Europäische Bodenschutzpolitik

Atlas

Der Schutz von Klima, Wasser, Luft und Artenvielfalt ist durch die Europäische Union (EU) gesetzlich verankert – teilweise schon seit Jahrzehnten. Umfassender Bodenschutz hingegen ist bislang nicht EU-weit in Rechtsform gegossen. Bisherige Versuche wurden torpediert, Projekte blieben zahnlos.

Die deutsche Bundesregierung ist ambitionierter als die EU und will bis 2030 sogar 30 Prozent Ökolandbau erzielen. Bis dahin ist es jedoch noch ein weiter Weg
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Die deutsche Bundesregierung ist ambitionierter als die EU und will bis 2030 sogar 30 Prozent Ökolandbau erzielen. Bis dahin ist es jedoch noch ein weiter Weg

Erst 2006 startete die EU-Kommission eine umfassende Gesetzesinitiative zum Schutz der Böden: Sie sollte Mitgliedstaaten dazu auffordern, Bodenschutz in politische Maßnahmen einzubeziehen, und dadurch verhindern, dass sich der Zustand von Böden weiter verschlechtert. Während sich im Europäischen Parlament eine Mehrheit für diese Bodenrahmenrichtlinie fand, konnte sich der Rat der EU jahrelang nicht auf eine Position einigen. Unter anderem Deutschland, die Niederlande und Österreich blockierten einen entsprechenden Beschluss. Als Grund führten die Länder an, dass die Gesetzesinitiative das Subsidiaritätsprinzip verletzen würde. Das Subsidiaritätsprinzip besagt, dass die EU nur dann handeln soll, wenn die Mitgliedstaaten allein ein bestimmtes Ziel nicht zufriedenstellend erreichen können – und eine gemeinsame EU-Maßnahme demgegenüber tatsächlich einen klaren Vorteil bietet. Im Jahr 2014 gab die EU-Kommission das Unterfangen einer Bodenrahmenrichtlinie schließlich auf.

Bodenatlas 2024 Cover

Der Bodenatlas 2024

Der Bodenatlas beleuchtet in 19 Kapiteln nicht nur die Folgen des weltweiten Verlusts an fruchtbarem Boden, sondern zeigt auch die Potentiale nachhaltiger und gerechter Bodennutzung für den Klimaschutz und die Artenvielfalt.

Der einzige einheitliche Rechtsrahmen für Bodenschutz auf EU-Ebene ist damit nach wie vor die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Mitgliedstaaten. Agrarbetriebe, die finanzielle Mittel aus der GAP beziehen wollen, müssen eine Reihe von Auflagen beachten. Dazu gehört zum Beispiel das Verbot, Stoppeln nach der Ernte abzubrennen, und ein Minimum an Fruchtfolgen einzuhalten. Darüber hinaus können Betriebe für freiwillige zusätzliche Maßnahmen Förderung erhalten.

Bereits in der Vergangenheit gab es oft starke Kritik an der GAP. Fachleute stellen infrage, ob sie nachhaltiges Bodenmanagement ausreichend fördern kann. Die Auflage zur Diversifizierung von Feldfrüchten führte aufgrund von Ausnahmeregelungen und zu niedrigen Referenzwerten bislang nur auf etwa 2 Prozent der EU-Ackerflächen zu einer Veränderung der Bewirtschaftung. Auch stehen für die freiwilligen Förderprogramme für Umweltmaßnahmen häufig nur geringe Mittel zur Verfügung. Obwohl leichte Verbesserungen beim Schutz natürlicher Ressourcen erkennbar sind, steht die GAP unter anderem bei Umweltverbänden weiter in der Kritik. Eine jüngste Analyse kam zu einem ernüchternden Ergebnis – zum Beispiel sind bei den verpflichtenden Umweltvorgaben die Schutzperioden für die vorgesehene Bodenbedeckung im Winter zu kurz. Außerdem hat etwa Deutschland das Pflugverbot in Gebieten, die von Erosion durch Wasser gefährdet sind, auf die Zeit von Dezember bis Mitte Februar beschränkt.

Ein anderes Beispiel für unzureichende Vorgaben sind die Mindeststandards zur Fruchtfolge. Diese sehen nur eine einmalige Änderung der Feldfrucht pro Jahr vor. In der Praxis führt das häufig zu einer Umsetzung, die wenig wirksam für Bodenschutz ist. Ein Beispiel für eine klarere Vorgabe wäre, dass sich die Hauptfrucht von Jahr zu Jahr abwechseln muss. Momentan ist das nicht in allen Mitgliedstaaten der Fall; sie haben zudem die Möglichkeit, selbst Ausnahmen vorzunehmen – unter anderem für kleinere Betriebe. Dazu kommt, dass diese Verpflichtung unter dem Eindruck des russischen Angriffs auf die Ukraine für das Jahr 2023 komplett ausgesetzt wurde. Davon betroffen war auch die Auflage, 4 Prozent der Ackerflächen für Brachen und Hecken zu reservieren. Von beiden hätte der Boden- sowie Artenschutz profitiert.

Die Umsetzung der freiwilligen Maßnahmen ist ebenfalls ernüchternd: Etwa die Hälfte der Maßnahmen bezeichnen Fachleute als weitestgehend wirkungslos. Zu diesem Urteil kommt auch der Europäische Rechnungshof in einem Sonderbericht.

Viele Cross-Compliance-Anforderungen sind unambitioniert formuliert. Sie haben bislang kaum zu Bodenschutz beigetragen
Viele Cross-Compliance-Anforderungen sind unambitioniert formuliert. Sie haben bislang kaum zu Bodenschutz beigetragen

Für einige Zeit sah es so aus, als ob der European Green Deal dem Thema Bodenschutz neue Impulse verleihen könnte. Als die EU-Kommission im Jahr 2021 ihre Bodenstrategie 2030 präsentiert hat, hofften Umweltverbände auf eine Neuauflage der gescheiterten Bodenrahmenrichtlinie – und auf eine klare Kohärenz mit der GAP. Erfüllt haben sich diese Hoffnungen nicht. Der im Sommer 2023 vorgestellte Gesetzesentwurf des Soil Monitoring Law der EU-Kommission sieht weder quantitative Ziele noch konkrete Maßnahmen vor. So wird das Thema Flächenfraß fast völlig ignoriert und es fehlen vor allem verbindliche Reduktionsziele für Neuversiegelung. Auch verpflichtende Anforderungen für das nachhaltige Bodenmanagement fehlen. Statt auf Bodenschutz zielt das Gesetz nun lediglich darauf ab, die europaweite Bestandsaufnahme der Bodengesundheit zu vereinheitlichen. Für die neue Förderperiode der GAP, die ab 2028 beginnt, sollten deshalb verpflichtende Mindeststandards zum Schutz der Böden beitragen und Schlupf­löcher und Ausnahmeregelungen eingeschränkt werden. Auch deutlich bessere Qualitätsstandards für freiwillige Förderprogramme sind nötig: bevor öffentliches Geld fließt, müsste die Wirksamkeit der Programme durch eine wissenschaftliche Analyse dargelegt werden.