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Lobbykampf um die Energiewende

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Es ist erstaunlich, wer in diesen Tagen sein Herz für die Armen entdeckt. Anlässlich der Erhöhung der EEG-Umlage von 3,6 auf 5,3 Cent pro Kilowattstunde fordern Politiker/innen und Wirtschaftsverterter/innen einen sozialen Ausgleich, von denen man es nie erwartet hätte.

Die Speerspitze der Kritiker bildet Wirtschaftsminister Rösler, der seit Tagen in Namen der "Energiearmen" durch die Republik tourt. Dabei war er maßgeblich daran beteiligt, dass es weder verbindliche europäische Effizienzziele gibt, noch Energieunternehmen konkrete Einsparvorgaben erfüllen müssen. Beide Instrumente hätten maßgeblich dazu beigetragen, dass wir alle - auch die Geringverdiener/innen - in der Lage sind, durch konkrete Einsparmaßnahmen weniger Strom zu verbrauchen.

Auch Röslers FDP, sonst nicht gerade bekannt als Fürsprecherin der Unterprivilgierten, sieht in ihrem Positionspapier zur Reform der Förderung erneuerbarer Energien eine „soziale Schieflage“, da Einkommen mit geringen Haushaltseinkommen besonders betroffen sind. Dies entbehrt nicht einem gehörigen Maß an Zynismus. Schließlich musste das Bundesverfassungsgericht die jetzige schwarz-gelbe Bundesregierung zwingen, die Hartz-IV-Regelsätze heraufzusetzen, in welchem auch die Energiekosten enthalten sind. Auch ein flächendeckender gesetzlichen Mindestlohn, der Geringverdiener/innen dazu befähigen würde, ihre Energierechnungen selbst zu tragen, wird von jenen torpediert, die jetzt die soziale Gerechtigkeit entdecken.

Zu ihnen gehört auch der Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie finanzierte neoliberale Think Tank „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaftt“, der sich in seiner flächendeckenden Kampagne „EEG Stoppen“ für den Geldbeutel der Verbraucherinnen und Verbraucher stark macht. Auch seine Argumentation ist doppelbödig. Denn schließlich sind es gerade diese beiden Branchen, die jene für die Wende schädlichen Subventionen erhalten, welche die höheren EEG-Abgaben notwendig machen. Hatte Rot-Grün noch 600 Ausnahmen für besonders energieintensive Unternehmen vorgesehen, sind es inzwischen ca. 2.000 Betriebe. Darunter ein Golfplatz, der Stuttgarter Flughafen sowie diverse Schlachthöfe.

Pikanterweise erhalten damit diejenigen im nächsten Jahr ein Subventionsgeschenk von 4,7 Millarden Euro, die regelmäßig eine Ende des Subventionswettbewerbs fordern und die hohen Strompreise geißeln. Dabei zahlt gerade die Industrie weit geringere Strompreise als die Verbraucher/innen, da sie sich den Strom zu Großhandelspreisen besorgen kann.

Und auch dem Einsatz des Energiekonzerns EON für die Armen fehlt es an Glaubwürdigkeit. Denn ein großer Teil der Strompreiserhöhungen der letzten 10 Jahre ging direkt auf das Konto der Energieerzeuger und bescherte ihnen bis zum „Ausstieg aus dem Ausstieg“ vor einem Jahr Rekordgewinne. Der Strompreis in Deutschland stieg seit 2002 um 10 Cent von 16 auf 26 Cent, davon ging nur 3, 59 Cent auf Kosten der Erneuerbaren. Während des gleichen Zeitraums profitierten die Stromerzeuger massiv von den gesunkenen Beschaffungspreisen an der Börse. Seit 2008 hat sich der Beschaffungspreis für Strom dort annähernd halbiert. Ein Grund dafür: Immer mehr Ökostrom wird an der Börse gehandelt und senkt dort die Preise.

Doch dieser Preisvorteil kommt bei den privaten Verbraucher/innen nicht an. Ein Gutachten im Auftrag der grünen Bundestagsfraktion hat errechnet, dass den Verbrauchern im Jahr 2012 Preisnachlässe im Gesamtvolumen von 3 Milliarden Euro vorenthalten werden. Der Strompreis könnte aktuell zwei Cent die Kilowattstunde niedriger liegen, wenn die Versorger, einschließlich EON, die gesunkenen Einkaufspreise der Vergangenheit entsprechend weitergereicht hätten.

Verarmung durch erneuerbare Energien?

Oft wird in diese Tage auch die soziale Schieflage des aktuellen Gesetzes zu den erneuerbaren Energien bemängelt. Die Häuslebauer, die sich Solarpanele aufs Dach setzen, würden von den „Geringverdienern“ subventioniert. Seltsam, dass sich vorher niemand von diesen Kritiker/innenn beschwert hat, dass der kleine Mann vorher die Rekordgewinne von 4 großen Energieerzeugern finanzierte. Heute erzeugen fast zur Hälfte Privatpersonen und Landwirte den Strom in Deutschland.

