Portrait von Matthias Machnig

«Erst einmal ist entscheidend, dass die deutsche Autoindustrie aufgewacht ist»

Wie ökologisch die Mobilität der Zukunft ist, hängt auch davon ab, was mit den alten Batterien von E-Autos passiert. Ein Recyclingsystem gibt es bisher nicht, zumindest keines im großen Maßstab. Der ehemalige SPD-Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig erklärt, warum nicht. Ein Grund: das zweite Leben der Batterie.

Hanna GersmannHerr Machnig, was kostet eine Batterie den Käufer eines E-Autos?

Matthias Machnig: Das hängt von der Reichweite der Batterie ab und liegt bei circa 5.000 bis 10.000 Euro.

Der Preis für das spätere Recycling ist mit drin?

Im Preis für die Batterie sind die Recyclingkosten natürlich nicht enthalten.

E-Autos sollen den Verkehr sauberer machen, das Klima schonen. Aber wie öko sie wirklich sind, steht und fällt damit, dass die Batterien nicht einfach eine Art Sondermüll werden. Denken die Hersteller das Ende nicht richtig mit?

Doch, den Herstellern ist voll bewusst, dass das Batterierecycling von großer Bedeutung ist. Aber ein Schritt nach dem nächsten. Erst einmal ist entscheidend, dass die deutsche Autoindustrie aufgewacht ist. Das war mehr als überfällig. Sie hing jahrelang der Entwicklung hinterher. In China, dem weltgrößten Markt für E-Autos, hat es lange gar kein deutsches E-Auto gegeben. Elektri­fizierung ist ein wichtiger Bestandteil der nachhaltigen Mobilität.

Jetzt will Volkswagen Öko-Weltmarktführer werden und ab 2020 jedes Jahr 100.000 Elektrofahrzeuge auf die Straße bringen, ab 2025 eine Million. Der Konzern reagiert damit auf den Druck, den Verkehr sauberer zu machen.

Aber was wird mit dem Recycling?

Das wird kommen. Es wird sich eine reale Kreislaufwirtschaft entwickeln. Die Batterie enthält wichtige Rohstoffe, die durch Recycling wiederverwendet werden können. Lithium, Kobalt, Nickel, Mangan, Kupfer, Stahl, Kunststoffkomponenten …

… es sind rollende Lager …

… und damit sind sie sehr wertvoll. Ein Großteil der Batterie, 90 bis 95 Prozent, kann recycelt und wieder benutzt werden. Das ist gut, auch für die Versorgungssicherheit bei sehr nachgefragten und kostenintensiven Rohstoffen. Das ist allen klar. Noch in diesem Jahr sollen in der europäischen Ökodesign-Richtlinie und der Batterierichtlinie Standards zur Wiederverwertung festgelegt werden.

Dann wäre es doch sinnvoll, wenn die Hersteller ein Recyclingsystem im großen Maßstab aufbauen würden – warum machen sie das nicht?

Das hat vor allem einen simplen Grund. Die Zahl an Batterien aus E-Autos ist noch sehr gering. In Deutschland gibt es gerade mal 100.000 E-Autos. Da macht das große Investment noch gar keinen Sinn. Allerdings wissen zahlreiche Unternehmen wie der französische Entsorger Veolia oder der deutsche Kupferproduzent und Wiederverwerter Aurubis längst, wie das geht. Das heißt, in der Sekunde, wenn die zu zerlegenden Akkus in größeren Mengen anfallen, wird es genügend Recyclingkapazitäten geben. Das wird ein unverzichtbarer Bestandteil der gesamten Wertschöpfungskette der E-Mobilität sein.

Welche Lebensdauer haben die Akkus?

Im normalen Fall etwa acht Jahre. Das kann aber verschieden sein und hängt zum Beispiel auch davon ab, wie man fährt und wie man lädt. Das ist nicht anders als beim Smartphone oder Laptop auch. Die Batterie wird aus einem Auto ausgebaut und gegen eine neue eingetauscht, wenn sie nur noch 70 bis 80 Prozent der ursprünglichen Kapazität hat, weil damit die Reichweite sinkt. Damit ist sie aber keineswegs unbrauchbar. Stattdessen kann sie dann in ihrem Second Life weiter genutzt werden.

Die Batterie bekommt ein zweites Leben?

Sie kann zum Beispiel als stationärer Zwischenspeicher im Haus weiterverwendet werden, um Strom aus Fotovoltaikanlagen zu puffern. Sie kann auch beim Campen noch Strom liefern. Insgesamt können mit den Batterien erforderliche Speicherkapazitäten vorgehalten werden. Das kann über Jahre funktionieren.

Das würde aber auch heißen, dass Europa bis auf weiteres etwa auf Kobalt aus dem Kongo angewiesen ist.

Für die Rohstoffe gibt es unterschiedliche Herkunftsländer. Richtig ist, dass bestimmte Rohstoffe, die für die Batterien bedeutend sind, nur zu einem Prozent aus Europa kommen. Wir werden das nie zu hundert Prozent decken können. Das Potenzial in Europa für diese Rohstoffe liegt nach neuesten geologischen Studien bei 30 Prozent. Das heißt aber, dass neue Minen erschlossen werden müssten. Dabei stellen sich dann Akzeptanz- und Genehmigungsfragen.

Das heißt?

