Die Rolle von Unternehmensspenden im US-Wahlkampf

Hintergrund

Demokratische Kandidatinnen und Kandidaten lehnen zunehmend Spenden von sogenannten Corporate Political Action Committees ab. Sie wollen damit den Einfluss, den insbesondere Unternehmen auf die Wahlen ausüben, reduzieren. Doch führt diese Strategie zum gewünschten Ziel? 

Wahlplakate vor einer Schule in Fort Worth, Texas, rufen zur Unterstützung von Beto O’Rourke auf. Sowohl Cruz als auch O’Rourke treten bei der Wahl offiziell unter ihren jeweiligen Spitznamen, Ted und Beto, an.
Teaser Bild Untertitel
Wahlplakate vor einer Schule in Fort Worth, Texas, rufen zur Unterstützung von Beto O’Rourke auf. Sowohl Cruz als auch O’Rourke treten bei der Wahl offiziell unter ihren jeweiligen Spitznamen, Ted und Beto, an.

Die Zwischenwahlen in den USA stehen kurz vor der Tür. Sämtliche Sitze im Repräsentantenhaus und rund zwei Drittel des Senats werden neu gewählt. Laut aktuellen Prognosen könnten die Demokraten die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurückgewinnen. Im Senat stehen ihre Chancen eher schlecht. Vor diesem Hintergrund ist ausgerechnet die Senatswahl in Texas in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt – die Hoffnungen der Demokraten auch im Senat einen Erfolg zu erringen, ruhen zu großem Teil auf Robert Francis O’Rourke.

O’Rourke, ein Abgeordneter aus der Grenzstadt El Paso, der in den USA fast nur unter seinem Spitznamen „Beto“ bekannt ist, tritt am 6. November gegen Amtsinhaber Senator Ted Cruz an. Das gerade ein Kandidat in Texas zum nationalen Hoffnungsträger der Demokraten geworden ist, ist ungewöhnlich, denn der Bundesstaat galt lange als konservative Bastion – seit 1988 haben die Republikaner dort keine Senatswahl verloren. Bei den letzten beiden Senatswahlen gewannen Republikanische Kandidaten mit jeweils 16 und 27 Prozentpunkten Vorsprung. Doch das Rennen zwischen Cruz und O’Rourke ist deutlich enger als erwartet, laut aktuellen Umfragen liegt O’Rourke nur wenige Prozentpunkte hinter Cruz, weshalb die Demokraten weiter auf einen Erfolg hoffen.

Der Wahlkampf zwischen O’Rourke und Cruz ist jedoch nicht nur von strategischer Bedeutung für die Demokraten, welche die Kontrolle im Senat zurückgewinnen wollen. Das Wahlprogram von O’Rourke spricht eine Frage an, mit der sich die amerikanische Politik seit Jahrzehnten beschäftigt: Wer zu Wahlkampfzwecken spenden darf und wie viel. O’Rourke hat Unternehmen und anderen Interessengruppen, die traditionell Wahlkämpfe finanzieren, eine Kampfansage gemacht. Er ist damit Teil einer wachsenden Bewegung unter demokratischen Kandidatinnen und Kandidaten, die sich gegen sogenannte Political Action Commitees (PACs) wenden. PACs sind Organisationen, die Spenden von ihren Mitgliedern sammeln und damit die Kandidatur von bestimmten Politikerinnen und Politikern unterstützen.

Insbesondere haben O’Rourke und gleichgesinnte Demokratinnen und Demokraten es auf PACs abgesehen, die von Unternehmen gegründet werden (Corporate PACS). Sich gegen Interessengruppen zu stellen ist eine beliebte Haltung unter Wählern, sowohl unter Demokraten als auch unter einigen Trump-Unterstützern. Doch wenn es den Kandidatinnen und Kandidaten tatsächlich darum geht, Unternehmen davon abzuhalten, Wahlen zu beeinflussen, dann wird der Kampf gegen Corporate PACs sie diesem Ziel nicht viel näher bringen.

