Die Grünen als eigentlicher Gegner der AfD

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AfD-Kundgebung in Mainz

Identitätsstiftend für die Mitglieder der AfD ist deren Kampfansage an das „links-rot-grün verseuchte 68er-Deutschland“. Alexander Häusler empfiehlt den Grünen, den Fehdehandschuh aufzunehmen und offensiv für demokratische und emanzipative Errungenschaften einzutreten.

Der Erfolg der rechtspopulistischen Partei basiert auf der Mobilisierung autoritärer und nationalistischer Leidenschaften: Als selbsterklärtes Sprachrohr des „Volkszorns“ bietet die AfD einen Resonanzraum für gefühlte Deklassierung, Orientierungslosigkeit, Wut und Hass.

Zugleich wirkt sie als politischer Transformator für ein autoritaristisches[1] Aufbegehren. Deshalb bleiben Faktenwiderlegungen und Aufklärung über extrem rechte Auswüchse der AfD bei einem Teil ihrer Anhängerschaft weitestgehend wirkungslos: Die AfD wird trotz ihrer Entgleisungen, Falschbehauptungen und Skandale gewählt – eben, weil sie diesen Leidenschaften ein Ventil gibt.

Der AfD ist es gelungen, extrem rechte Einstellungen in der deutschen Bevölkerung parteipolitisch zu bündeln. Die rechtspopulistische Partei hat sich zu einem parteipolitischen Dach neurechter und rassistischer Protestmilieus entwickelt und sucht die Allianz mit anderen radikal rechten Kräften in Europa.

Hierbei versucht sie, in die Fußstapfen erfolgreicher extrem rechter Parteien wie dem französischen Front National und der österreichischen FPÖ zu treten und knüpft zudem außenpolitische Kontakte zum autoritären Putin-Regime.

Innenpolitisch führt die AfD als sprichwörtlich reaktionäre Partei einen regelrechten Kulturkampf gegen rot-grüne Reformpolitik und emanzipative soziale Bewegungen: Auf dem AfD-Bundesparteitag Ende Juni 2016 verkündete ihr Bundes-Co-Vorsitzender Jörg Meuthen, die AfD trete an gegen das „links-rot-grün verseuchte 68er-Deutschland“.  Solche Parolen gehörten bislang zum Vokabular der extremen Rechten. Die AfD verkauft sie wieder neu unter dem Slogan „Mut zur Wahrheit“.

Ihre Wählerzustimmung nutzt die Partei für eine Mobilisierung zum reaktionären und nationalistischen Aufstand. Schon vor seiner berüchtigten Dresdener Rede trat der Thüringer AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke mit völkisch-nationalistischen Positionen in Erscheinung: Beim zweiten Treffen der Parteirechten der AfD um die Gruppierung Der Flügel am Kyffhäuser-Denkmal deutete Höcke die aktuelle politische Situation als nationale „Wendezeit“ und formulierte mit nationalistischem Pathos: „Wir haben jetzt 70 Jahre lang Mahnmale gebaut. Es ist hohe Zeit, dass wir endlich wieder Denkmäler errichten!“

Seinen Nationalismus verknüpft der Politstar der völkischen Rechten mit einer unverhohlenen Aufstandsrhetorik:

„Die Geduld unseres Volkes ist zu Ende und schon die alten Römer wussten vom legendären Furor Teutonicus zu berichten. Liebe Freunde, wir lassen uns nicht abschaffen! Wir haben diese Wende eingeleitet, wir wollen diese Wende schaffen und wir werden diese Wende schaffen!“

Rechte Positionierung der AfD in NRW

Doch es war nicht Höcke, sondern der AfD-NRW-Vorsitzende Marcus Pretzell, der die Kooperationen mit radikal rechten Parteien in unseren Nachbarländern vorbereitete.

Sichtbarstes Zeichen war im Februar 2016 ein von ihm vorbereiteter Kongress mit der FPÖ in Düsseldorf, in dessen Folge sich – angelehnt an die Parteifarben – eine „Blaue Allianz“ zwischen AfD und FPÖ entwickelte. Die Entwicklung gipfelte in einen weiteren von Pretzell organisierten Kongress am 21. Januar 2017 in Koblenz, bei dem mit Marine Le Pen, Geert Wilders, Matteo Salvini („Lega Nord“) und Harald Vilimsky führende Vertreter anderer rechtspopulistischer Parteien den öffentlichen Schulterschluss mit Petry und der AfD vollzogen.

Der Co-Vorsitzende Martin Renner der AfD in NRW äußert sich wiederkehrend schärfer als Pretzell. In den Kreisverbänden der Partei kam es an, wenn Renner sich freute, dass die AfD nach ihrem Essener Parteitag die „Bremser“ und „Systemlinge“ endlich losgeworden sei. Dort kam es auch an, wenn er über „70 Jahre des linksideologischen Grauens“ klagte – über „70 Jahre Dekonstruktion unserer Gesellschaft“, die seiner Ansicht nach mit der Re-education nach dem Zweiten Weltkrieg („ein Teil der psychologischen Kriegsführung“) ihren Anfang nahmen.

Ziel der Europäischen Union sei es, „die Nationalstaaten ihrer nationalen Identitäten zu entkleiden“, sagte Renner und wetterte gegen die „zerstörerischen Kräfte der Linken und der Internationalisten“. Auch die „Islamisierung der Gesellschaft“ hat es ihm angetan: Für belegbar hält er es, „dass ein zunehmender islamischer Teil der Gesellschaft niemals in eine freiheitlich-demokratische Grundordnung einzugliedern und zu integrieren wäre“. Eine multikulturelle Gesellschaft sei „der Gegenentwurf einer deutschen Staatsgrundeinstellung“ und werde zu Chaos sowie Barbarei führen, meint Renner und beklagt eine „Transkulturation von Deutsch zum Islam“.

