The State of the State: Die Zukunft des Staates

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7. Oktober 2008

9. Dezember 2005

Vieles spricht dafür, dass wir heute an einem Punkt sind, an dem die Bedeutung des Staates als Garant des öffentlichen Interesses wieder stärker hervortritt. Selbstbestimmung und Freiheit werden auch von den Jüngeren nicht mehr als Gegensatz zu einem handlungsfähigen Staat und kollektiven Sicherungssystemen gesehen, sondern als wechselseitige Bedingung. Überhaupt tritt der Zusammenhang zwischen Freiheit und sozialer Teilhabe wieder stärker in den Vordergrund. Der Kampfruf nach „weniger Staat“ und Steuersenkungen bricht sich an den notwendigen staatlichen Vorsorgeleistungen und der Unterfinanzierung der öffentlichen Infrastruktur. In dieser Perspektive geht es nicht um Selbstbestimmung versus Staat, sondern um staatliche Arrangements, die reale Chancen auf Selbstbestimmung eröffnen.

Zugleich wachsen in Bevölkerung und auch in der politischen Klasse selber Zweifel an der Gestaltungskraft von Politik: Die ökonomische Globalisierung mit ihrem Anpassungsdruck auf die „Standortfaktoren“ wird als Einschränkung nationalstaatlicher Handlungsfähigkeit, ja als Bedrohung der Demokratie wahrgenommen. Auch die Europäische Union setzt Normen und Vorgaben, die das traditionelle Modell politischer Souveränität untergraben. Gestaltungsmacht wandert in bürgerferne supranationale Strukturen. Staatliche Politik erscheint vielfach nur noch als Sachzwangverwaltung und Reparaturbetrieb. Das trägt zum schwindenden Vertrauen in der Bevölkerung in Politik und Politiker bei. Das Zutrauen in die Integrität und Kompetenz der politischen Parteien liegt in Umfragen bei ganzen 7%. Auch von Politikern wird beklagt, dass „der Handlungsraum immer weiter schwindet“ (Erhard Eppler).

Wie paßt diese Diagnose einer schrumpfenden Steuerungsfähigkeit von (staatlicher) Politik damit zusammen, daß gleichzeitig die politisch-rechtliche Regelungsdichte über die letzten Jahrzehnte enorm gewachsen ist, parallel mit der Staatsquote am Bruttoinlandsprodukt? Gibt die Politik selbst die Instrumente aus der Hand, mit denen sie auf Märkte und Unternehmen einwirken kann? Und was soll die Forderung nach Wiederherstellung des „Primats der Politik“ konkret bedeuten? Wie weit und wie tief soll die Regelungskompetenz der Politik gegenüber Wirtschaft und Gesellschaft gehen, und wie autonom sollen und müssen Systeme wie Wirtschaft, Bildung und Wissenschaft sein? Wie müssen kollektive soziale Sicherheit einerseits, Selbstverantwortung und Eigeninitiative andererseits ausbalanciert werden? Und wie könnte ein „Dritter Weg“ zwischen Etatismus und Marktliberalismus aussehen? Wo eröffnen sich neue politische Handlungsmöglichkeiten für Bürger und Bürgerinnen jenseits institutioneller Politik?

ReferentInnen

Prof. Dr. Michael Zürn (Hertie School of Governance und Wissenschaftszentrum für Sozialforschung Berlin)
Dr. Willfried Maier (ehem. Senator, GAL-Fraktion B´90/ Die Grünen Hamburg; Vorstand der Grünen Akademie)
Prof. Dr. Birgit Sauer (Universität Wien; Grüne Akademie)
Prof. Dr. Ulrich K. Preuss (Freie Universität Berlin; Hertie School; Grüne Akademie)
Peter Siller(Planungsstab Auswärtiges Amt, Vorstand der Grünen Akademie)
u. a.

Die Jahrestagung wurde im Rahmen der Schriftenreihe der Grünen Akademie veröffentlicht und steht zum Download bereit.