„Da ist noch viel zu tun in Dresden!“

Teaser Bild Untertitel
Bühne und Logo der Veranstaltung "Dresden place to be" am 26. Januar 2015 in Dresden auf dem Neumarkt

Tina Siebeneicher ist Grüne Stadträtin in Dresden, Sprecherin für Migration und Integration und arbeitet hauptberuflich als Referentin für Sozialpolitik in der sächsischen Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/Die Grünen. Im Interview berichtet sie darüber, wie Dresden mit der negativen Stimmung gegen Geflüchtete umgeht und zeigt, wie man Bürgerdialoge unter erschwerten Bedingungen führen kann.

Heinrich-Böll-Stiftung: Wie fühlst Du Dich als Grüne in der Hauptstadt von Pegida?

Tina Siebeneicher: Es ist nicht immer leicht hier in Dresden grüne Politik zu machen. Aber ich bin insofern sehr hoffnungsvoll und froh, da wir ja eine Mehrheit im Dresdener Stadtrat haben, als Kooperation zwischen den Linken, der SPD und den Grünen, sodass wir auch eine Chance haben tatsächlich politisch zu gestalten, im positiven Sinne für Geflüchtete in dieser Stadt. Das macht mir Mut als Dresdnerin.

Weniger mediale Aufmerksamkeit als Pegida bekommt die Willkommenskultur für Geflüchtete. Wie sieht diese aus?

 

Tina Siebeneicher ist Grüne Stadträtin in Dresden, Sprecherin für Migration und Integration

Es gibt eine Willkommenskultur, die auch in den letzten Monaten stark gewachsen ist. Wir haben über 20 Stadteilinitiativen, die sich oftmals gegründet haben wenn eine neue Unterkunft vor Ort geplant ist. Wir haben Zahlen, dass sich in Dresden 5.000 Menschen regelmäßig ehrenamtlich für Geflüchtete engagieren und doppelt so viele ab und an. Es gibt definitiv eine sehr große Hilfsbereitschaft. Es ist allerdings nicht immer so leicht gehört zu werden, da der Fokus in der Öffentlichkeit sehr auf Pegida liegt. Auch was die Bündnisse angeht gibt es sehr viel Bewegung in Dresden. „Herz statt Hetze“ und „Dresden-Nazifrei“ sind Bündnisse, die versuchen einen lautstarken Gegenprotest auf der Straße zu mobilisieren. Aber es gibt auch noch weitere, z.B. „Dresden für alle“ und GEPIDA, das steht für: „Genervte Einwohner protestieren gegen Intoleranz Dresdner Außenseiter“ „Dresden - Place to be!“ ist z.B. ein Zusammenschluss aus Wissenschaftlern. Diese Bündnisse haben ganz verschiedene Ansätze wie man für Weltoffenheit und ein Miteinander einstehen kann, z.B. durch ein internationales Picknick auf den Elbwiesen, ein Begegnungsfest im Albertinum oder Konzerte. Wir GRÜNE in Dresden unterstützen viele dieser Aktionen und sind mit dabei.

Dein Ratskollege Johannes Lichdi hat mal gesagt, es gebe in Dresden zu viele "Pegida-Versteher". Teilst Du das? Wie sollte Deiner Meinung nach die Politik in Dresden mit Pegida umgehen?

Ich würde sagen „Pegida-Versteher“ ist zu kurz gegriffen. Was mich schwer beschäftigt ist, dass es in der Dresdner Stadtgesellschaft keine breite öffentliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen Pegida gibt. Also dass von Dresdner/innen stillschweigend akzeptiert wird, was Woche für Woche in Dresden passiert. Bis jetzt ist es auch selten gelungen auf der Straße zahlenmäßig den gleichstarken Gegenprotest zu mobilisieren.

Macht es Deiner Meinung nach Sinn, da zwischen harten Pegida-Anhänger/innen und sog. "besorgten Bürger/innen" zu unterscheiden und auf letztere mit speziellen Dialogangeboten einzugehen?

