Wissen, was drin ist

Seit über 30 Jahren haben die Grünen einen kritischen, differenzierten Umgang mit Gentechnik. Das wird so bleiben, auch wenn versucht wird, dem Kind einen anderen Namen zu geben.

Wir reden wieder über Gentechnik. Gut so, denn da kommt einiges auf uns zu. Die Industrie nutzt neue Gentechnik wie CRISPR als Vorwand, massiv für beispiellose Deregulierung von Gentechnikrecht und europäischem Vorsorgeprinzip zu werben – quer durch alle Parteien. Diese Strategie verfängt bis in ökologischbewegte Kreise.

Kein Wunder: Neue Technologien sind faszinierend. Innovationen sind Triebfeder für Entwicklung auf technischem, aber auch auf sozial-ökologischem Gebiet. Viele von uns Grünen sind early adopters. Doch wir begleiten Technologien immer mit Blick auf Nachhaltigkeit und Umwelt- und Gesundheitsschutz. Auch bei der Gentechnik sind wir zu einer differenzierten, immer wieder aktualisierten Bewertung gelangt und unterscheiden schon lange: auf der einen Seite geschlossene Systeme und medizinische Anwendungen – auf der anderen Seite gentechnisch veränderte Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen, die unkontrollierbar und nicht rückholbar in Ökosysteme freigesetzt werden. In der Landwirtschaft ist die bisherige Bilanz verheerend. Wir Grünen haben viel dazu beigetragen, dass es in Europa Regeln gibt, die weltweit als vorbildlich gelten – obwohl sie noch besser sein könnten: Prüfungen vor einer Zulassung und Kennzeichnungspflicht. Das bedeutet für Verbraucher/innen: wissen, was drin ist.

Regulierung ist weder Verbot noch Widerspruch zur Forschungsfreiheit

Es liegt auf der Hand, dass gezielte Eingriffe ins Erbgut Gentechnik sind. Der Versuch, CRISPR und Co. mit Tarnbezeichnungen als etwas angeblich ganz anderes an den Gesetzen vorbei auf Äcker und Teller zu schleusen, ist im Juli 2018 vorerst gescheitert, als der Europäische Gerichtshof (EuGH) klargestellt hat, dass auch neue Gentechnik Gentechnik ist. Seither laufen die Gentechnikanhänger/innen und ihre politischen Unterstützer/innen Sturm gegen das Urteil und stellen die Gesetze in Frage. Dabei wird oft suggeriert, das sei ein Gentechnikverbot. Doch Regulierung ist weder Verbot noch Widerspruch zur Forschungsfreiheit. Die gilt – vorausgesetzt, Mensch und Ökosystem werden geschützt –  selbstverständlich auch für Gentechnik. Das bedeutet aber nicht schrankenlose Umsetzungs- und Vermarktungsfreiheit.

Es ist noch viel zu früh, Risiken und Potenziale seriös einzuschätzen. Doch wozu soll es eigentlich gut sein? Am häufigsten werden Welternährung und Pestizidreduktion genannt. Die Versprechen sollten hinterfragt werden. Für die Ernährungssicherheit stehen vor allem gesellschaftliche und wirtschaftliche Faktoren wie Zugang zu Land und Wasser, gesunde Böden, Wissensvermittlung, gerechte Handelsbeziehungen und nachhaltige Konsumstile im Mittelpunkt. Dabei hilft keine Gentechnik.

Auch in Zukunft muss «Gentechnik» draufstehen, wo Gentechnik drin ist

Die Genome-Editing-Instrumente sind sehr mächtige Werkzeuge. Unabhängig davon, wer darin welche Chancen für die Zukunft  sehen mag, haben wir heute die Verantwortung, kommenden Generationen die Freiheit der Entscheidung nicht zu nehmen. Genau das würden wir aber tun, wenn wir jetzt deregulieren. Zukunftssicherheit und Freiheit brauchen viel mehr: saubere Dokumentation und Registrierung, wer welche Veränderungen im Erbgut der Welt vornimmt, verlässliche Rückverfolgbarkeit, Erkennbarkeit und Kennzeichnung der neuen Lebenskonstrukte. Auch in Zukunft muss «Gentechnik» draufstehen, wo Gentechnik drin ist. Wir Grünen müssen und werden die europäischen Regeln für Umwelt- und Verbraucherschutz verteidigen.


Harald Ebner ist Sprecher für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik der Grünen Bundestagsfraktion.

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