«Das sind meine Leute»

Kainyu Njeri gehört zur Route to Food Alliance in Kenia – ein Land, in dem es ein Recht auf Nahrung gibt und die Menschen trotzdem hungrig ins Bett gehen. Ein Gespräch über die chronische Ernährungsunsicherheit in Kenia und den Versuch, sie zu überwinden.

Kai, seit wann gehören Sie der Route-to-Food-Initiative an und wie haben Sie davon erfahren?

Kainyu Njeri: Ich bin im Oktober 2020 beigetreten, nachdem ich ein Video auf Instagram über giftige Pestizide gesehen hatte. Im Video kamen bekannte kenianische Persönlichkeiten vor, das hat meine Aufmerksamkeit erregt. Ich habe dann die Website gesucht – und wurde Mitglied. Fast ein Jahr später habe ich bereits viele wertvolle Erfahrungen gemacht – nun will ich meinen Freundeskreis dafür gewinnen, mitzumachen.

Kainyu Njeri

Was hat Sie bewogen, dem Bündnis beizutreten?

Ich war gerade aus den USA zurückgekehrt, wo ich mit Landwirt*innen zu tun hatte, die regenerativen Anbau betreiben. Ich war also neugierig, was in diesem Bereich in meinem Heimatland passiert. Ich wollte wissen, wer hier in Kenia die Vorhut regenerativer Landwirtschaft und alternativer Lebensmittelsysteme ist. Als ich den Instagram-Beitrag gesehen habe, dachte ich: «Das sind meine Leute.» Das akti­vistische Element der Initiative hat mich ebenfalls angesprochen. Ich hatte das Gefühl, dass hier etwas passiert, zu dem ich beitragen, woran ich aber auch wachsen kann.

Was will das Bündnis erreichen?

Ein Großteil unserer Arbeit besteht darin, Kenianer*innen über Ernährungssouveränität aufzuklären und zu vermitteln, mit welchen Lebensmittelsystemen sich eine qualitativ hochwertige Lebensmittelversorgung sichern lässt. Man könnte sagen, dass wir über die ‚Food Gates‘ wachen. Mit einer koordinierten Plattform und vereinten Kräften behalten wir den Überblick darüber, was es an Gesetzgebung und politischen Initiativen in Bezug auf unser Recht auf Nahrung gibt. Diese Erkenntnisse wollen wir nutzen, um die Kluft zwischen hochrangigen politischen Gremien und der Realität vor Ort zu überbrücken.

Wie organisiert sich das Bündnis und wer kann beitreten? Erzählen Sie uns ein wenig über die Mitglieder und die Art der Aktivitäten, die die Gruppe als Kollektiv durchführt.

Um ehrlich zu sein, versuche ich das selbst noch zu durchschauen. Ich bin ein neues Mitglied. Ich denke, wir sind noch dabei, uns zu organisieren. Vor Kurzem haben wir die ersten Schritte zur Ernennung eines Organisationskomitees unternommen. Wir sind uns darüber im Klaren, dass wir uns regelmäßig treffen müssen, um die Gespräche in Gang zu halten und Ideen auszutauschen. Das Bündnis ist eine bunt gemischte Gruppe. Wir haben unterschiedliche berufliche und persönliche Hintergründe. Das ist eine großartige Ressource, denn wir können innerhalb unserer Gruppe auf Erfahrung und Fachwissen zurückgreifen. Ein interessantes Nebenprodukt des regelmäßigen Austauschs sind selbstorganisierte kleinere Netzwerke innerhalb unserer größeren Formation.

Wir gehen gegen den Einsatz giftiger Pestizide in Kenia vor und erkunden derzeit den Bereich Saatgutsysteme/GVO, um herauszufinden, wo wir einen Beitrag leisten und Einfluss nehmen können.

Was ist die größte Herausforderung bei der Verwirklichung des Rechts auf Nahrung in Kenia?

Es klafft eine große Lücke zwischen den Bedürfnissen der Bevölkerung und der landwirtschaftlichen Entwicklungsagenda der Regierung, diesen Bedürfnissen gerecht zu werden. Das kenianische Ernährungssystem ist voll struktureller Ungleichheiten, aufrechterhalten durch eine korrupte Volkswirtschaft und eine machtgierige Elite. Wir nutzen Kommunikationsmaterialien und schaffen Räume für Dialog. Damit wollen wir dem Status quo der chronischen Ernährungsunsicherheit ein anderes Narrativ entgegensetzen, damit Menschen erkennen, dass sich gegen Hunger und ungerechte Ernährung durchaus etwas unternehmen lässt. Die Agrarökologie ist dabei der organisatorische Rahmen, in dem wir Lösungen anbieten.

Das klingt nicht nach einer leichten Aufgabe

«Wenn ich es wage, mächtig zu sein, meine Kraft in den Dienst meiner Vision zu stellen, dann wird es immer unwichtiger, ob ich Angst habe», ich zitiere hier Audre Lorde.

Was bedeutet Ihnen die Mitgliedschaft in der Inititaive?

Die Gemeinschaft mit anderen Gleichgesinnten und die Möglichkeit, meine Kreativität zum Ausdruck zu bringen. So habe ich beispielsweise für den UN-Gipfel für Ernährungssysteme ein Video mit dem Titel «Die Sprache der Resilienz» produziert. Der Film dokumentiert, wie wir widerstandsfähige Nahrungsmittelsysteme schaffen könnten, indem wir einheimische Wissenschaft und Weisheit in den Mittelpunkt stellen und insbesondere die Perspektive der Frauen einbeziehen.

Weitere Informationen und wie Sie der Route to Food Alliance beitreten können, erfahren Sie unter www.routetofood.org


Kainyu Njeri ist Regenerative Farm & Food Systems Designer und Mitglied der Route to Food Alliance in Nairobi.

Layla Liebetrau ist leitende Programmkoordinatorin der Initiative Menschenrecht auf Nahrung bei der Heinrich-Böll-Stiftung, Büro Nairobi.

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