Ich denke schon, dass man sich sehr genau damit beschäftigen muss, was Pegida da sagt und dass man Pegida definitiv nicht nur als eine Gruppe besorgter Bürger/innen verstehen darf. Eben deshalb nicht, weil sie sich diskriminierend gegenüber anderen Menschen äußern. Und weil sie eine Protestbewegung sind, die nicht auf Dialog aus ist und auch nicht auf eine Lösung, im Sinne von miteinander leben, sondern die auf Abgrenzung und Ausgrenzung setzt. Die Parolen, die man in Dresden jeden Montag hört gegen Politiker/innen, sind in den letzten Monaten immer radikaler geworden und säen eine unheimliche, fremdenfeindliche Stimmung in unserer Stadt.

Und ist es da überhaupt möglich, Vorbehalte und Ängste im Gespräch durch Argumente aufzulösen bei den Bürgerdialogen?

Die Bürgerdialoge sind nur in Ansätzen bis jetzt sichtbar. Wir versuchen von Seiten der Stadt in einen Dialog oder auch in einen Austausch zu kommen, indem wir mehr Informationen geben und Fragen beantworten. Wenn Wohnheime neu eröffnet werden, existieren ganz unterschiedliche Stimmungen und Fragen: Es gibt nicht nur Ablehnung, sondern auch viele offene interessierte Fragen, also wirklich auch ein Bedürfnis, zu erfahren, wie Asylsuchende in der Nachbarschaft leben, wer kommt und ob Hilfe benötigt wird. Dennoch scheint Dresden eine gespaltene Stadt zu sein. Nach wie vor sind die Gespräche sehr konfrontativ und aggressiv, was definitiv mit Pegida zusammenhängt. Es gibt seit kurzem auch von Seiten des Oberbürgermeisters einen Versuch, Bürgerdialoge in der Kreuzkirche zu führen. Da gab es bisher zwei Veranstaltungen. Leider ist man über den Zustand, Positionen zu formulieren, noch nicht groß hinausgekommen. Wirklich miteinander zu reden und einen gemeinsamen Weg zu finden, das ist noch eine Aufgabe. Ich hab das Gefühl: Da ist noch viel zu tun in Dresden!

Welchen Umgang mit Rechts empfiehlst Du aus der Dresdener Erfahrung heraus Kommunalpolitiker/innen anderer Städte und Gemeinden?

Mein Eindruck ist, dass wir von dieser Pegida-Fixierung weggehen sollten. Der produktivere Ansatz ist es, ernsthaft zivilgesellschaftliches Engagement zu stärken. Wir versuchen das in der Stadt, in dem wir zum Beispiel letztes Jahr einen Ehrenamtskoordinator eingestellt haben, also eine Stelle neu geschaffen haben. Das ist für mich der richtige Weg: Leute, die etwas tun wollen unterstützen und mit den Leuten, die Integration und neue Ideen umsetzen wollen, in den Dialog kommen, um unser Zusammenleben in der Stadt zu entwickeln.

Und was genau macht der Ehrenamtskoordinator?

Der Ehrenamtskoordinator für Asyl arbeitet für das Sozialamt. Er berät freiwillige Helfer/innen, Stadtteilinitiativen oder sonstige Einrichtungen, die sich für Geflüchtete einsetzen. Er bündelt Informationen aus den Netzwerken und stellt Infos zum Thema zusammen, die er auf der Website der Stadt veröffentlicht. Dort sieht man auf einen Blick, welche Initiativen es vor Ort gibt oder welche Angebote im Bereich Sport, Sprache, Kultur usw. da sind. Er versucht aber auch, eine Verknüpfung zwischen den Hauptamtlichen und den Ehrenamtlichen, die sich für Geflüchtete engagieren, zu schaffen. Dass jetzt auch zivilgesellschaftlich etwas passiert, ist glaube ich etwas, was man in Ostdeutschland als riesigen Erfolg sehen kann! Zum Beispiel, dass Leute, die sich noch gar nicht kennen, zusammenfinden und gemeinsam etwas für Geflüchtete tun wollen, wie Fahrradwerkstätten eröffnen, Geflüchtete zu Ämtern zu begleiten oder am Wochenende gemeinsam Ausflüge zu machen. Wir sollten die vielen Ideen, die in der Stadtgesellschaft da sind, auf diese Weise fördern.

Das Interview führte Lara Röscheisen.