Die Grünen und die SPD

25. April 2008
Von Ralf Fücks

Von Ralf Fücks, Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung

Wenn der SPD-Vorsitzende vor lauter Verdruss über den Hamburger Modellversuch den Grünen Verrat an der gemeinsamen Sache vorwirft, spricht daraus nicht der enttäuschte Liebhaber – heiße Sympathien für die Grünen hatte Kurt Beck nie. Es ist die alte Arroganz der SPD, die Grünen als entlaufene Kinder der Sozialdemokratie zu betrachten, die selbstverständlich dem eigenen Lager zugezählt werden.

Das stimmt weder historisch noch programmatisch. Die Grünen wurden gegen die SPD gegründet, vor allem im Konflikt mit der Atompolitik und der Stationierung von Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik. Sie verstanden sich als politisches Projekt, das sich der alten Lagerordnung entzog: „Nicht rechts, nichts links, sondern vorn“. Zum grünen  Erbe gehört nicht nur die Ökologie. Neu war auch die Betonung von Eigeninitiative,  Selbstorganisation und kleinen sozialen Netzen, mit denen sie näher am Subsidiaritätsprinzip der katholischen Soziallehre als am sozialdemokratischen Etatismus lagen. Dazu kam ein starkes libertäres Element: Selbstbestimmung und Bürgerrechte gegen staatliche Bevormundung und gesellschaftlichen Konformitätszwang.

Wirtschaftspolitisch verfolgen die Grünen einen Ansatz, der Ordnungspolitik und Markt kombiniert: „So viel Markt wie möglich, so viel Staat wie nötig“ (steht tatsächlich im grünen Grundsatzprogramm). Das Konzept der „Grünen Marktwirtschaft“ markiert eine deutliche Differenz zur sozialdemokratischen Industriepolitik, die nur vom Staat her gedacht ist. Zwar steht bei den Grünen wie bei der SPD die soziale Gerechtigkeit hoch im Kurs. Aber bei ihnen liegt der Akzent stärker auf Chancen- und Generationengerechtigkeit als bei vielen Sozialdemokraten, die vom Fürsorgestaat alter Prägung träumen.

Wenn die Grünen also heute ihre koalitionspolitische Eigenständigkeit betonen, können sie sich auf ihre programmatische Eigenständigkeit berufen. Sie waren auch zu den Hochzeiten von Rot-Grün nie ein Ableger der SPD. Das gilt erst recht heute, da sich die SPD im Sauseschritt von Einsicht entfernt, dass Globalisierung und demographischer Wandel nicht ausgesessen werden können. Die Grünen stehen für Bewahrung durch Veränderung. Wenn die SPD auf Status-Quo-Verteidigung umschaltet, bleibt ihr nur noch das Bündnis mit der Linkspartei. Keine guten Aussichten für 2009. Kurt Beck spürt, dass ihm die politischen Optionen abhanden kommen. Da hätte er gern wenigstens die Grünen im Sack. Aber die sind so frei, sich nach Alternativen umzusehen.

Dieser Beitrag ist am 24. April 2008 in WELT-ONLINE erschienen.