Sexuelle Gewalt ist ein globales Problem, in allen Kulturen und Religionen

Marsch zum Tahrir-Platz gegen sexuelle Belästigung, Februar 2013
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Marsch zum Tahrir-Platz gegen sexuelle Belästigung, Februar 2013

Zehn Expert/innen aus sechs Ländern berichten, wie sie die Übergriffe in Köln wahrgenommen haben. Ein Debattenbeitrag zu sexueller Gewalt und Belästigung im Nachgang zu #Köln.

Nach den sexuellen Übergriffen in der Silvesternacht in Köln und anderen Orten in Deutschland und der sich anschließend entzündenden Debatte zur deutschen Flüchtlingspolitik, hat die Heinrich-Böll-Stiftung einige ihrer Auslandsbüros gefragt, ob "Köln" auch bei ihnen Thema war und wie sie generell vor Ort gegen sexuelle Gewalt kämpfen. Wir wollen damit einen Perspektivenwechsel anbieten und dazu beitragen, sexuelle Gewalt als globales Problem zu verstehen. Welche Strategien halten diese Expert/innen für vielversprechend?

Wir möchten darauf aufmerksam machen, dass laut dem Bericht des Bundeskriminalamts (BKA) vom 24. Januar 2016 weiterhin nicht bestätigt ist, dass die Täter der Silvesternacht vornehmlich aus dem "nordafrikanischen" Raum kommen. Insgesamt möchte das BKA mangels Informationen zum Herkunftsland der Täter keine verallgemeinernden Angaben (mehr) machen.

Jana Smiggels Kavková aus Tschechien

Jana Smiggels Kavková

"Seit 2005 arbeite ich im Bereich Gleichstellung. Die Debatte zu Köln kam auch in Tschechien auf und wurde sehr schnell verbunden mit der europäischen Flüchtlingskrise. Die lautesten Stimmen kamen von fremdenfeindlichen Politikern und Kommentatoren. Auf einmal wurden diejenigen zu den größten Verteidigern von Frauenrechten, die sich sonst nie für das Thema interessieren, ja sogar die Existenz von Gewalt gegen Frauen geleugnet hatten. Nun aber behaupteten sie, Gleichstellung sei eine der grundlegenden Werte unserer Gesellschaft, das ist ziemlich bizarr.

Das Prinzip der Kollektivschuld waberte bei uns durch den öffentlichen Raum. Wirklich traurig, dass Leute erst anfangen über dieses Problem nachzudenken, wenn die Täter vermeintlich aus dem Ausland kommen.

Wir Feministinnen wurden angeschuldigt, uns aus Gründen „politischer Korrektheit“ nicht um die Vorfälle in Köln zu kümmern. Nach all den Jahren des Engagements gegen Gewalt gegen Frauen fanden wir diesen Vorwurf sehr irritierend.

Gewalt gegen Frauen ist ein enormes Problem in unserem Land, wie überall in der Welt. Laut jüngsten Statistiken, hat jede dritte Frau sexuelle Gewalt in ihrem Leben erfahren, meist passiert das zu Hause.

Das große Ziel unserer Arbeit momentan ist, dass die Istanbuler Konvention des Europarates angenommen wird.  Dies wäre ein wichtiger Schritt, um die weiblichen Opfer von Gewalt zu schützen. Der Kampf gegen Rassismus und der für Frauenrechte muss Hand in Hand gehen."

Jana Smiggels Kavková ist Vorsitzende der Regierungskommission für gleiche Repräsentanz von Frauen und Männern in der Politik und Vorstandsmitglied der tschechischen und europäischen Frauenlobby.

Shalini Yog aus Indien

Shalini Yog

"'Köln' als Problem junger Muslime zu sehen, ist nicht förderlich. Ähnliche frauenfeindliche-hooliganmäßige Vorfälle ereignen sich regelmäßig in Delhi und anderswo, und ich weigere mich, diese Gewalt nur Männern einer bestimmten Religion oder Region zuzuschreiben. Für diesen hässlichen Vorfall sind frauenfeindlichen Männer verantwortlich, die in offenbar mehrheitlich gender-segregierten Gesellschaften leben oder gelebt haben. Für sie sind Frauen, die traditionelle Verhaltensregeln verletzen, entweder einladend oder bedürfen einer Maßregelung. Das ist das Problem.

Dieses Verhalten von Männern aus geschlossenen Gesellschaften, die kein gleichberechtigtes Zusammenleben von Frauen und Männern erlauben, ist weder ein typisches Phänomen für Menschen aus der arabischen Welt oder Nordafrika, noch ist es spezifisch für eine bestimmte Religion wie den Islam.

