Ostdeutschland: Foto von einem hohen Haus vor blauem Himmel

«Ja, wir haben eine neue Baukonjunktur»

Raoul Schmidt-Lamontain ist Baubürgermeister von Dresden – und muss damit umgehen, dass seine Stadt wächst.

Uwe Rada: Herr Schmidt-Lamontain, seit einigen Jahren ist die Abwanderung in Ostdeutschland gestoppt. Zu den Gewinnern gehören Städte wie Dresden, Leipzig und Jena. Darf man Ihnen gratulieren?

Raoul Schmidt-Lamontain: Ja, Dresden gehört tatsächlich seit einigen Jahren zu den Städten in Deutschland, in denen die Bevölkerung wächst. Das stellt uns in der Stadtentwicklung und Verkehrsplanung vor große Herausforderungen, ist aber auch eine große Chance.

Nach Dresden und in die anderen großen Städte der neuen Bundesländer zieht es laut Berlin-Institut vor allem die Bildungswanderer und die Berufswanderer. Ältere dagegen zieht es eher in mittelgroße Städte. Ist Dresden auf diese demografische Herausforderung vorbereitet?

Zu uns kommen vor allem die Altersgruppen der 18- bis 25-Jährigen – was auf eine hohe Anziehungskraft für junge Auszubildende, Studierende und Berufseinsteiger hindeutet. Die Stadt Dresden begrüßt diese Entwicklung und ist darauf vorbereitet. Die Ausbildungsbetriebe haben einen hohen Bedarf an Nachwuchskräften, der sich vor allem daraus ergibt, dass stark besetzte Alterskohorten in Rente gehen. Aufgrund der geburtenschwachen Jahrgänge der Nachwendezeit gingen die Nachfrage und die Angebote für Auszubildende bis 2014/15 zurück, wurden seitdem aber wieder ausgebaut, insbesondere an den beruflichen Gymnasien. Die Ausbildungsangebote in den Betrieben und Berufsschulen sind ausreichend vorhanden.

Und die Hochschulen und Universitäten?

Anfang der 2010er-Jahre wurden zudem infolge des Hochschulpaktes die Kapazitäten umfassend ausgebaut. Die Zahl der Studienanfänger stieg in den Jahren 2011 und 2012 deutlich, ging seitdem aber wieder zurück und hat sich erst im letzten Jahr wieder stabilisiert. Aufgrund besagter geburtenschwacher Jahrgänge der Nachwendezeit wird aber für die nächsten Jahre mit keiner erneuten deutlichen Zunahme der Studierendenzahlen gerechnet.

Zuwanderung bedeutet auch Wohnungsknappheit und steigende Mieten. Aber gerade das vergleichsweise günstige Wohnen in Ostdeutschland hat zur Renaissance der Städte und zur Zuwanderung aus dem Ausland und Westdeutschland beigetragen. Was tut Ihre Stadt, um diesen Standortvorteil zu sichern? Noch 2006 haben Sie die städtische Wohnungsbaugesellschaft verkauft, um schuldenfrei zu sein.

Wie viele Großstädte entwickelt sich auch Dresden sehr dynamisch auf dem Wohnungsmarkt. Das ist mit steigenden Mieten und einem Rückgang des preiswerten Wohnungsangebotes verbunden. Um das Wohnungsangebot im preiswerten Segment zu sichern, verfügt die Landeshauptstadt Dresden trotz des Verkaufs der kommunalen Wohnungsgesellschaft im Jahr 2006 über einen Bestand von 10.200 belegungsgebundenen Wohnungen. Darüber hinaus wird das preiswerte Wohnungsangebot gesichert. Die wichtigsten Instrumente sind, das Landesprogramm zur Schaffung von mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnungen umzusetzen sowie eine kommunale Wohnungsgesellschaft zu gründen. Die Wohnungsgesellschaft soll bis 2021 insgesamt 800 preiswerte Wohnungen errichten und bis 2025 auf einen Bestand von 2.500 Wohnungen wachsen.

Wie sieht es mit Neubauten in Dresden aus?

Im Jahr 2016 wurden 2597 Wohnungen neu gebaut, das sind fünf Mal mehr als noch 2010 und über 1.000 mehr als 2015. Im Jahr 2017 sind 4.596 Wohnungen fertiggestellt worden, davon 2.300 im Neubau und 2.296 in der Modernisierung. Ja – wir können in Dresden von einer neuen Baukonjunktur sprechen.

Was genau wird gebaut?

Zurzeit bauen wir vor allem Mehrfamilienhäuser. Zum Vergleich: 2010 waren 25 Prozent der Neubauten Mehrfamilienhäuser, 2016 sind es 75 Prozent. Die Landeshauptstadt Dresden geht für den Zeitraum von 2017 bis 2020 von einem zusätzlichen Wohnbedarf von circa 2.600 Wohnungen pro Jahr aus. Die aktuelle Bautätigkeit zeigt, dass wir in Dresen mit dem Neubau in etwa auf dem Niveau des Wohnbedarfs liegen.


Raoul Schmidt-Lamontain, 41, ist von Beruf Architekt und Stadtplaner. Seit 2015 ist der gebürtige Hannoveraner Beigeordneter für Stadtentwicklung, Bau, Verkehr und Liegenschaften der Stadt Dresden.

Uwe Rada, 1963 in Göppingen geboren, schreibt als Journalist viel über Stadtentwicklung und ist Autor diverser Bücher u. a. zuletzt der Roman «1988»,2017). Er lebt in Berlin-Pankow und im brandenburgischen Grunow.

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