Heinrich Böll: Leben und Werk

Sie befinden Sich in "Kapitel 3: Die Nachkriegszeit (1945 - 1951)".

Der Verlag Middelhauve plante einen Erzählband mit insgesamt 43 Texten, die Böll zwischen 1947 und 1948 geschrieben hatte. Letztlich wurde 1950 diese kleinere Publikation, mit lediglich 25 Erzählungen unter dem Sammeltitel "Wanderer kommst du nach Spa..." veröffentlicht. Ein Jahr später erschien der Roman "Wo warst Du, Adam?". Der Verlag brauchte insgesamt sieben Jahre um die erste Auflage von 3000 Exemplare zu verkaufen.

Heinrich Böll über seinen Roman "Wo warst Du, Adam?"

"Alle diese Personen wären natürlich nicht Offizier, nicht Lagerkommandant, nicht Gefreiter oder Major gewesen oder Oberst, aber was hier der Zwang innerhalb einer Armee und für die einer Armee unterworfenen Bevölkerung in einem fremden Land ist, können Sie natürlich verwandelt sich vorstellen innerhalb eines großen Betriebs, innerhalb einer Familie, einer Großfamilie. Sadisten und demütige Menschen, menschliche und unmenschliche, die kommen im Krieg wahrscheinlich schärfer heraus, weil die Befehlsgewalt direkter ist. Sie ist ganz direkt.

Der Ranghöhere kann dem Rangniederen befehlen, Schluß. Während in einem Betrieb oder in einem Stadtviertel oder in einer kleinen Gemeinde, wo die Menschen von jemand tyrannisiert werden, vom Bürgermeister oder vom Pfarrer oder auch von einem Lehrer, die Befehlsgewalt nicht so direkt ist. Insofern sehe ich etwa die Figuren von "Wo warst du, Adam?" verkleidet. Ich könnte sie mir in einem anderen Gewand vorstellen. Ich wiederhole, es ist eine Hypothese, vielleicht eine riskante, wie ich gerne zugeben will.

Ich will nur hinaus auf die, sagen wir, existentiellen Voraussetzungen, unter denen Unterwerfung und Untertänigkeit entstehen. Und da sehe ich das Modell einer Armee, die ja im Frieden für manchen Soldaten schlimmer ist als im Krieg. Für den Soldaten im Frieden, der in der Kaserne hockt und vollkommen ausgeliefert und unterworfen ist, ist die Struktur der Armee härter und schlimmer spürbar als im Krieg. Im Krieg ist der Schrecken, die Ausdehnung auf die Zivilbevölkerung, ein riesiges Problem. Wir brauchen nicht zu streiten über das Schreckliche des Krieges, aber Sie können die gleiche Tyrannei hierarchisch geordnet in einer Schule haben, in einer Pfarre oder Kirche, immer da, wo hierarchische Ordnungen entstehen, wo man Vorgesetzte schafft.

Sie wissen, was ein Vorgesetzter ist, den man jemandem vorsetzt wie die Suppe und sagt: hier friß oder stirb. Vorgesetzte Autorität schafft diese Art von Schrecken, Unterwerfung und Tyrannei. Auch im Zivilleben, auch im Frieden."

(aus einem Interview mit René Wintzen 1978)

aus:
„Eine deutsche Erinnerung“ von Heinrich Böll
© 1979 by Verlag Kiepenheuer & Witsch Köln

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