Desertec

Das geplante Netzwerk von DESERTEC.
Quelle: DESERTEC Foundation

23. Februar 2010
Gerhard Knies
Element einer globalen Sicherheitsarchitektur für eine Welt von morgen

Die Menschheit steuert mit Riesenschritten auf eine Bevölkerung von zehn Milliarden zu. Doch schon jetzt sind die natürlichen Kapazitäten für Trinkwasser und Nahrung in vielen Regionen unzureichend. Die fossilen Quellen für Energie gehen ihrem Ende entgegen, und die Aufnahmefähigkeit der Atmosphäre für Treibhausgase wird in 25 Jahren bei einem "Weiter so" erschöpft sein, wenn die globale Temperaturerhöhung auf 2° beschränkt bleiben soll. Steigt sie weiter, drohen sich selbst beschleunigende Klimaprozesse, die eine Verminderung der Tragfähigkeit der Erde für Menschen auf deutlich unter fünf Milliarden mit sich bringen könnte.

Die Menschheit braucht deshalb eine globale Sicherheitsstrategie, die es ermöglicht, zusätzliches Wasser und zusätzliche Nahrung im großen Stil bereitzustellen, die biologische Vielfalt zu bewahren und das Erdklima zu stabilisieren. Eine solche Sicherheitsstrategie sollte darüber hinaus für den armen Teil der Weltbevölkerung, und das sind etwa 80 Prozent, eine nachholende Entwicklung ermöglichen und ein Wohlstandsniveau schaffen, welches das weitere Wachstum der Menschheit zum Stillstand bringen kann.
Ob eine solche globale Strategie gelingen wird, ist offen. Trinkwasser, Ernährung und ein gewisser Wohlstand für alle könnten im Prinzip mit Technologie und zusätzlicher Energie gesichert werden, vorausgesetzt, letztere ist unbegrenzt vorhanden und kann schnell und zu erschwinglichen Kosten verfügbar gemacht werden. Der Erhalt der biologischen Vielfalt und die Stabilisierung des Erdklimas würden voraussetzen, dass der Verbrauch fossiler Energien ab sofort gestoppt wird, während die Beendigung globaler Armut mehr Zeit verlangt.

Da es um die Existenzsicherung für eine Weltbevölkerung von zehn Milliarden geht, erfordert der weltweite Übergang zu erneuerbaren Energien allerhöchste Priorität und Geschwindigkeit. Das Desertec-Konzept, also die Erschließung der bisher ungenutzten Sonnen- und Windenergie der Wüsten im großen Stil, könnte einen solchen Übergang möglich machen. Die Kosten für erneuerbare Energie lägen schon jetzt unter denen der fossilen Energie, wenn deren Umweltschäden eingepreist würden. Die Chancen, einem sich selbst verstärkenden Klimawandel zu entgehen, sind umso größer, je mehr alle erneuerbaren Energien in einem auf maximale Übergangsgeschwindigkeit optimierten Mix zum Einsatz gebracht werden. Kosten spielen bei Sicherheitsfragen normalerweise eine untergeordnete Rolle. Hier zählt Geschwindigkeit – wie bei einem Notarzteinsatz.


Globale Energie-, Wasser-, Klima- und Zivilisationssicherheit


Die Wüsten der Erde empfangen in sechs Stunden so viel Sonnenenergie wie die Menschheit gegenwärtig im Jahr verbraucht. Mit geeigneter Technologie kann dort Elektrizität erzeugt und mit Leitungen über die Erde verteilt werden. Zusätzlich gibt es in mehreren Wüstenregionen Windenergie in exzellenter Qualität.
Entscheidende Eigenschaften der Sonnenenergie der Wüsten für die globale Sicherheit sind:

  • Dank Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung können über 90 Prozent der Weltbevölkerung mit Solarstrom aus den Wüsten versorgt werden.
  • Dank Wärmespeicherung kann Solarstrom aus solarthermischer Stromerzeugung Tag und Nacht geliefert werden.
  • Dank fossiler Notfeuerung ("Hybrid-betrieb") können solarthermische Kraftwerke Leistung zu jeder Zeit garantieren.
  • Und dank Meerwasserentsalzung in Kraft-Wärme-Kopplung kann Trinkwasser für die stark wachsende Bevölkerung in ariden Regionen erzeugt werden.

Bei einer Erschließung der Wüstenpotenziale durch die Industrieländer entstünde somit auch eine kostengünstige Versorgung für die Entwicklungsländer. Alle erforderlichen Technologien sind vorhanden und in langjährigem Einsatz erprobt. Will man im Jahre 2050 etwa 50 Prozent des dann möglichen globalen Stromverbrauchs von 60 Petawattstunden (Deutschland hat jetzt einen Jahresbedarf von 0,5 Petawatt Stunden) durch Solarthermie decken, braucht man zum Aufbau der erforderlichen Solarkraftwerke weltweit eine Produktionsrate von Kollektoren zur Dampferzeugung mit 1 GW pro Tag. Das ist mit industriellen Methoden wie in der Automobilindustrie möglich. Die zeitgerechte Ablösung der fossilen Stromerzeugung über eine mittlere Dauer von 25 Jahren ist also möglich. Die erforderlichen Investitionen fallen in jedem Fall an, ob für fossile, nukleare oder solare Kraftwerke.(1)

Die mit einer Weltbevölkerung von zehn Milliarden Menschen verbundenen Versorgungs- und Stabilitätsprobleme werden lösbar, wenn eine zeitgerechte und weltweite Ablösung der fossilen Energieträger sowohl durch die lokalen erneuerbaren Energiequellen als auch mithilfe des Desertec-Konzepts betrieben wird. Die dafür erforderliche Kooperation der Völker des Technologie- und des Sonnengürtels könnte zu einem wichtigen Element einer globalen Sicherheitsarchitektur für eine Welt von morgen werden.


Gerhard Knies ist Aufsichtsratsvorsitzender der Desertec-Stiftung. Der promovierte Physiker hat beim Forschungszentrum und Teilchenbeschleuniger DESY (Hamburg), CERN (Genf), SLAC (Stanford) und an der Universität von Kalifornien in Berkeley gearbeitet. 2003 gründete er zusammen mit 50 Experten das Netzwerk TREC, Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation. Als dessen Koordinator organisierte er die Entwicklung des Desertec-Konzepts.


Fußnote:
(1) Wenn photovoltaische Stromerzeugung kostengünstig wird, kann sie ebenfalls zum Desertec-Konzept beitragen. Denn diese wird an den guten Strahlungsstandorten in den Wüsten ebenfalls billiger – trotz der dann anfallenden zusätzlichen Übertragungskosten. Für einen hohem Photovoltaik-Anteil ist aber die Stromspeicherung in großem Stil noch zu lösen.

Green New Deal / Great Transformation