Rekordbrechende Wahlkampfbudgets

Das amerikanische Sprichwort „Everything’s bigger in Texas“ trifft dieses Jahr auch auf die Wahlkampfbudgets der Senatskandidaten zu. Laut dem Center for Responsive Politics, eine Organisation die sich mit Wahlkampffinanzierung in den USA beschäftigt, haben Cruz und O’Rourke zusammen bereits mehr als 95 Millionen Dollar (ca. 84 Millionen EUR) an Spenden gesammelt. Damit ist die Senatswahl in Texas eine der teuersten Wahlen im ganzen Land. O’Rourke hat sich einen deutlichen finanziellen Vorsprung verschafft: Mit mehr als 60 Millionen Dollar hat er mehr Gelder gesammelt als jeder Senatskandidat landesweit und fast doppelt so viel wie Cruz (35 Millionen Dollar). Auch der Zeitraum, in dem O’Rourke Spenden gesammelt hat, ist beeindruckend. Zwischen Juli und Oktober erhielt er über 38 Millionen Dollar an Spenden – ein Rekord in der Geschichte des Senats.

Abgesehen von O’Rourkes klarem finanziellen Vorsprung unterscheiden sich die beiden Kandidaten auch hinsichtlich der Finanzierungsquellen. O’Rourke finanziert seinen Wahlkampf vollständig durch Spenden von Einzelpersonen. Knapp die Hälfte (45%) seiner Gelder sind auf Personen zurückzuführen, die jeweils weniger als 200 Dollar spendeten. Der Rest kommt von Großspendern, die jeweils mehr als 200 Dollar spendeten.[1] O’Rourke hat bisher keinerlei Wahlkampfmittel von PACs bekommen, einschließlich Corporate PACs.[2]

Ted Cruz dagegen finanziert seinen Wahlkampf nur zu 30% aus kleinen Einzelspenden. Der Großteil seiner Spenden stammt aus Großspenden – diese haben bislang 14 Millionen Dollar direkt an seine Wahlkampagne gespendet, zuzüglich Spenden, welche Cruz über sein sogenanntes Joint Fundraising Committee gesammelt hat, das fast ausschließlich Großspenden erhält.[3] Im Gegensatz zu O’Rourke hat Cruz auch 1,2 Millionen Dollar an Spenden von PACs angenommen, die meisten davon Corporate PACs.

Wachsender Widerstand gegen Corporate PACs

Dass Geld und Interessengruppen einen enormen Einfluss auf die US-Politik haben, ist bekannt, und viele Amerikaner stehen diesem Umstand kritisch gegenüber. Laut einer Umfrage des Pew Research Centers glauben 72% der Amerikaner, dass einzelne Großspender einen überproportionalen Einfluss auf die Politik ausüben und 72% sprechen sich für Limitierungen von Spendensummen aus.

Während der Präsidentschaftswahl vor zwei Jahren sprachen Kandidatinnen und Kandidaten auf beiden Seiten des politischen Spektrums das Thema Wahlkampffinanzierung an. Donald Trump machte den Kampf gegen die vermeintliche Korruption in Washington unter dem Slogan „Drain the swamp“ (wörtlich: den Sumpf trockenlegen) zu einem Kernpunkt seiner Kandidatur und finanzierte seine Wahlkampfausgaben zumindest teilweise aus eigener Tasche. Bernie Sanders wetterte von Beginn seiner Kandidatur an gegen Wall Street und Lobbyisten und finanzierte seinen Wahlkampf überwiegend durch kleine Einzelspenden. Seitdem haben viele andere Politikerinnen und Politiker das Thema für sich entdeckt.

Laut Angaben von End Citizens United, einer Organisation die Kandidatinnen und Kandidaten unterstützt, welche sich für striktere Regulationen der Wahlkampffinanzierung aussprechen, haben in dieser Wahlperiode bereits mehr als 200 Kandidatinnen und Kandidaten Spenden von Corporate PACs abgelehnt; 124 von ihnen haben ihre Vorwahlen gewonnen und treten am 6. November bei der Kongresswahl an. Unter ihnen findet man viele politische Neueinsteiger, aber auch einige bekannte Gesichter, wie die Senatorin Elizabeth Warren; und natürlich Beto O’Rourke. Trotz parteiübergreifender Frustration unter Wählern gegenüber dem jetzigen Wahlkampffinanzierungssystem haben sich erst zwei Republikaner diesem Trend, der sich gegen Corporate PACs richtet, angeschlossen.

Doch die Kritik gerade an Corporate PACs ist eher eine Wahlkampfstrategie als ein effektiver Ansatz um das System zu reformieren. Im Durchschnitt stellen Spenden von Corporate PACs einen verschwindend geringen Anteil der Wahlkampfbudgets. Die 1.2 Millionen Dollar, die Cruz von Corporate PACs erhielt, machen nur 3.6% seiner gesamten Spendengelder aus.[4] Zusätzlich ist belegt, dass Corporate PACs traditionell fast nur die Wahlkampagnen von Amtsinhabern unterstützen. Herausforderer wie O’Rourke verzichten also de facto nur auf einen geringen finanziellen Vorteil wenn sie sich öffentlich gegen Corporate PACs stellen.