Indien ist voller Religionen und Kulturen, traditionelle Verhaltensweisen machen Platz für Modernität, Frauen entdecken Freiheiten in nie dagewesener Form. Gleichzeitig passieren sexuelle Verbrechen gegen Frauen und werden auch immer öfter angezeigt. Aber die Täter sind nicht einfach einer bestimmten Ethnie oder Religion zuzuschreiben, sondern Kontexten und Umgebungen.

'Köln' muss eine klare Botschaft an die Täter senden und sie streng bestrafen. Doch man darf nicht die Geflüchteten in Deutschland pauschal verurteilen. Deutschlands Flüchtlingspolitik scheint uns hier inspirierend, menschlich und ein Modell für den Rest der Welt zu sein. Ein gesellschaftlicher Dialog mit Migrant/innen ist das Gebot der Stunde, nicht  eine Verschärfung des Asylgesetzes. 

In Indien ist seit den Anti-Vergewaltigungsprotesten von 2012 viel passiert. Die von der Regierung eingesetzte 'Verma-Kommission' hat Vorschläge erarbeitet, wie sexuelle Gewalt besser bekämpft werden kann. Viele der Empfehlungen des progressiven Berichts wurden aufgenommen, etwa eine Ausweitung der Definition von sexuellem Angriff, der jetzt auch 'Stalking' und Voyeurismus beinhaltet. Außerdem wurde ein Gesetz zu sexueller Belästigung am Arbeitsplatz erlassen.

Diese Fortschritte sind auch der veränderten Art und Weise zu verdanken, wie Staat, Zivilgesellschaft und Frauenorganisationen interagieren, nämlich kritisch Lücken im Strafgesetzbuch zu identifizieren und Veränderungen anzugehen. Die systematische Frauenverachtung ist in den Sozialisierungsprozessen verwurzelt und genau hier gilt es, gemeinsam anzusetzen."

Shalini Yog ist Programmkoordinatorin für Macro-Economic Policy und Gender im Auslandsbüro der Heinrich-Böll-Stiftung in Neu-Delhi, Indien.

Zuzana Maďarová aus der Slowakei

"Die öffentliche Diskussion zu den Köln Angriffen wurde stark von der bevorstehenden Parlamentswahl im März 2016 geprägt. Für viele Parteien, darunter auch die Regierungspartei, ist Migration das bestimmende Thema ihres Wahlkampfes. Und so wurden die Vorfälle in Köln dazu genutzt, in der Slowakei Angst vor Migrant/innen zu schüren.

Premierminister Robert Fico sagte, es müsse verhindert werden, dass slowakische Frauen wie in Deutschland auf offener Straße belästigt werden. Daher müssten die Schengen-Grenzen besser kontrolliert werden. Um das Land sicher zu halten, müsse verhindert werden, dass sich „kompakte“ muslimische Gemeinden bildeten.

Wir warten in der Slowakei immer noch auf die Ratifikation der Istanbul Konvention. Sie ist Werkzeug, um gender-basierter Gewalt systematisch entgegenzutreten und ihr zuvorzukommen.

Jeden Tag erleben Frauen in der europäischen, katholischen Kultur sexualisierte Gewalt. Gleichzeitig müssen wir Wege finden, Gewalt gegen Migrantinnen anzugehen.

Wir müssen Wege finden, um über reale Probleme zu sprechen, die verbunden sind mit den Situationen von Frauen in Ländern, aus denen viele Migranten kommen."

Zuzana Maďarová arbeitet seit 2005 für die erste feministische NGO "ASPEKT" der Slowakei. Momentan ist sie entsandte nationale Expertin am Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen, Vilnius

Zarqa Yaftali aus Afghanistan

Zarqa Yaftali
"Die sexuellen Übergriffe auf Frauen in Köln wurden breit diskutiert in Afghanistan. Besonders im Hinblick auf Geflüchtete aus Afghanistan.

Weder unser Glaube, noch Gesetze oder soziale Normen rechtfertigen ein solches Verhalten. Es ist eine kriminelle Handlung und muss entsprechend bestraft werden.