Es gibt intensive Forschungsanstrengungen, wie der Anteil kritischer Rohstoffe reduziert werden kann, ohne die Leistungseigenschaft der Batterien einzuschränken. Zudem muss dafür gesorgt werden, dass bei der Gewinnung der Rohstoffe der ökologische Fußab­druck gemindert und Menschenrechtsstandards eingehalten werden. Das ist aus Gründen der Akzeptanz für Elektromobilität zwingend.

Was ist geplant, wenn Umwelt- und Arbeitsstandards missachtet werden?

Die Bundesregierung hat einen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte auf den Weg gebracht, in dem Standards formuliert sind. Diese werden überprüft und müssen, falls erforderlich, dann auch rechtliche Qualität bekommen.

Mit einem guten Recycling wäre allen schon viel geholfen. Aber bislang ist das mühsam. Lithium geht verloren …

… die Qualität des Recyclings muss verbessert werden, es geht um eine umfassende Industrialisierung des Prozesses.

Die schweren Batterien sind auch brandgefährlich. Sie müssen wie Gefahrgut transportiert werden, damit sich unvollständig entladene Batterien nicht erhitzen und womöglich Feuer fangen.

Für die Transporte gibt es in Europa unterschiedliche Standards und Systeme. Wir brauchen einheitliche und verbindliche europäische Standards.

Werden die Hersteller denn einheitliche Typen entwickeln, um das Recycling zu erleichtern? Bisher ist es eher ein Betriebsgeheimnis, wie eine Batterie aussieht.

Es wird unterschiedliche Batterie-Systeme in Fahrzeugen geben. Notwendig ist, unabhängig von verschiedenen Batterietypen ein umfassendes Recyclingsystem aufzubauen und sicherzustellen.

Was ist mit Akkus von E-Rädern, die werden gesondert recycelt?

Ja, das sind ganz andere Zellen. Und diese kleineren Batteriespeicher gehen schon heute
in einen Recyclingprozess.

Am Ende landen dann aber alte, ausgesonderte E-Autos in Afrika oder Osteuropa – was passiert dann mit den Batterien?

Von einem Gebrauchtwagenmarkt von E-Fahrzeugen sind wir noch Jahre entfernt. Wie sich ein solcher Markt entwickeln wird, ist gegenwärtig nicht zu prognostizieren.

Umsonst wird das Batterierecycling in jedem Fall nicht. Werden das Batterieproduzenten, Autokonzerne oder bisher oft mittelständisch geprägte Recyclingunternehmen errichten?

Bis 2024 wird das schwedische Start-up Northvolt, gegründet von zwei ehemaligen Tesla-Managern, in Nordschweden 32 Gigawattstunden Batteriezellkapazität aufbauen. Dabei existieren auch Überlegungen, Recycling zu integrieren und zu einem Geschäftsfeld auszubauen. Es ist das erste und bislang einzige europäische Unternehmen, das in die Batteriezellproduktion einsteigt.

CATL, der Batteriehersteller Contemporary Amperex Technology, ist Weltmarktführer bei der Produktion von Speicherzellen für Autos, Busse und lokale Energiespeicher. Er wird voraussichtlich ab 2020 auch in Thüringen produzieren.

Das ist aber ein chinesisches Unternehmen. Die Sache ist doch: Schaffen wir es in Europa nicht, eine eigenständige Batteriezellenproduktion aufzubauen und einen wichtigen Teil der Wertschöpfung im Automobilsektor auch in Europa und in europäischen Unternehmen zu halten, ist der Premiumstandort gefährdet. Er wird dann nicht mehr an der Spitze der technologischen Entwicklung stehen. Damit gingen etwa 30 Prozent der Wertschöpfung von Fahrzeugen verloren, und es droht eine Abhängigkeit von asiatischen Produzenten.

Die Kohlekommission hat vorgeschlagen, in der Lausitz und auch in Helmstedt das Batterierecycling voranzubringen – wie viele Jobs bringt das?

Das lässt sich noch nicht seriös sagen. Dafür gibt es aber eine interessante Zahl, die die Europäische Kommission nennt.

Die Zahl heißt?

Die gesamte Wertschöpfungskette der Batterie – von Rohmaterialien über Produktion, Second Life und Recycling – wird bereits im Jahre 2025 allein in Europa ein Volumen von 250 Milliarden Euro haben. Die Kommission rechnet mit etwa 3 Millionen Arbeitsplätzen, die so entstehen könnten. Das zeigt die Dimension. Und 2025 ist erst der Anfang. Danach wird noch einmal massiv investiert werden müssen, soll der Bedarf an Batteriezellen für 
E-Autos und andere Stromspeicher gedeckt werden.


Matthias Machnig, SPD, früherer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, ist heute Mitglied der Geschäftsleitung von InnoEnergy. Das europäische Unternehmen ist Investor von Start-ups, Energie, Greentech, Mobilität. Machnig leitet die Industriestrategie. InnoEnergy hat im Auftrag der EU-Kommission die Europäische Batterieallianz mit inzwischen 200 Unternehmen aufgebaut. Am Ende soll eine Wertschöpfungskette für Batterietechnologie stehen.

Hanna Gersmann arbeitet als Journalistin im Büro «Die Korrespondenten» für zahlreiche Zeitungen. Zuvor war sie u. a. Chefredakteurin des FUTURZWEIMagazins der taz.

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