rechtsweg gegen ablehnende Bescheide soll beschnitten werden. Ihrer Auffassung nach, werde Asyl zum Großteil von "Wirtschaftsflüchtlingen" missbraucht, das gelte es mit schärferen Gesetzen und deren Anwendung zu verhindern. So stellt Kathrin Oertel am 8. Dezember in ihrer Rede die Frage: „Seit wann aber, frage ich, ist in Tunesien, Marokko, dem ehemaligen Jugoslawien, Bulgarien oder Rumänien denn wieder Krieg. Ein Teil dieser Länder sind EU-Mitgliedsstaaten, sind beliebte Urlaubsländer und trotzdem kommt gerade aus diesen Ländern ein Großteil der traumatisierten Kriegsflüchtlinge. Da stimmt doch was nicht.“ Am 5. Januar beklagt sie eine „Asylindustrie“. Klar ist: Pegida will weniger Asylsuchende in Deutschland. Mit diesen Einschränkungen schmerzt es auch nicht dezentrale Unterbringung und bessere Sozialbetreuung zu fordern. Neben der Einschränkung des Asylrechts wird eine "faire, kontrollierte Zuwanderung nach einem Modell von Kanada, Australien oder der Schweiz" gefordert, denn auf die "Fachkräfte" will auch PEGIDA nicht verzichten.

Feindbild Islam

Pegida will das "Abendland" gegen die "fanatische, radikalreligiöse Unterwanderung" [4] verteidigen. Das impliziert natürlich, dass der Islam per sé eine expansive und gewalttätige Religion sei, die versucht Europa einzunehmen. In ihrer Vorstellung sind die Kulturen des "Abend- und Morgenland" unvereinbar. Die halluzinierte Islamisierung, die sich laut Bachmann daran zeige, dass Weihnachtsmärkte bald nur noch Wintermärkte heißen dürften, findet sich auch im Positionspapier: "Pegida ist FÜR den Widerstand gegen eine frauenfeindliche, gewaltbetonte politische Ideologie aber nicht gegen hier lebende sich integrierende Muslime!"[5]. Für Pegida sind „sich integrierende Muslime“ aber am besten gar keine Muslime mehr. Integration meint hier Assimilation. Nur so ist ihrer Ansicht nach die "Erhaltung und Schutz unserer christlich-jüdische geprägten Abendlandkultur" möglich.

Feindbild „Gutmensch“, „Lügenpresse“ und „Volksverräter“

Durch die "Gutmenschen" in Politik und Medien sieht sich PEGIDA diffamiert und in seinem Recht auf freie Meinungsäußerung beschnitten. Meinungsfreiheit verwechseln sie dabei mit Widerspruchsfreiheit. Die Argumentation erinnert stark an Thilo Sarrazin, der sich bereits mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ als Tabubrecher inszenierte. Vertreter der Medien werden bei Pegida als Bedrohung von außen betrachtet. So heißt es in der Rede am 17. November: "Wie ihr in der Vergangenheit bereits erlebt habt, ist den Medien jedes Mittel recht, uns in Misskredit zu bringen und unsere Demonstration zu etwas Schlechtem, Bösem und Bedrohlichem zu machen. Dem wollen wir keinerlei Grundlage bieten! Gebt keine Interviews, denn sie werden Euch das Wort im Mund herumdrehen!" Parolen sind bei Pegida seit der zweiten Demonstration untersagt, auch Schilder oder Transparente wurden lange von der Organisation gestellt. Bei der inzwischen erreichten Teilnehmerzahl ist dies freilich nicht mehr kontrollierbar. Die dominanten Parolen neben dem von Beginn an hallenden „Wir sind das Volk“ sind inzwischen „Lügenpresse“ und „Volksverräter“ - dass dies Begriffe aus dem Naziwortschatz sind, stört indes keinen.