Das EEG hat die Stromerzeugung in die Hände vieler kleiner Erzeuger gelegt und sorgt somit nicht nur für eine Verteilung von Wohlstand, sondern auch für mehr Wettbewerb. Und wer an der Stromerzeugung partizipieren will, kann schon mit wenig Geld Mitglied einer der vielen Energiegenossenschaften werden, deren Zahl sich in den letzten drei Jahren vervierfacht hat.

Liest man die Zeitungen dieser Tage, hat man den Eindruck, die Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher stünden im nächsten Jahr kurz vor der Verarmung aufgrund gestiegener Strompreise. Klar ist: Die angekündigten Preissteigerungen sind alles andere als erfreulich. Aber man muss sie ins Verhältnis setzten. Ein Blick auf Preissteigerungen in anderen Bereichen macht deutlich, wie interessengeleitet die derzeitige Aufregung ist. So sind dieses Jahr die Preise von Heizöl um 10, von Benzin um 9 und von Gas um 5 Prozent gestiegen. Die 7-prozentige Erhöhung nächstes Jahr ist somit keine Besonderheit im Energiebereich.

Auch weltweit steigen Strompreise – auch ohne die Energiewende. So bereiten die Stromerzeuger in Großbritannien ihre Kund/innen auf eine 9-prozentige Erhöhung vor, die amerikanischen Strompreise haben sich seit 2004 sogar um 29 Prozent erhöht. Denn in allen industralisierten Ländern müssen die Kraftwerksparks erneuert werden. Das erhöht die Strompreise, denn auch fossile Kraftwerke und besonders Atomkraftwerke sind sehr kapitalintensiv.

Im Unterschied zu anderen Ländern werden die Strompreise in Deutschland allerdings mittelfristig wieder sinken. Denn erneuerbare Energien sind in der Produktion teuer, der Betrieb ist jedoch billig. Denn sie brauchen anders als Kohle- und Atomkraftwerke keinen Brennstoff und senken somit den Börsenpreis. Zudem sinken die Produktionskosten für Erneuerbare rasant, Solarpanele sind heute um die Hälfte billiger als noch 2008.

Ein großer Teil der jetzigen Umlage gehen auf die ersten noch sehr teueren erneuerbaren Anlagen zurück, deren Förderung Anfang des Jahrtausends zugesagt wurde. Diese Kosten entfallen in ca. 10 Jahren. Die Umlage wird dann voraussichtlich wieder sinken, denn die Produktionskosten der erneuerbaren Anlagen, die jetzt ans Netz gehen sind, sehr viel niedriger. Das bedeutet aber auch, dass das sofortige Ende des EEG – wie es z.B. die FDP fordert - die Kosten unmittelbar nur wenig senken würden, da man die wirklich teuren Verpflichtungen schon entstanden sind.

Die höhere Umlage zwingt zum Handeln

Das heißt allerdings nicht, dass wir uns zurücklehnen können. Natürlich bedürfen Geringverdiener/innen und Hartz-IV-Empfänger/innen einer Unterstützung beim Stromsparen. Durch Beratung und finanzielle Unterstützung für effiziente Geräte können sie ihren Stromrechung mindern. Zudem müssen die Hartz-IV-Regelsätze regelmäßig an die gestiegenen Strompreise angepasst werden.

Die soziale Schieflage innerhalb des jetzigen EEG muss behoben werden. Durch die Rückführung der Zahl der priviligierten Unternehmen und der höheren Beteiligung der begünstigten Unternehmen. Denn diese profitieren von den geringeren Strompreisen und können somit auch ihren Beitrag leisten.

Klar ist außerdem, dass wir die Fördermechanismen im EEG weiterentwickelt müssen, damit wir mittelfristig die Kosten der Energiewende im Griff haben. Denn was für die ersten 20 Prozent Erneuerbarer Energien gut war, funktioniert nicht genauso für die nächsten 80 Prozent. Dabei muss eine Überförderung unterbunden sowie die räumliche Verteilung des Ökostromausbaus sowie die Netzintegration verbessert werden.

Dies erfordert Augenmaß und eine ausgiebige Diskussion mit allen Beteiligten. Instrumentelle Schnellschüsse wie die Forderung die Kosten des Ausbaus erneuerbarer Energien mithilfe von staatlich festgesetzten Quoten zu begrenzen, helfen da nicht. Was Quoten anrichten, sieht man in Großbritannien. Dort wird ein solches System gerade wegen zu hoher Kosten und zu geringer Effekte abgeschafft.

Populistische Kostendebatten, wie wir sie diese Tage erleben, instrumentalisieren dagegen die Sorgen der Geringverdiener/innen für ihr Ziel: das Ende der Energiewende.


Dorothee Landgrebe ist ist Ökologiereferentin der Heinrich-Böll-Stiftung. Ihre Themenschwerpunkte sind der ökologische Umbau der Wirtschaft, die soziale Ausgestaltung der ökologischen Wende, sowie die nationalen und europäischen Energie-, Atom- und Klimaschutzpolitiken.