Der Preis einer zukunftsfesten Industrie

Über CO2-Bepreisung wird mehr diskutiert als über jedes andere Klimaschutzinstrument. Damit dieses Instrument funktioniert, muss der Preis ausreichend hoch sein – und die Erlöse müssen fair und sinnvoll rückverteilt werden.

Der Kerngedanke ist einleuchtend: Wer die Atmosphäre mit Treibhausgasen verschmutzt, soll dafür zahlen. Die Verschmutzung soll einen Preis bekommen. CO2-Bepreisung bewirkt die Internalisierung bisher externalisierter Kosten. Es entsteht ein ökonomischer Anreiz, Emissionen zu mindern.

In Deutschland gibt es seit diesem Jahr zwei parallel laufende CO2-Bepreisungssysteme: Der europäische Emissionshandel bepreist Treibhausgasemissionen aus Stromerzeugung, energieintensiver Industrie und innereuropäischem Flugverkehr. Der nationale Emissionshandel gilt für Emissionen aus dem Verkehrs- und Gebäudebereich. Wobei die Bezeichnung Emissionshandel für das nationale CO2-Bepreisungsinstrument eigentlich irreführend ist, denn hierzulande gibt es eine politisch festgelegte CO2-Abgabe auf Heiz- und Kraftstoffe. Anders als im europäischen Emissionshandel werden keine Verschmutzungsberechtigungen gehandelt. Der CO2- Preis wird nicht am Markt gebildet, sondern ist bis zum Jahr 2026 politisch festgelegt.

CO2-Bepreisung ist ein Nehmen und Geben

In Deutschland kommen die Erlöse aus dem europäischen Emissionshandel und aus der nationalen CO2-Bepreisung in den Energie- und Klimafonds, der ein Sondervermögen des Bundes ist. Laut Bundesfinanzministerium belaufen sich diese Erlöse zwischen 2020 und 2023 auf insgesamt 51 Milliarden Euro. Das meiste davon, nämlich 31 Milliarden Euro, stammt aus dem nationalen Emissionshandel, zwölf Milliarden Euro aus dem europäischen Emissionshandel und acht Milliarden Euro Rücklagen, also Versteigerungserlöse aus dem europäischen Emissionshandel aus früheren Jahren. Mit den Erlösen werden Strompreissenkungen und Klimaschutzmaßnahmen wie zum Beispiel energetische Sanierungen gefördert. Die Wirksamkeit, also das Emissionsminderungspotenzial der CO2- Bepreisung, ergibt sich damit einerseits aus der Lenkungswirkung der Preise (Anreizseite) und daraus, was mit den Erlösen bewerkstelligt wird (Rückverteilungsseite). Zudem werden wirtschaftliche und soziale Härten mit den Erlösen kompensiert.

Grafik: Preisentwicklung nationaler Emissionshandel

Die Vermeidungskosten sind unterschiedlich

Einige Klimaökonom:innen, Industrievertreter:innen sowie weite Teile von Union und FDP wollen den CO2-Preis zum Leitinstrument der Klimaschutzpolitik machen. Manche propagieren einen sektorenübergreifenden Emissionshandel, also einen gemeinsamen Markt für Emissionszertifikate aus den Bereichen Strom, Industrie, Straßenverkehr und Wärme auf europäischer Ebene. Dahinter steht die Annahme, dass es dem Klima doch wohl egal sei, wo die Emissionen eingespart werden. Man solle in den Industrie- und Produktionsbereichen Emissionen vermeiden, wo es günstig ist, dann bekomme man effizienten Klimaschutz. Die Vermeidungskosten sind je nach Sektor – Strom, Industrie, Transport und Gebäude – sehr verschieden.