Kritiker dieser wachsenden Gruppe von Politikerinnen und Politikern, die sich gegen Corporate PACs stellen, weisen auch darauf hin, dass Spendengelder von Corporate PACs nicht aus der eigenen Kasse der Unternehmen stammen, denn direkte Spenden von Firmen an Politikerinnen und Politker oder an ihre eigenen Corporate PACs sind gesetzlich untersagt. Stattdessen sammeln Unternehmen über ihre Corporate PACs Spenden von Angestellten und überweisen diese dann gebündelt an Kandidatinnen und Kandidaten. Hinzu kommt, dass Corporate PACs nur 5.000 Dollar pro Wahl an Kandidatinnen und Kandidaten spenden dürfen, ein winziger Anteil der oft mehrere Millionen Dollar schweren Wahlkampfbudgets.

Ein Überblick des amerikanischen Wahlkampf-Finanzierungssystems

Wenn Corporate PACs also eigentlich kaum eine Rolle dabei spielen, wie Unternehmen Wahlen beeinflussen, warum sind progressive Kandidatinnen und Kandidaten dann auf diese Organisationen so fixiert? Die Antwort auf diese Frage hat mit der Komplexität des US- Wahlkampffinanzierungssystem zu tun. Tatsächlich investieren Unternehmen extrem hohe Summen in den Wahlkampf, jedoch nicht über Corporate PACs, sondern über andere Kanäle – hauptsächlich sogenannte Super PACs und politisch gemeinnützige Organisationen.

Super PACs sind eine Art von unabhängigen Lobbygruppen, die seit der berüchtigten Gerichtsentscheidung Citizens United v. FEC (Citizens United) zunehmend an Bedeutung gewonnen haben. Im Fall Citizens United entschied das US-Verfassungsgericht, dass Unternehmen und Gewerkschaften unbegrenzte Summen für Wahlkampfzwecke ausgeben dürfen, solange diese Wahlkampfaktivitäten nicht mit den Kampagnen von Kandidatinnen und Kandidaten abgesprochen sind. Anstatt also Kandidatinnen und Kandidaten direkt finanziell zu unterstützen, was nach wie vor gesetzlich untersagt ist, können Unternehmen ein Super PAC gründen und dann Werbung für bestimmte Politikerinnen und Politker machen.

Obwohl diese Werbekampagnen laut Gesetz nicht mit den Wahlbüros von Kandidatinnen und Kandidaten abgesprochen sein dürfen, ist die tatsächliche Unabhängigkeit von Super PACs fraglich, da Super PACs oft von engen Bekannten der Kandidatinnen und Kandidaten gegründet werden. Der Super PAC Texans Are, der die Kandidatur von Ted Cruz unterstützt, wird beispielsweise von einem ehemaligen Mitarbeiter von Cruz geleitet. Im Vorlauf der Zwischenwahlen hat Texans Are bereits mehr als 4.4 Millionen Dollar für Werbekampagnen ausgegeben, die O’Rourke attackieren. Insgesamt haben Super PACs bereits mehr als 7 Millionen Dollar zugunsten von Cruz in die Senatswahl in Texas investiert.

Neben Super PACs nutzen Unternehmen auch politische gemeinnützige Organisationen um Wahlen finanziell zu beeinflussen. Zu diesen Organisationen, zu denen auch die National Rifle Association und Planned Parenthood gehören, die beide eine recht klare politische Ausrichtung haben, sind von Steuern befreit und sollen offiziell nicht primär politischen Zwecken dienen[5] – sie sind als sogenannte „social welfare organizations“ bekannt, Gruppen, die sich für das „soziale Wohl“ einsetzten.

Während diese Organisationen nur einen bestimmten Anteil ihrer Budgets für Wahlkampfzwecke ausgeben dürfen, umgehen viele diese Regel, indem sie zusätzlich Werbespots ausstrahlen, in denen sie sich für oder gegen ein bestimmtes Thema aussprechen, z.B. striktere Waffengesetzte ohne dabei explizit Wahlkampfwerbung für einzelne Politikerinnen und Politiker zu machen. Ähnlich wie bei Super PACs können Unternehmen unbegrenzte Summen an politisch gemeinnützige Organisationen spenden und anders als Super PACs müssen diese Gruppen nicht die Identität ihrer Spender preisgeben.

