«Private Gewinne, öffentliches Risiko»

Markus Henn von WEED erklärt, warum die Errichtung von Infrastruktur im Rahmen einer Öffentlich-Privaten Partnerschaft keine gute Idee ist.

Bei Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP) übernimmt ein privates Unternehmen den langfristigen Betrieb einer Infrastruktur, in der Regel nach deren Bau oder Sanierung. Das Unternehmen, so die Theorie, bringe überlegenes Wissen mit und könne Projekte damit schneller bauen sowie besser betreiben als die öffentliche Hand. Auch löse man so das Finanzierungsproblem angesichts hoher öffentlicher Schulden und könne Kostenrisiken auf den Privatsektor verlagern.

Nach inzwischen durchaus langer Erfahrung mit ÖPP kann man sagen: Diese Theorie ist nicht zu halten – auch wenn es gar nicht so leicht ist, sich ein Urteil über ÖPP zu bilden, denn die Verträge sind fast immer geheim. Das ist an sich in einer Demokratie ein unhaltbarer Zustand und fördert Missbrauch und Misswirtschaft zugleich.

Doch trotz aller Geheimhaltung gibt es Erfahrungswerte und Auswertungen von Behörden, die Zugang zu allen Dokumenten haben. So schrieben in einer Stellungnahme die Rechnungshöfe der Länder und des Bundes 2011: «Häufig wurden fehlerhafte oder überzogene Einschätzungen bei den Risikokosten für die konventionelle Beschaffungsvariante festgestellt. Dagegen wurden die beim Auftraggeber verbleibenden Risikokosten der ÖPP-Variante zu gering eingeschätzt.»

Der Europäische Rechnungshof wertete ÖPP in vier EU-Ländern aus und urteilte 2018: «Ähnlich wie bei konventionellen Projekten traten auch bei der Mehrzahl der geprüften ÖPP-Projekte erhebliche Ineffizienzen in Form von Verzögerungen in der Bauphase und beträchtlichen Kostensteigerungen auf.» Die Risikozuweisung zwischen öffentlichen und privaten Partnern sei «oftmals nicht angemessen, nicht kohärent und nicht wirksam» gewesen. Einer der besten Kenner von ÖPP in Deutschland ist Holger Mühlenkamp, Professor für Betriebswirtschaftslehre und Rektor an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften. Er kam 2019 zu dem Schluss: «Summa summarum ist das Fenster für wirtschaftliche ÖPP bei korrekter Berechnung relativ klein – was im Übrigen viele unabhängige empirische Untersuchungen ebenfalls nahelegen.»

Mühlenkamp kritisiert dabei unter anderem die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen, weil sie die Transaktionskosten nach Vertragsabschluss nicht berücksichtigen und falsche Bewertungen vornehmen würden. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die gescheiterte PKW-Maut. Dort betrug der Kostenvorteil der ÖPP-Variante nur 3,8 Prozent. Aber selbst dieser geringe Vorteil ergab sich nur, weil für die öffentliche Variante unrealistisch hohe Portokosten angesetzt wurden. Mühlenkamp weist zudem auf die – zumindest für Deutschland – zwingend höheren Finanzierungskosten von ÖPP hin: Kein Unternehmen bekommt so günstig Kredite wie die öffentliche Hand.

Die Politik wählt die Variante ÖPP oft nur, weil sich die Kosten besser im Haushalt verstecken lassen. Während der Kredit für ein öffentliches Projekt klar ausgewiesen und der Schuldenbremse unterworfen werden muss, werden ÖPP-Zahlungen oft nicht als echte Schulden ausgewiesen.

Den oft nur geringen, angeblichen Kostenvorteilen von ÖPP stehen hohe Risiken entgegen, wenn ein unvorhergesehenes Ereignis eintritt oder der private «Partner» pleitegeht. Letzteres geschah 2018 zum Beispiel im Fall des britischen Baukonzerns Carillion, der viele ÖPP-Projekte betrieb, darunter auch Schulen. Im Fall einer solchen Pleite muss die öffentliche Hand einspringen und die Kosten tragen – nachdem das Unternehmen lange Gewinne eingestrichen hat.

In ärmeren Ländern sieht es nicht besser aus. Zwar leistet der Staat dort oft nicht genug, aber ÖPP lösen dieses Problem nicht. Das zeigt der Bujagali-Damm am Viktoriasee in Uganda. Dort gewährte man dem privaten Betreiber eine teure Abnahmegarantie, wodurch die Strompreise nun über Jahrzehnte hoch sind. Zugleich kann man gut sehen, wie viel Geld mit ÖPP zu machen ist: Einer der Investoren, der US-Fonds Blackstone, verkaufte 2018 nach zehn Jahren seinen Anteil mit einer Rendite von 250 Prozent.

Ein anderes Beispiel ist das milliardenschwere Kohlekraftwerk Tata Mundra in Indien. Dort ergab sich die Rentabilität des Projekts durch billige indonesische Kohle. Nachdem Indonesien aber seine Kohleexporte verteuerte, lohnte sich das ÖPP für den privaten «Partner» nicht mehr. Doch statt für seinen Fehler selbst zu zahlen, verhandelte er nach und bekam mehr Geld vom Staat. So sieht die «Risikoverteilung» aus! Und derartige Nachverhandlungen sind keine Ausnahme, sondern typisch für ÖPP. Einige enden vor den investorenfreundlichen internationalen Schiedsstellen.
Der Trend in Deutschland und international ist noch weitgehend ungebrochen eine Förderung von ÖPP, besonders im Energie- und Transportsektor. Doch wichtige Infrastruktur sollte öffentlich betrieben werden.


Markus Henn ist Referent für Finanzmärkte bei WEED – Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung e.V.

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