Schon einmal ist die Lausitz Zeugin eines fundamentalen Umbaus geworden. Nach der Friedlichen Revolution brachen Zehntausende Jobs weg. 80 Prozent der Menschen, die 1989 in Cottbus, Hoyerswerda und anderen Orten in Lohn und Brot waren, mussten mindestens einmal einen neuen Beruf erlernen.
Heute, fast 30 Jahre später, stehen wir wieder vor einer Wegmarke. Und wir wissen: Wir müssen es besser machen als damals. Der anstehende Wandel lässt sich steuern und gestalten. Wenn man es will und sich traut. Aber dafür muss die Politik tun, was ihre Aufgabe ist: das Heft des Handelns in die Hand nehmen.
Konkret bedeutet das: Der Bund muss die Lausitz beim Übergang in das Zeitalter jenseits der Kohle unterstützen. Ein erster wichtiger Schritt ist zunächst einmal – so banal das klingen mag – ein flächendeckend schnelles Internet zu installieren, um die Lausitz stärker an Deutschland und die Welt anzubinden. Und damit Firmengründer/innen und Start-ups die Basis für ein erfolgreiches Unternehmen an die Hand zu geben. Auch bei der Mobilität geht es um schnellere Wege: Bislang sind Teile der Bahnstrecken nicht einmal elektrifiziert oder nur eingleisig.
Die Region steckt voller Potenzial: Energie ist das Herz der Lausitz.
Selbst der Fußballclub trägt sie im Namen: Energie Cottbus. Daher sind Impulse aus der Region so essentiell – vom kleinen Zulieferer bis zu den Industrie- und Handelskammern –, auf Energie der Zukunft umzustellen. Das gilt auch für den Kohlekonzern LEAG. Er kann sich entscheiden, ob er auf Kohle oder auf Erneuerbare setzen, ob er Teil der Vergangenheit oder Teil der Zukunft sein möchte.
Der reiche Erfahrungsschatz der Lausitz in der Energiewirtschaft und auch der Chemie sowie ausgebaute Übertragungsnetze sind gute Voraussetzungen, eine Modellregion für erneuerbare Energien aufzubauen, Batterie- und Speichertechnologien zu entwickeln und zu produzieren sowie für virtuelle Kraftwerke und intelligente Netze. Hier kann der Bund gezielt unterstützen, beispielsweise, indem er ein Fraunhofer-Institut für Zukunftstechnologien ansiedelt.
Die Lausitz hat außerdem die Chance, zur internationalen Kompetenzregion für die Renaturierung von alten Tagebauen zu werden. Der Energiekonzern LEAG, die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV) als Behörde zur Nachsorge der ehemaligen DDR-Tagebaue wie auch die Brandenburgische Technische Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg haben die Chance, ihre Erfahrungen bei Kohleausstieg, Strukturwandel und Renaturierung international aufzubereiten.
So kann die Region zum Exzellenzcluster werden. Doch die Politik muss aktiv werden.
Der Bund und die Länder müssen Fördermittel zur Gründung von Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen zur Verfügung stellen, sie müssen sich um die Bahn und die Breitband-Infrastruktur kümmern. Wenn aber der eigene Ministerpräsident lamentiert, bald würden die Lichter ausgehen, schafft das weder Inno-vation noch Vertrauen in die Politik. Stattdessen müssen wir alle an einem Strang ziehen, um die Energieregion Lausitz zu transformieren.
Annalena Baerbock, 1980 in Hannover geboren, ist seit Januar 2018 Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen neben Robert Habeck. Seit 2013 ist die Klima- und Energieexpertin die einzige grüne Bundestagsabgeordnete aus Brandenburg, doch auch schon davor hat sie als Landesvorsitzende die Lausitz kennen und schätzen gelernt.