In Afghanistan haben wir Recherchen zu sexueller Belästigung angestellt und die Ergebnisse waren erschreckend. Sie ergaben, dass Väter, Brüder, Onkel, Universitätsprofessoren, islamische Gelehrte und Beamte Frauen und Mädchen sexuell belästigen. Sexuelle Gewalt ist also definitiv ein Problem in Afghanistan. Seit 2014 tritt unsere Organisation für eine Kriminalisierung sexueller Belästigung im öffentlichen Raum, am Arbeitsplatz und an Bildungseinrichtungen ein. Eine Verordnung wurde dank unserer Arbeit, vom Frauenministerium angenommen und vom Kabinett beschlossen. Die Regierung steht  jetzt von zivilgesellschaftlicher Seite und von Frauenorganisationen unter Druck. Was uns weiter helfen würde, ist Unterstützung der internationalen Gemeinschaft."

Zarqa Yaftali aus der Badakhshan Provinz in Afghanistan ist Leiterin der "Women and Children Legal Research Foundation (WCLRF)".

Anne Emmanuèle Hassairi aus Tunesien

"Natürlich haben wir von der Diskussion in Deutschland mitbekommen. Auf die maghrebinische Gemeinschaft wurde mit dem Finger gezeigt, sie wurde stigmatisiert, diskriminiert. Dabei ist sexuelle Belästigung auf der Straße ein weltweites Problem, gegen das international zu wenig getan wird. Leider wurden auch die Vorfälle in Köln nur benutzt, um zukünftig Migrant/innen den Flüchtlingsstatus zu verwehren.

In Tunesien gibt es ein Gesetz gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Aber es greift nur bei mehrfachen Versuchen. Man muss also mehrfache Belästigungen über sich ergehen lassen, um eine Anzeige erstatten zu können. Einmal belästigen: das ist leider erlaubt!

Einige Länder haben gesetzliche Maßnahmen gegen inner-eheliche Gewalt erlassen, wie Spanien oder Deutschland. Belgien etwa sanktioniert sexuelle Belästigung auf der Straße. Das alles sind große Fortschritte. Trotzdem braucht es überall weiterhin eine gesellschaftliche Debatte über den Status von Frauen und ihrem Recht, alle ihre individuellen Freiheiten zu leben und dabei gegen alle Formen von Gewalt geschützt zu sein.

Aber Mechanismen zum Schutz von Frauen einzuführen reichen nicht aus. Wir brauchen Präventionsmaßnahmen.

Diese beinhalten Maßnahmen zur Gleichstellung, zur Staatsbürgerschaft, zur Gewaltfreiheit gegenüber Kindern und Jugendlichen. Die Sensibilisierung der Medien und die Sanktion von sexistischen und rassistischen Sendungen sind Teil von Prävention."

Anne Emmanuèle Hassairi ist Vorsitzende der Tunesischen Organisation demokratischer Frauen (ATFD).

Bochra* und Badr* aus Tunesien

"Die Vorfälle von Köln wurden in den sozialen Netzwerken vielfach geteilt. Viele Tunesier/innen haben sich solidarisch gefühlt mit den sexuell Angegriffenen, in Köln sind sogar einige Tunesier/innen aus Solidarität auf die Straße gegangen. Die Tatsache, dass die Medien die Aufmerksamkeit auf die Immigrant/innen und Asylbewerber/innen fokussiert haben, lenkt völlig von dem allgemeinen Problem der Belästigung auf der Straße ab.

Badr

In Tunesien kämpfen mehrere Organisationen gegen diese Art von Gewalt, indem sie den Opfern mit psychologischer und juristischer Hilfe zur Seite stehen. Seit 2012 nehmen wir an einer jährlichen, zehntägigen Veranstaltung teil, in Gymnasien für das Problem der Gewalt gegen Frauen sensibilisiert. Wir sprechen hier mit einigen hundert Gymnasiast/innen.

Ein Kollektiv gegen Belästigung auf der Straße wurde vor kurzem unter dem Namen 'Ein Tag – ein Kampf' gegründet und versammelt verschiedene feministische und LGBT-Organisationen. Unsere Organisation 'Chouf' (arabisch: 'Schau hin') bietet kostenlose Selbstverteidigungskurse für Frauen an.

Ich möchte noch persönlich hinzufügen, dass die Leute, die an den Vorfällen in Köln beteiligt waren, nicht repräsentativ sind für die maghrebinische Gesellschaft und das ihr Verhalten viele Tunesier/innen zutiefst empört hat.“

Bochra ist Teil der LBT-NGO „Chouf“, Badr Vorsitzender von „Damj“, einer LGBT Organisation.
*Aus Sicherheitsgründen bleiben die Nachnamen anonym.

