Ökologische Modernisierung: Investitionen für grüne industrielle Revolution

Kerstin Andreae, MdB und Sprecherin für Wirtschaft in der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen

 

22. September 2011
Stephan Depping

Die hohe Verschuldung von Bund, Ländern und Kommunen setzt der Ausweitung öffentlicher Investitionen enge Grenzen. Wie kann unter diesem Vorzeichen der Übergang zu einer umweltverträglichen und sozialen Wirtschaft gelingen?

Wenn wir von einer grünen industriellen Revolution sprechen, dann geht es uns im Kern um enorme Investitionen, die unsere Wirtschaft und Gesellschaft ökologisch modernisieren. Das wird sehr teuer. So sagt uns z.B. das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik, dass wir allein für die Energiewende rund 233 Mrd. Euro Investitionen brauchen werden. Das ist eine Summe, die die Steuerzahlenden nicht allein schultern können. Hinzu kommt, dass die Schuldenbremse zwar ein konjunkturelles „Atmen“ des Bundeshaushaltes zulässt, Investitionsausgaben aber nicht länger per se verschuldungsfähig sind. Wir brauchen deshalb neue Ansätze, wie wir privates Kapital für den ökologischen Umbau, Netzausbau, Gebäudesanierung, neue Mobilitätskonzepte und die Beseitigung des Investitionsstaus in den Städten und Gemeinden mobilisieren können.

Wer sind die entscheidenden Akteure?

Entscheidend wird sein, dass die Wirtschaft die ökologische Modernisierung vorantreibt und im Wettbewerb die besten Lösungen realisiert, um Ressourcenverbrauch und Umweltverschmutzung schnell und drastisch zu senken. Hier ist der Staat gefordert, klare Leitplanken für höhere Ressourceneffizienz und mehr Umweltschutz zu verankern, den Unternehmen Planungs- und Investitionssicherheit zu bieten und für die Verbraucher die Schwelle für einen nachhaltigen Lebensstil zu senken. Die öffentlichen Haushalte können zudem durch konsequente energieeffiziente und nachhaltige Beschaffung wichtige Nachfrageimpulse senden. Allerdings ist auch jeder Einzelne gefragt, über nachhaltige Konsumstile zum Wandel beizutragen. Für ein höheres Innovationstempo brauchen wir auch ökonomische Anreize. Dabei müssen wir insbesondere die Investitionskraft der mittelständischen Wirtschaft erhalten und stärken und hier Forschung und Entwicklung unterstützen. Ohne die Vielzahl der kleinen und mittleren Unternehmen, ist die ökologische Modernisierung der Wirtschaft nicht zu bewältigen. Wir brauchen ihre Kreativität und Flexibilität. Last but not least suchen in der Staatsschuldenkrise viele große institutionelle Investoren nach sicheren Anlagealternativen. Es hat sich ein milliardenschwerer Anlagestau gebildet. Um diese Gelder in die ökologische Modernisierung zu lenken, haben wir die Idee von Grünen Projekt- oder Infrastrukturgesellschaften entwickelt.

Was sind Grüne Projekt- oder Infrastrukturgesellschaften und welchen Beitrag können sie für den ökologischen Umbau leisten?

Die Gesellschaften sollen privates Kapital einsammeln und damit Investitionsprojekte abwickeln, die die Energiewende voranbringen, wie z.B. Stromnetze ausbauen oder öffentliche Gebäude energetisch sanieren. Die Finanzierung erfolgt über Anleihen am Kapitalmarkt. Diese sollen mit staatlichen Bürgschaften abgesichert werden. Damit bietet sich hier auch eine sichere und ökologische Alternative für die private und betriebliche Altersvorsorge, zu der wir den Bürgerinnen und Bürgern Zugänge eröffnen wollen. Die Gesellschaften sind Eigentum der öffentlichen Hand und sollen die öffentliche Kompetenz für Verwaltungs- und Rechtsfragen bündeln. Klar muss sein, dass hierdurch keine Schattenhaushalte aufgebaut werden dürfen und das die Nachteile von herkömmlichen Public-Private-Partnership (PPP) vermieden werden, wie mangelhafte demokratische Kontrolle, wenig Transparenz und ungleiche Verteilung von Chancen und Risiken.

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Kerstin Andreae ist MdB und Sprecherin für Wirtschaft in der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen

Das Interview führte Stephan Depping, Heinrich-Böll-Stiftung.

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Tagung -
Samstag, 24. September 2011 (10:00 – 17:30 Uhr)
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