Geringe Hoffnung auf gesetzliche Änderungen

Doch Politikerinnen und Politiker, die der Rolle von Super PACs und politischen gemeinnützigen Organisationen im Wahlkampf kritisch gegenüber stehen, haben einen kleinen Handlungsspielraum. Kongressabgeordnete können die Citizens United Entscheidung des Verfassungsgerichts nicht ändern. Und spätestens seit Amtsantritt des umstrittenen Richters Brett Kavanaugh ist das oberste Gericht mehrheitlich konservativ besetzt, sodass es unwahrscheinlich ist, dass der Fall gerichtlich neu aufgegriffen wird.

Abgeordnete könnten versuchen einen Verfassungszusatz zu verabschieden, um die Auswirkungen der Citizens United Entscheidung rückgängig zu machen, doch dafür wäre eine Zweidrittel-Mehrheit sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus notwendig. Ein solcher Versuch scheiterte in der Vergangenheit, trotz der Unterstützung von 54 demokratischen Senatorinnen und Senatoren. Selbst wenn die Demokraten in den Zwischenwahlen Sitze im Senat gewinnen sollten, so werden es definitiv nicht genug sein um die 67 Stimmen einer Zweidrittel-Mehrheit im Senat selber zu stellen. Unterstützung von Seiten der Republikaner ist nicht zu erwarten, denn diese sehen Wahlkampfspenden mehrheitlich als eine Form von Meinungsfreiheit und damit Begrenzungen auf Spendensummen als verfassungswidrig an.

Kandidatinnen und Kandidaten haben zusätzlich keinerlei Einfluss auf die Ausgaben von Super PACs und politischen gemeinnützigen Organisationen, da sie gesetzlich voneinander getrennt sind. Selbst Politikerinnen und Politiker, die Super PACs kritisieren, können diese nicht davon abhalten für ihre Kandidatur zu werben. O’Rourke bat zum Beispiel Super PACs öffentlich darum, sich aus seinem Wahlkampf herauszuhalten, doch trotzdem haben diese Gruppen mehr als 700.000 Dollar zugunsten O’Rourkes ausgegeben.

Mit einem konservativ-besetzten Verfassungsgericht und einer Spaltung im Kongress zwischen beiden Parteien bezüglich des Themas Wahlkampffinanzierung, ist es unwahrscheinlich, dass Reformen über traditionelle Wege in näherer Zukunft verabschiedet werden. Und die komplexe Struktur des Wahlkampffinanzierungssystems gibt Kandidatinnen und Kandidaten wenig Spielraum sich aktiv gegen Interessengruppen zu stellen.

Indem sie sich speziell gegen Corporate PACs stellen, werden Kandidatinnen und Kandidaten wenig daran ändern können, wie Unternehmen tatsächlich Wahlen beeinflussen. Die Strategie ist zwar beliebt unter Wählern, sie ist aber auch eine der wenigen Möglichkeiten, die Politikerinnen und Politiker haben, um auf das Problem im Wahlkampf-Finanzierungssystem aufmerksam zu machen.

 

[1] Einzelpersonen können maximal 5.400 Dollar pro Wahlperiode an einen/eine Kandidat/innen spenden, 2.700 Dollar für die Vorwahlen und 2.700 für die Hauptwahlen

[2] Bei genauerer Betrachtung von O’Rourkes Spendern fällt auf, dass er Gelder von einer Organisation namens J Street PAC angenommen hat. Der folgende Artikel erklärt warum dies offiziell nicht als PAC Spende gilt: https://www.politifact.com/texas/statements/2018/aug/20/beto-orourke/beto-orourke-says-he-doesnt-accept-pac-donations/.  

[3] Mehr Informationen zu Joint Fundraising Committees findet man unter: https://www.opensecrets.org/jfc/. Und auf der Website der FEC kann man Cruzs Spendenquellen im Detail zurückverfolgen: https://www.fec.gov/data/committee/C00542423/.

[4] Der tatsächliche Anteil von Corporat PAC Spenden an Cruzs Wahlkampfbudget ist etwas höher, da sich sein Joint Fundraising Committee, das Ted Cruz Victory Committee, auch PAC Spenden annimmt.

[5] De facto dürfen diese Organisationen nicht mehr als 49,9% ihrer Gelder für Wahlkampfzwecke ausgeben.