Ramy Khouili aus Tunesien

Ramy Khouili

"Der Fakt, dass in Deutschland so stark auf die Herkunft der Aggressoren geschaut wurde, kann in der Tat von rassistischen und xenophoben Gruppen instrumentalisiert werden. Das tunesische Frauenministerium arbeitet momentan an einem umfassenden Gesetz für den Kampf gegen alle Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Das Gesetz wird Präventionsmaßnahmen, Sanktionen gegen die Täter und Begleitung der Opfer beinhalten. Diese Themen haben Priorität im nationalen Kampf gegen Gewalt an Frauen, besonders gegen sexualisierte Gewalt. Dies ist ein wichtiger Schritt. Doch das Gesetz sollte wirklich umfassend sein, so dass es auch an die Wurzel der Gewalt geht, nämlich die gesellschaftliche akzeptierte Ungleichheit von Frauen."

Ramy ist Teil des Euro-Med Menschenrechtsnetzwerks, Tunis Büro und arbeitet als Politikberater für den Mahgreb.

Lidia Balogh aus Ungarn

Lidia Balogh

"Als Reaktion auf Köln waren in Ungarn zwei Sichtweisen dominant: Links-liberale Stimmen betonten die Relevanz des globalen Problems von Gewalt gegen Frauen und wählten einen 'farbenblinden' Ansatz. Die Rechten und Konservativen (im Einklang mit der Regierungsrhetorik und -politik) erachten 'Migration als Bedrohung für Europa' und fordern 'Ehrlichkeit' im Umgang mit den Vorfällen.

Ein paar Stimmen, darunter ich, repräsentierten eine Art gemischte Antwort und schlugen vor, dass die Vorfälle im Rahmen von gender-basierter Gewalt diskutiert werden sollten. Gleichzeitig müsse auch Aufmerksamkeit auf Probleme von sozialer Integration und zu Themen wie nachteiligen Traditionen (z.B. extreme Kontrolle über Frauen) in manchen migrantischen Communities gelenkt werden.

Außer Frage steht, dass eine entscheidende Veränderung im Diskurs stattfand: Vor 'Köln' beherrschte 'victim blaming', also die Anschuldigung des Opfers (wie Frauen angezogen waren, ob sie Alkohol getrunken oder sich  'risikoreiches' verhalten hatten), die ungarische Diskussion. Entsprechend wurde der feministische Ansatz, der sich auf den Täter und sozialen Kontext von Gewalt konzentrierte, stark kritisiert. Das ist nun anders.

Im Mainstream wird neuerdings das Recht betont, dass europäische Frauen sich kleiden oder feiern können, wie sie möchten. Überraschenderweise entstand gleichzeitig ein liberales 'feminist-blaming' mit Slogans wie 'Wo sind die Feministen?' oder 'Warum schweigen die Feministen zu Köln?' Dabei schwiegen die  Feministen gar nicht. Trotzdem hieß es vielfach: 'Köln ist der Fehler von liberalen Feministen, die die Sorgen über Migration und männliche Migranten verschwiegen'. Manche dieser antifeministischen Kommentare kamen einer Hassrede gleich.

Beim Kampf gegen sexualisierte Gewalt, ist die Rolle der Medien und der Bildung hervorzuheben. Frauenverachtende Darstellungen, wie etwa die Beschuldigung der Opfer, 'slut shaming', hält Betroffene häufig davon ab, sich an die Autoritäten zu wenden. Dabei können Medien sehr positiv wirken. Kinder und Jugendliche über ihre Rechte zu Selbstbestimmung, Autonomie und Integrität aufzuklären und zu ermuntern, die Würde des anderen zu respektieren, ist das Schlüsselelement für eine erfolgreiche Strategie gegen sexuelle Gewalt.

Ohne das Leiden der Opfer von 'Köln' und ähnlicher Vorfälle in europäischen Städten schmälern zu wollen, dürfen wir nicht vergessen, dass es viele Missbrauchsfälle innerhalb der 'weißen' deutschen Gesellschaft und genauso wie  innerhalb der Gemeinschaften mit Migrationshintergrund gibt. Westliche Medien tendieren jedoch leider dazu, auf die 'Black-on-White'-Verbrechen zu fokussieren."

Lidia Balogh ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der ungarischen Akademie für Sozialwissenschaften und promoviert an der "ELTE Universität" in Budapest. Der Titel ihrer Dissertation lautet: "'Farbenblind' oder 'Ehrlich'? Rassisch und ethnische Zugehörigkeit als sensible Daten in Nachrichtenmedien"
 

Maryam Bibi aus Pakistan

Deutschland genießt in der Welt einen vergleichsweise guten Ruf, was Menschenrechte angeht. Ereignisse wie in Köln und die anschließende Debatte darüber können diesen jedoch beschädigen. Bevor man das Problem der sexuellen Gewalt Geflüchteten zuschreibt, sollte man genau wissen, wer die Täter waren.

