Promotionskolleg: "Global Social Policies and Governance" mit Schwerpunkt "Nord-Süd-Beziehungen aus sozial-ökologischer Perspektive"

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Die Heinrich-Böll-Stiftung und die Hans-Böckler-Stiftung schreiben in Kooperation mit dem Promotionskolleg „Global Social Policies and Governance“ an der Universität Kassel insgesamt neun Promotionsstipendien -  davon fünf seitens der Heinrich-Böll-Stiftung - mit dem Schwerpunkt

Nord-Süd-Beziehungen aus sozial-ökologischer Perspektive

aus.

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» Ausführliches Exposé

Die bisherigen nationalen als auch internationalen Antworten auf die globale Finanzkrise und den Klimawandel veranschaulichen, vor welchen Herausforderungen Parteien und zivilgesellschaftliche Kräfte stehen, wenn sie Politiken des sozialen Ausgleichs oder der ökologischen Nachhaltigkeit verfolgen. Trotz der verheerenden Folgen solcher globalen Dynamiken für breite Bevölkerungsschichten kam es bisher nur zu graduellen Kursänderungen; die Bereitschaft, das globale Finanzkapital einzuhegen oder von energieintensiven Wachstumsregimen abzurücken, scheint bisher eher gering. Diese Status- quo Politik blockiert zum einen Entwicklung im Süden, da sie Ressourcenströme aus den kapitalarmen Ländern in die Finanzmetropolen des Nordens fördert; zum anderen bedroht sie über den Klimawandel die Lebensbedingungen eines großen Teils der Menschheit.

Die Dimensionen dieser aktueller Krisenphänomene – Soziales, Ökologie und Ökonomie – sind hierbei auf vielfältige Weise miteinander verwoben und lassen sich nicht mehr getrennt voneinander bearbeiten. So zeigt sich schon heute, dass die Auswirkungen des Klimawandels im globalen wie im lokalen Maßstab bestehende soziale Verwerfungen verschärfen. Dies wird z.B. auf lokaler Ebene hinsichtlich der Bekämpfung ländlicher Armut deutlich: Armut trägt in vielen Ländern des Südens trotz ansteigender Verstädterungsprozesse ein ländliches Gesicht. Armutsreduzierung ist hier unweigerlich mit der Frage der Verteilung von Zugangsrechten zu materiellen Ressourcen wie Boden und Wasser und zu immateriellen Gütern wie Bildung und Gesundheit verknüpft. Im Zuge der Globalisierung nehmen auch die grenzüberschreitenden Verflechtungen zu. So können beispielsweise Beschäftigte im Norden in ihrer Rolle als Konsumenten von prekären Arbeitsverhältnissen im Süden profitieren und zugleich in ihrer Rolle als Produzenten durch den Konkurrenzdruck aus Billiglohnländern gezwungen sein, eine Absenkung der Arbeitsstandards hinzunehmen. Andererseits profitieren Produktionsstandorte im Süden mitunter von hohen Umweltstandards im Norden. Dabei werden jedoch langfristige Zerstörungen der natürlichen Lebensgrundlagen und damit verbundene soziale Implikationen billigend in Kauf genommen.

Trotz des 1992 in Rio verabschiedeten Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung ist es bisher zu keiner nennenswerten Integration von Sozial-, Umwelt- und Wirtschaftspolitiken gekommen ist. Die Ursachen für die Trennung der drei Policy-Bereichen sind vielfältig und nicht alleine auf eine Dominanz von Wirtschaftsinteressen zurückzuführen, sondern auch auf eine Engführung der sozialwissenschaftlichen Forschung, die bisher keine integrierten Konzepte entwickelt hat. Arbeiten, welche soziale, ökologische und ökonomische Prozesse als verschränkt analysieren, sind bislang eher die Ausnahme. Sollen jedoch die Chancen und Hindernisse für die Gestaltung eines international wirksamen Regelwerks in den Feldern der Sozial- und Umweltpolitik stärker ins Interesse von Forschung und Politik rücken, sind über sozial-ökologische Forschungsansätze traditionell dualistische Betrachtungsweisen aufzuheben. Gleichzeitig sind die Nord-Süd-Asymmetrien stärker in den Blick zu nehmen, denn die globalen Ungleichheiten werden über Bumerang-Effekte wie ökonomischer Wettbewerbsdruck, Migration, Sozialabbau, Klimawandel oder Ernährungskrisen für den Norden immer mehr zum direkten Problem und zunehmend zu einer zentralen Konfliktachse im internationalen System. Sozial-ökologische Forschung und die Nord-Süd-Beziehungen, also die wirtschaftlichen, sozialen, politischen, kulturellen und ressourcenbezogenen Beziehungen zwischen den Industrienationen und den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas, stehen darum im Zentrum des Kollegs.