Für die autoritäre Scholle

Von "den Politikern" fühlt man sich übergangen und betrogen, alles würde über die Köpfe der Bevölkerung hinweg entschieden. Bei dieser Schelte geht es aber keineswegs um den Ruf nach mehr Partizipation. Es geht vielmehr darum, den "echten Volksvertreter" anzurufen, der zuhört und den "Volkswillen" umsetzt. Zum Tragen kommt hier einerseits eine autoritäre Politikvorstellung und zum anderen die Vorstellung eines homogenen Volkswillens. Stattdessen handeln "die Politiker" gegen den Willen des Volkes und gegen die Tradition. Deshalb wendet sich Pegida auch gegen "Genderismus" und setzt sich für den Erhalt der deutschen Sprache und der klassischen Familie ein – ein Thema der (Neuen) Rechten und Evangelikalen, welches zuletzt in Baden-Württemberg mehrfach hunderte Menschen gegen sogenannte „Frühsexualisierung“ auf die Straße brachte. "Wir wollen unsere Traditionen behalten und keine falsche Rücksicht nehmen müssen!"[6]. PEGIDA geht es um den Erhalt traditioneller Werte, es geht um die Bewahrung der Scholle ohne "Genderismus", Überfremdung" und "Islamisierung".

Dass sich bei Pegida neben Rassismus auch Unzufriedenheit mit der bestehenden Demokratie und Abneigung gegen die Politik artikuliert, ist dabei durchaus folgerichtig. So stellt die aktuelle Studie der Friedrich Ebert Stiftung „Fragile Mitte. Feindselige Zustände“ den Zusammenhang zwischen bestimmten Formen von Demokratiekritik und abwertenden Einstellungen her: "Grundsätzliche Zweifel an der Funktionsfähigkeit von Demokratie und Misstrauen in politische Eliten stehen den demokratischen Grundwerten der Gleichwertigkeit, Gewaltfreiheit und Partizipation entgegen. Demokratiezweifel und das Misstrauen in politische Eliten gehen mit höherer Zustimmung zu den Facetten Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, höherer Gewaltakzeptanz und geringere Partizipationsbereitschaft einher."[8]

Pegida wird in die rechte Ecke gestellt?

Sind es zwar nicht alles Nazis, die bei Pegida mitlaufen, so findet sich unter den Teilnehmenden doch inzwischen ein beachtlicher Anteil an Nazis und Neurechten, die sich hier inhaltlich wiederfinden und von denen auch keine Abgrenzung erfolgt. Dass wir es bei Pegida mit Rassismus zu tun haben, dürfte inzwischen für alle unbestritten sein, die sich einmal die Mühe gemacht haben, sich mit den Reden, Interviews und Facebook-Kommentaren zu beschäftigen. Pegida wird also keineswegs in die „rechte Ecke“ geschoben, sondern hat sich ganz freiwillig in dieser Weise politisch positioniert. Dazu scheint man inzwischen durchaus auch zu stehen. Am 15. Dezember verkündete Kathrin Oertel in ihrer Rede: "(...) wir sind alle rechts. Wir verfolgen rechte Politik, wir sind Patrioten, wir lieben unser Vaterland, wir lieben unsere Heimat, und wir wollen diese schützen (...)“. Die Gastredner, die seit dem 8. Dezember neben Lutz Bachmann, bis dahin der einzige Redner, bei Pegida sprechen, sind zum Teil rechte Scharfmacher, wie Udo Ulfkotte, der am 5. Januar die Islamisierung des Abendlandes ausmalte oder der Leipziger Stephan Simon, der sich am 22.12. vor allem in Beleidigungen gegen diverse PolitikerInnen erging.

Gewaltfrei?

