Die Natur braucht Schutz

Wenn wir den Planeten als lebenswerte Umwelt erhalten wollen, müssen wir unser Rechtssystem weiterentwickeln.

Wenn wir den Planeten als lebenswerte Umwelt erhalten wollen, müssen wir unser Rechtssystem weiterentwickeln: Die Rechte von «Mutter Erde» sind bereits in den Verfassungen Ecuadors und Boliviens verankert – das kann nur ein Anfang sein.

Der Mensch gefährdet mit seinem Verhalten das Überleben seiner Art auf unserem Planeten. Doch diese Erkenntnis hat bislang nicht dazu geführt, dass die Biosphäre ausreichend geschützt wurde. Der Schwerpunkt der Politik lag und liegt bei der Garantie wirtschaft­licher Freiheiten und Rechte. Eigentumsrechte und Konsumentenfreiheiten wiegen regelmäßig schwerer als die Lebensrechte von Tieren und Pflanzen und ganzer Ökosysteme. Dabei wissen wir ganz genau was zu tun ist, um das Leben zu schützen. Ohne eine Weiter­entwicklung unseres Rechtssystem kann diese Übung aber nicht gelingen.

Bisher ist die Natur und sind Lebewesen in unserem Rechtssystem rechtlose «Sachen» und «Objekte». Doch wer keine Rechte hat, kann sich auch nicht wehren.  Die weltweite Bewegung, die für die Rechte der Natur kämpft, fordert daher eine Stärkung ihrer Rechtsposition. Es geht dabei aber vor allem auch darum, zu verstehen, dass wir alle nur ein kleiner Knoten im Netz des Lebens sind und dass Menschenrechte nur Sinn ergeben, wenn wir das Recht aller Lebewesen auf Leben anerkennen und respektieren.

Für Nichtjuristen mag sich die Forderung nach Rechten der ­Natur seltsam anhören. Doch das Erstreiten der Rechte «juristischer Personen», die nicht für sich selbst sprechen können, ist vor unseren Gerichten gang und gäbe, wenn es darum geht, die Belange von Institutionen, Unternehmen oder Menschen zu verhandeln. 

Weltweit ist die Bewegung für Rechte der Natur im Vormarsch. Die Rechte von Mutter Erde wurden unter anderem in den Verfassungen Ecuadors und Boliviens verankert. Und auch das schwedische Parlament berät über diesen Vorschlag.

Tierschützer klagten bereits erfolgreich im Namen eingesperrter Zootiere. Immer mehr US-Gemeinden verankern die Rechte der ­Natur in ihren Satzungen, bekannt ist das Beispiel des Dorfes ­Tamaqua im Bundesstaat Pennsylvania, das sich auf diese Weise gegen giftige Einleitungen zur Wehr gesetzt hat. Immer mehr Flüssen wurden von Gerichten Eigenrechte zuerkannt, der Vilcamba in Ecuador war 2011 der erste. Je mehr wir über die Fähigkeiten und Gefühle von Tieren wissen, desto ungeheuerlicher erscheinen ­vielen Menschen und Experten die Verbrechen, die an Millionen von ­Tieren täglich begangen werden.

In Deutschland wurde bereits 1988 mit der Robbenklage der erste, leider erfolglose, Versuch unternommen, Tiere als Rechtspersönlichkeit anzuerkennen.

Politisch gewinnt dieses Vorhaben auch in Deutschland immer mehr Unterstützer: Das Bundesverfassungsgericht wird in Kürze über eine Klage entscheiden, die PETA im Namen von Ferkeln eingereicht hat. Würde diese Klage zugelassen, wäre der Weg dafür frei, dass Tieren Grundrechte zugestanden werden können. Die Umweltstiftung e.V. in München bereitet ein Volksbegehren für die Anerkennung der Rechte der Natur in der bayerischen Landesverfassung vor. Und die Bundesarbeitsgemeinschaft Ökologie der Grünen setzte sich dafür ein, dass das neue Grundsatzprogramm die Natur als Rechtssubjekt anerkennt.

Expertenvorschläge, wie die Rechtssubjektivität der Natur (­Tiere, Pflanzen und Umweltmedien) umgesetzt werden könnte, liegen vor. Das Grundgesetz, das Arten- und Tierschutzgesetz könnten die Achtung und den Schutz der Rechte der Natur einfordern. Noch weitergehend wäre die Ergänzung unseres Grundgesetzes um eine beispielsweise wie folgt lautende Passage: «Die Grundrechte gelten auch für die Natur, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.»

Da Papier geduldig ist, brauchen wir für die Durchsetzung der Rechte der Natur aber außerdem starke Institutionen, die über die Rechte der Natur wachen. Nationale und internationale Institu­tionen könnten als Treuhänder für die Rechte der Natur eingesetzt werden. Umweltschutz- und Tierschutzverbände könnten mit den Mitteln ausgestattet werden, die erforderlich sind, um die Rechte der Natur zu verteidigen und einzuklagen. Eine mit umfassenden ­Rechten ausgestattete (Staats-)Anwaltschaft könnte über die Rechte der Natur wachen. Ein Expertenrat müsste kontinuierlich über ihre Entwicklung und Einhaltung wachen und aktiv werden, wenn sie nicht respektiert werden. Und auch Bürgerinnen und Bürger sollten die Möglichkeit erhalten, vor Ort im Namen der Natur ihre Rechte einzuklagen.


Christine Ax ist Ökonomin und Philosophin. Sie schreibt und forscht seit den 90er Jahren zu Aspekten der Nachhaltigkeit und war und ist in vielen Zusammenhängen politisch aktiv. (www.christineax.de) Sie unterstützt die Rechte-der-Natur-Initiative von Dr. Georg Winter im HAUS DER ZUKUNFT, Hamburg.

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