Die Welt verändert sich rasend schnell. Viele Ereignisse, die sich auf regionaler oder nationaler Ebene abspielen, sind direkte Folgen globaler Politik – und die Mehrheit der Menschen leiden massiv unter dieser. Deutschland zählt zu den wenigen Ländern, das seine Arme für Geflüchtete geöffnet hat. Trotzdem scheint es noch ein weiter Weg zu sein, sie auch als Personen mit gleichen Rechten zu betrachten und zu behandeln.

In Pakistan ist sexualisierte Gewalt ein weit verbreitetes Problem. Sexuelle Übergriffe gegen Frauen werden weitgehend als normal angesehen und Zwangsheirat, häusliche Gewalt oder der Missbrauch von Kindern, die zum Arbeiten müssen sind an der Tagesordnung. Die neuen, von der Nationalversammlung verabschiedeten Gesetze, die Rechte von Frauen und Kindern schützen sollen, haben noch zu wenig Rückhalt in der Kultur oder den gängigen Interpretationen von Religion und Glauben. Umso wichtiger ist es, dass die Medien ihrer Verantwortung bei der Sensibilisierung gerecht werden und die Zivilgesellschaft nicht aufhört, gegen die Gewalt zu protestieren und die Bestrafung der Täter einzuklagen.

Veränderung und Emanzipation braucht das Verständnis für lokale Besonderheiten und jeweilige kulturelle Normen und es braucht die Partizipation von Frauen. Ohne sie wird es keinen nachhaltigen Wandel geben.

Maryam Bibi arbeitet für “Khwendo Kor” (Zuhause der Schwestern). Die NGO setzt sich für die Ermächtigung von Frauen ein.

Mamello Matthews aus Südafrika

Mamello Matthews

"Im Falle Südafrikas lässt sich das Ausmaß sexueller Gewalt nur sehr schwer bewerten, da eine Anzeige häufig unterbleibt; Schätzungen zufolge erstatten nur zwischen sieben und 15 Prozent aller Opfer von Vergewaltigungen bei der Polizei Strafanzeige. Sexuelle Gewalt ist in der patriarchalisch geprägten Mentalität tief verwurzelt, was sich auch an Fällen zeigt, in denen lesbische Frauen gezielt Opfer von Vergewaltigungen werden. Bei Vergewaltigungen von unter Zwölfjährigen ist den betroffenen Mädchen in 84 Prozent aller Fälle der Täter bekannt, bei erwachsenen Frauen liegt der Anteil demgegenüber bei  52 Prozent.

Häufig wird sexuelle Gewalt eingesetzt, um die Kontrolle zurückzuerlangen, insbesondere angesichts des sich wandelnden Männlichkeitsbilds in der heutigen Gesellschaft.

Trotz der veränderten Gesetzeslage und der politischen Maßnahmen, die von der Regierung Südafrikas ergriffen wurden, bleibt deren Umsetzung nahezu wirkungslos, da soziale Stereotypen über Vergewaltigungsopfer weit verbreitet sind. Die Regierung muss sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter hinreichend ausgebildet und entsprechend ausgestattet sind, um Sexualdelikte zu ahnden. Zudem müssen Kampagnen ins Leben gerufen werden, die alle Teile der Bevölkerung erfassen, um die öffentliche Wahrnehmung zu verändern. Schuldzuweisungen sind von den Opfern fernzuhalten; das Augenmerk sollte vielmehr auf die Verursacher sexueller Gewalt gerichtet werden."

Mamello Matthews ist derzeit Rechtsreferendarin beim Women’s Legal Centre. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, Erfahrung in ihren Schwerpunktbereichen zu sammeln und die Anwälte bei exemplarischen Gerichtsverfahren und Interessenvertretung zu unterstützen. Mamello hat ihr Jurastudium an der University of the Western Cape mit einem Bachelor of Laws abgeschlossen und anschließend an derselben Hochschule einen Master in Völkerrecht und Menschenrechten erworben. Im Rahmen eines Praktikums bei der südafrikanischen Menschenrechtskommission wirkte sie an Ermittlungen von Menschenrechtsverletzungen mit und führte dabei intensive Recherchen und Feldstudien durch.