Pegida betont von Beginn an gewaltfrei auf die Straße zu gehen. In diesem Punkt wollen sich die Organisatoren von den „Hooligans gegen Salafisten“ (Hogesa) abgrenzen, bei deren Demonstration es am 26. Oktober 2014 in Köln zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kam. Die Gewaltfreiheit ist dabei aber keineswegs Überzeugung, sondern vielmehr strategisches Mittel. Folgte man gerade in der Anfangszeit den Facebook-Kommentaren, fanden sich immer wieder regelrechte Gewaltphantasien gegen den politischen Gegner. Entsprechend kam es am Rande der Pegida Spaziergänge auch mehrfach zu Angriffen. Bereits zur ersten Demonstration am 20. Oktober wurden Gegendemonstranten attackiert. Als am 1. Dezember eine Blockade Pegida am Terrassenufer stoppte, brauchte es Lutz Bachmanns ganze Überzeugungskraft seine Anhängerschaft zum Umkehren zu bewegen. Ein beachtliche Teil zog es vor, den Versuch zu unternehmen durch Polizei und eigene Ordner durchzubrechen und die Blockade selbst zu räumen. Am 22. Dezember griffen ca. 50 Männer, die augenscheinlich von der Pegidakundgebung kamen, eine Gruppe migrantischer Jugendlicher an der Centrums Galerie an. Am 5. Januar gaben sich ca. 200 junge Männer mit der Route des „Spaziergangs“ nicht zufrieden und wollten stattdessen in die Innenstadt ziehen. Die Polizei musste sie stoppen.

Fazit

Mit Pegida manifestiert sich derzeit auf der Straße, was an Einstellungen der Ungleichwertigkeit schon lange in verschiedenen Studien gemessen wird. Dass Rassismus, Islamfeindlichkeit und Chauvinismus derzeit allerdings offen demonstriert werden, erzeugt eine höchst gefährliche Stimmung: gefährlich für all jene, die von der Hetze betroffen sind und gleichzeitig politisch gefährlich. Wenn unter dem Slogan „die Sorgen und Ängste der Bürger ernst nehmen“ die Politik Pegida folgt, erinnert das an den sogenannten Asylkompromiss von 1993, mit dem das Grundrecht auf Asyl in Deutschland de facto abgeschafft worden ist. Die Welle rassistischer Gewalt, von Hoyerswerda, über Mölln bis Rostock Lichtenhagen, nahm die Politik damals zum Anlass. Heute wird wieder mit Vorschlägen zur Verschärfung der Flüchtlingspolitik reagiert: Sondereinheiten der Polizei gegen kriminelle Asylbewerber, schnellere Abschiebung, weitere sichere Herkunftsländer, Auffanglager in Nordafrika. Vor allem CDU und CSU buhlen mit der AfD um die Gunst der Pegida-Anhängerschaft. Dass AfD und Pegida „inhaltliche Schnittmengen“ haben, gab die sächsische AfD Vorsitzende Frauke Petry gegenüber der Presse an, nachdem sie sich mit dem Organisationsteam zu einem Gespräch am 7. Januar getroffen hatte – dem einzige Treffen mit einer Partei, dem Pegida bisher zustimmte. Keine Überraschung, denn die Forderungen zum Thema Asyl und Zuwanderung lesen sich wie das Programm der AfD. Nicht umsonst betrachtet AfD-Vize Alexander Gauland Pegida als "natürliche Verbündete". Auch wenn derzeit noch nicht absehbar ist, ob sich zwischen AfD und Pegida eine langfristige politische Partnerschaft entwickelt und worin die montäglichen Spaziergänge münden sollen, so zeigt sich doch das Potential den politischen Diskurs in der Bundesrepublik wieder ein ganzes Stück nach Rechts zu verschieben.

Hier finden Sie einen Überblick über bislang erschienene Studien zu Pegida und der Kritik daran.

Dieser Text erschien zuerst auf weiterdenken.de.

Fußnoten:

[1] Zustimmung zu Facetten Gruppenbezogener Menscheinfeindlichkeit im Osten, Andreas Zick / Anna Klein: Fragile Mitte – Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2014, Bonn 2014, S. 73.

[2] Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung: Deutschland postmigrantisch I. Gesellschaft, Religion, Identität. Erste Ergebnisse, Berlin 2014.

[3] Rede Lutz Bachmann vom 27.10.2014.

[4] Rede Lutz Bachmann vom 27.10.2014.

[5] Wenn nicht anders ausgewiesen, stammen die Zitate aus dem PEGIDA Positionspapier.

[6] Aufruf zur PEGIDA Demonstration am 8. Dezember auf Facebook.

[8] Andreas Zick / Anna Klein: Fragile Mitte – Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2014, Bonn 2014, S. 146.