Wissenschaft und Politik sind hier allerdings mit einer besonderen Schwierigkeit konfrontiert: Über die Politikmuster, soziokulturellen und sozial-ökologischen Konstellationen in den Ländern des Südens liegen in vielen Bereichen nur unzureichende Kenntnisse vor. Zusätzlich sind diese Länder auch untereinander sehr heterogen: Neben sich industrialisierende Staaten wie Süd-Korea treffen wir Länder wie Somalia an, die scheinbar nicht einmal über eine zentrale Staatsgewalt verfügen. Diese Vielfalt lässt – auch für zivilgesellschaftliche Akteure – bei der Analyse und Bearbeitung von Problemen die Entwicklung pluraler methodischer und theoretischer Zugänge und Strategien ratsam erscheinen. Meistens werden die Länder des Südens aber nicht in ihrer partikularen „Andersheit“ verstanden, sondern schlichtweg über OECD-Standards und -Erfahrungen bewertet und dann nicht selten als defizitär bzw. unterentwickelt disqualifiziert. Doch ohne ein tiefer gehendes, historisch verankertes Verständnis der Besonderheiten dieser Gesellschaften wird es ebenso wenig gelingen, belastbare internationale Kooperationen wie wirksame internationale Standards zu entwickeln.

Um die formalen und informellen Mechanismen zu verstehen, die einer Anhebung von Sozial- und Umweltstandards entgegenstehen, bedarf es darum eines Analyserahmens, der lokale, (trans-) nationale oder globale Institutionen, Regelsysteme und Verhältnisse als ineinander verflochten analysiert. Denn erst unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Ebenen der Wandlungsprozesse lässt sich verstehen, warum sich Handlungsspielräume öffnen oder schließen und wie die Veränderung globaler Rahmenbedingungen mit lokalen Kontexten interagiert. Umwelt- und Sozialpolitiken sind sowohl historisch und lokal eingebettet als auch zunehmend transnational verfasst. Beides fordert bestehende sozial- und politikwissenschaftliche Analyseansätze heraus.

Benötigt werden darum Studien, die die lokalen Besonderheiten von Ländern und Regionen des Südens in politisch relevanten Feldern der Sozial- und Umweltpolitik erforschen und hierbei gleichzeitig Organisationsperspektiven für zivilgesellschaftliche Akteure sowohl auf der lokalen wie auf der trans- und internationalen Ebene ausloten. Darüber hinaus sind die Chancen und Blockaden für die nationale und regionale Umsetzung von Sozial- und Umweltpolitiken sowie von internationalen Standards im Süden zu prüfen.

Prinzipiell geht es in im Kolleg also um zwei Dimensionen: Zum einen sollen die Grundlagen und konkreten Bedingungen für sozial- und umweltpolitisches Handeln in den Ländern und Regionen des Südens selbst besser analysiert und verstanden werden. Zum anderen soll geprüft werden, ob und wie über politische Steuerung im Bereich der Sozial- und Umweltpolitik die Rückwirkungen des weltgesellschaftlichen Strukturwandels und der hiermit verknüpften globalen Veränderungen auf die OECD und die Länder des Südens interdependent behandelt werden können.

Das Kolleg ist interdisziplinär angelegt und wendet sich insbesondere an Studierende der Gesellschaftswissenschaften. Es wird ein wissenschaftliches Begleitprogramm angeboten, das für alle Kollegiatinnen und Kollegiaten verbindlich ist. Darüber hinaus stehen den Stipendiatinnen und Stipendiaten Arbeitsplätze an der Universität zur Verfügung; es empfiehlt sich daher ein gegenwärtiger oder zukünftiger Wohnort im Einzugsbereich von Kassel.

Darüber hinaus bietet die Heinrich-Böll-Stiftung allen Stipendiatinnen und Stipendiaten im Rahmen der ideellen Förderung ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm an; auch hier wird eine rege und aktive Teilnahme von den Kollegiatinnen und Kollegiaten erwartet. Zudem vermittelt das Studienwerk den Kontakt in die Fachreferate der Stiftung.

Ihre Bewerbung reichen Sie bitte bei der Heinrich-Böll-Stiftung ein. Vermerken Sie bitte auf dem Deckblatt (siehe www.boell.de/studienwerk): „Bewerbung für das Promotionskolleg „Global Social Policies and Governance“ / Heinrich-Böll-Stiftung. Das Informationsblatt mit der ausführlichen Beschreibung der Bewerbungsbedingungen der Heinrich-Böll-Stiftung und den einzureichenden Unterlagen finden Sie auf den Seiten des Studienwerkes der Heinrich-Böll-Stiftung unter www.boell.de/studienwerk. Für die Auswahl der Kollegiatinnen und Kollegiaten gelten die allgemeinen Verfahrensregeln und Förderkriterien des Studienwerks.

Das monatliche Stipendium beträgt 1.150,- € monatlich, zuzüglich gegebenenfalls Familien- und Kinderbetreuungszuschlag sowie auf Antrag Finanzierung von Auslandsaufenthalten.

» Bewerbungsschluss ist der 1. September 2010
» Förderbeginn ist voraussichtlich der 1. April 2011

Für inhaltliche Rückfragen steht Ihnen der Kollegleiter Prof. Burchardt ebenso zur Verfügung wie für die Erstellung von Fachgutachten.
Nehmen Sie bitte Kontakt auf:
Prof. Dr. Hans-Jürgen Burchardt (www.international.uni-kassel.de)

Ausführliche Informationen zum Kolleg (Konzept, Kooperationspartner u.a.) finden Sie unter www.boell.de/studienwerk und unter http://www.social-globalization.uni-kassel.de/allgemeines.php

Zu Verfahrensfragen bzw. zu den Bewerbungsformalitäten wenden Sie sich bitte an:

Heinrich-Böll-Stiftung
Studienwerk
Bärbel Karger
Schumannstr. 8
10117 Berlin
Mail: studienwerk@boell.de
Tel.: 030-28534-400
Fax: 030-28534-409

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!