Feindbild grüne „politische Korrektheit“

Auf seiner Facebookseite empfiehlt Renner mit Oswald Spengler (1880 – 1936) gar einen herausragenden Akteur der nationalistischen und antidemokratischen „Konservativen Revolution“ der 20er Jahre zur Lektüre. Im Juli 2016 zitierte er den Mussolini-Anhänger Spengler, versehen mit einer eigenen Anmerkung, so:

„Alle Weltverbesserer und Weltbürger – denke hier ,Gutmenschen' und ,Bessermenschen' (Anmerkung von mir [M. Renner]) – vertreten Fellachenideale, ob sie es wissen oder nicht. Ihr Erfolg bedeutet die Abdankung der Nation (Kultur), nicht zugunsten des ewigen Friedens, sondern zugunsten anderer Nationen (Kulturen).“

Daran schloss Renner an: „Fast könnte man glauben, dass Oswald Spengler bereits in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts Menschen wie Frau Roth, Frau Göring-Eckardt, Frau Künast, Frau Käßmann und wie die Damen alle heißen mögen, in seinem ,BekanntInnenkreis' gehabt haben könnte.“

Die AfD in NRW ist heillos zerstritten und versucht, ihren desolaten innerparteilichen Zustand durch eine eskalierende Politik der Feindbilder zu kaschieren. Daraus lässt sich schließen, dass die durch die Rechtspopulistinnen und -populisten betriebene Verrohung der politischen Debattenkultur noch weiter zunehmen wird.

In einem vertraulichen „Strategiepapier“ werden die Grünen als „eigentliche(r) politische(r) Gegner der AfD“ bezeichnet. Laut Papier stellen die Grünen „als Verkörperung der Irrwege der 68er Generation das ‚Feindbild‘ für viele AfD-Anhänger“ dar: „Sie stehen praktisch für alles, was die AfD ablehnt: Genderismus, selbstgefällige und eigennützige Umweltlobbys, politische Korrektheit, Anpassung an den Mainstream, ,Multikulti‘ etc.“

Daraus leitet die AfD folgende Wahlkampfstrategie ab:

„Wählerstimmen gewinnt die AfD nicht von den Grünen, sondern gegen sie. Insofern sollte die AfD sich sehr klar von den Grünen abgrenzen und sie noch stärker als bisher frontal angehen. Je mehr sie dies tut, desto größere Zustimmung wird sie in ihrem eigenen Potential in allen fünf Zielgruppen finden - und desto mehr wird sie Gegenreaktionen der Grünen provozieren, die der AfD dann wieder zugutekommen.“

Schlussfolgerung für grüne (Kommunal-)Politik: Konfrontative Auseinandersetzung mit rechten Populisten

Eine solche offene Feinderklärung seitens der Rechtspopulistinnen und -populisten weist den Grünen eine Sonderrolle zu. Diese Sonderrolle wird dadurch verstärkt, dass die grüne Partei die mit Abstand geringste Anzahl von Wechselwählerinnen und -wählern an die AfD aufweist. Kurzum: die Grünen werden die wenigsten Wählerinnen und Wähler von der AfD gewinnen und die wenigsten an sie verlieren.

Daraus erwachsen spezifische Möglichkeiten und Anforderungen. Die Grünen können und sollten die ihnen von der AfD zugeschriebene Rolle als Möglichkeit betrachten, in der aktuell polarisierten öffentlichen Debatte als energische Verfechter emanzipativer Errungenschaften in Erscheinung zu treten. In der kommunalpolitischen Arbeit würde eine solche Haltung erfordern, die Interessen von lokalen emanzipativen sozialen Bewegungen und Minderheiten deutlich und öffentlichkeitswirksam zu unterstützen.

Dies beinhaltet eine inhaltlich konfrontative Auseinandersetzung mit rechten Populisten und Populistinnen im kommunalpolitischen Raum, die eine Verdeutlichung demokratischer Werteinstellungen im Unterschied zu undemokratischen und rassistisch/nationalistischen Werteeinstellungen zum Ziel haben sollten.

Ein ebenso entschiedenes wie zugleich kompetentes Entgegentreten stärkt die Wahrnehmbarkeit politischer Unterscheidungsmöglichkeiten und trägt zur Verdeutlichung der Gefahren und Folgeerscheinungen der Politik des rechtspopulistischen Wutbürgertums bei.

Ansonsten gilt für alle demokratischen Parteien, sich nicht von den Rechtspopulistinnen und -populisten die Themen diktieren zu lassen, sondern selbst Akzente für die demokratische Debatte zu setzen.

 Der vorliegende Text komprimiert verschiedene Veröffentlichungen von Alexander Häusler zum Thema.

 

[1] Autoritarismus umschreibt sozialpsychologisch ein Bündel von Einstellung. Dazu gehören: durchgehende Orientierung an Macht und Stärke, Unterwürfigkeit gegenüber Autoritätspersonen, Destruktivität (Zerstörungslust), Selbsterhöhung, starre Konformität: Hängen an Konventionen, Vorurteilen, Stereotypen; Ablehnung von Unbekanntem, Fremden, Individualismus, liberalen Einstellungen, kulturellem Pluralismus. (aus dem Lexikon: Netz-gegen-Nazis.de)