Chinas neue Freunde

Die Infrastrukturprojekte der Neuen Seidenstraßen, eng verknüpft mit Handels- und Investitionsabkommen, ­tragen auf vielfältige Weise dazu bei, die wirtschaft­lichen und politischen Kräfteverhältnisse zu verschieben – auch wenn Peking stets Vorwürfe eines «Infrastruk­tur-Imperiums» oder geopolitische Intentionen abstreitet. Einige Länder helfen China dabei.

Vertreterinnen und Vertreter von über 100 Ländern, darunter 37 Staatschefs, und zahlreicher internationaler Organisationen ­waren im April 2019 zum zweiten Belt and Road Forum in ­Peking angereist – ein eindrucksvolles Bild, wie die Regierung mit den Neuen Seidenstraßen Verbündete gewinnt. Geopolitisch, so viele Beobachter, schafft sie damit ein Gegengewicht zur früheren Dominanz der USA in der asiatisch-pazifischen Region.

In Europa treffen sich hochrangige chinesische Regierungsvertreter regelmäßig mit Staats- und Regierungschefs südost- und osteuropäischer Länder, viele davon EU-Mitglieder und Kandidaten für den EU-Beitritt, zu den sogenannten 17+1 Gipfeln. Ein Schwerpunktland ist Serbien, wo chinesische Konzerne mehrere Infrastrukturprojekte durchführen und ein Stahlwerk und eine Kupfermine übernommen haben. Der tschechische Staatspräsident Milos Zeman sieht in BRI die Chance zu größerer «nationaler Unabhängigkeit» gegenüber Ermahnungen und Vorschriften aus Brüssel, Ungarns Viktor Orban lobt sie wegen des «gegenseitigen Respekts und wechselseitiger Vorteile». Im März 2019 suchte mit Italien erstmals ein gewichtiges EU-Land eine engere Zusammenarbeit.

Nicht nur in Osteuropa sind es häufig autoritäre, illiberale und populistische Regierungen, bei denen China offene Arme ­findet. In Südostasien hat Peking inzwischen verlässliche Verbündete in Kambodscha, Thailand und den Philippinen, in Zentralasien in ­Kasachstan und in Russland. Solche neuen Bündnisse und Netzwerke zahlen sich aus: Ungarn und Griechenland verhinderten EU-Resolutionen, in denen Menschenrechtsverletzungen durch China verurteilt wurden, südostasiatische Regierungen eine geschlossene Ablehnung von Chinas territorialen Ansprüchen im Südchinesischen Meer, obwohl sie gegen internationales Recht verstoßen.

Auch die aktuelle Kontroverse um den Mobilfunkkonzern Huawei illustriert, dass Infrastruktur keineswegs politisch neutral ist. Dessen Kontrolle über den neuen 5G-Standard hat Sicherheitsbedenken und heftige Gegenreaktionen zahlreicher Regierungen ausgelöst. Der Einfluss chinesischer Unternehmen auf Digitale Seidenstraßen, Stromnetze und Transportverbindungen birgt die Möglichkeit, eigene Interessen voranzubringen und Konkurrenten Steine in den Weg zu legen. Besonders die Hafenprojekte, beispielsweise im Indischen Ozean, könnten auch als Stützpunkte für ­Chinas wachsende Marine genutzt werden.

Am Roten Meer in Dschibuti besteht bereits die erste ausländische chinesische Marinebasis. Ein besonders erbitterter Gegner ist deshalb die Regionalmacht Indien, die sich von China eingekreist fühlt und die Seidenstraßen als neokoloniales Projekt kritisiert, das die Souveränität der Länder beeinträchtigen würde.
So tragen die Infrastrukturprojekte, eng verknüpft mit Handels- und Investitionsabkommen, auf vielfältige Weise dazu bei, die wirtschaftlichen und politischen Kräfteverhältnisse zu verschieben, auch wenn Peking stets Vorwürfe eines «Infrastruktur-Imperiums» oder geopolitische Intentionen abstreitet. Gleichzeitig wird aber auch der Anspruch erhoben, die Beziehungen zwischen den Großmächten neu zu regeln. Dafür sind die Neuen Seidenstraßen ein Baustein.


Uwe Hoering schreibt unter anderem zu Chinas Rolle in der Globalisierung und hat im Sommer 2018 das Buch «Der Lange Marsch 2.0» über die Neuen Seidenstraßen veröffentlicht (VSA:Verlag Hamburg). Er ist Vorstandsmitglied der Stiftung Asienhaus in Köln.

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