Andere Fachleute sagen, dass ein gemeinsames Handelssystem für Emissionen aus Industrie-, Strom-, Transport- und Gebäudesektor nicht per se effizient ist, weil volkswirtschaftliche Kosten an anderer Stelle entstehen. Die CO2-Vermeidungskosten sind aktuell im Stromsektor niedrig. Für die Umstellung von Kohlestrom auf Ökostrom muss kein komplett neues Stromnetz gebaut oder die Hauselektrik neu verlegt werden. Es müssen keine neuen Endgeräte gekauft werden. Der Transformationsaufwand, also die Vermeidungskosten, im Verkehrssektor sind höher: Es braucht andere Energieformen, andere «Tank»-Infrastrukturen und andere Fahrzeuge. Nach dem Prinzip, «Dem Klima ist es doch egal, wo die Emissionen gespart werden», würden dem Stromsektor der größte Teil der CO2-Minderungslasten zugespielt. Die anderen Sektoren könnten es demnach langsamer angehen. Für klimagerechten Wohlstand auf Basis von innovativen, klimaschonenden Produktions- und Geschäftsmodellen braucht es aber in allen Sektoren ökonomische Anreize sowie Förderung und Ordnungsrecht. Wie problematisch eine technologische Aufholjagd ist, wissen die deutschen Autobauer bereits.

Grafik:  Einnahmen Energie (in Millionen Euro)

Wer heute in klimaschonende Technologien investiert, wird morgen in einer klimaneutralen Welt profitieren

Die ökologische Transformation ist eben auch ein Wettlauf um langfristigen ökonomischen Erfolg auf globalisierten Märkten. Schon heute verlangen mächtige Investor:innen und private Kapitalgeber:innen, dass sich Konzerne zukunftsfest aufstellen. Geld gibt es vor allem für Produkte und Geschäftsmodelle, die umweltschonend und digital funktionieren. Das andere gewichtige Argument gegen eine Abwälzung von Emissionsminderungen auf den Stromsektor ist ein soziales: Wenn die Klimaziele verschärft und die Minderungsaufgaben beim Stromsektor abgelagert werden, würde dies zu einem rasanten Strukturwandel führen – mit hohen sozialen und politischen Kosten.

Die EU-Kommission macht im Sommer 2021 einen Vorschlag zur Weiterentwicklung des europäischen Emissionshandels

Der Vorschlag ist Teil des Gesetzespakets «Fit for 55», mit dem die EU-Kommission 55 Prozent weniger CO2-Emissionen bis 2030 erreichen will. Zur Debatte stehen zwei Konstruktionen: entweder ein sektorübergreifender Emissionshandel oder ein zusätzliches Handelssystem für Transport und Gebäude. Die Industrieunternehmen müssen sich auf höhere Preise und weniger kostenfrei zugeteilte Verschmutzungszertifikate einstellen. Gleichzeitig sollen Instrumente eingeführt werden, die den klimaneutralen Umbau fördern und technologiespezifische Vermeidungskosten planbar machen und finanziell ausgleichen. Im Gespräch sind sogenannte «Carbon Contracts for Difference»: Anstatt kostenfreier CO2-Zertifikate erhält etwa ein Stahlkonzern Ausgleichszahlungen, wenn er auf klimaschonende Eisendirektreduktionsverfahren umstellt.

CO2-Bepreisung zieht immer Verteilungseffekte nach sich, die teilweise ausgeglichen werden müssen

Haushalte mit geringen Einkommen geben relativ gesehen einen höheren Anteil ihres Einkommens für Elektrizität, Heizen und Mobilität aus als einkommensstarke Haushalte. Mit gezielten Maßnahmen wie einer Wohngeld-Erhöhung werden Mehrbelastungen bereits kompensiert. Zudem profitieren alle Haushalte von einer Strompreissenkung, die mit Erlösen aus der CO2-Bepreisung und durch Bundeszuschüsse gegenfinanziert wird. Einige Expert:innen und Politiker:innen plädieren dafür, dass jede:r Einwohner:in am Ende des Jahres einen «Ökobonus» bzw. ein «Energiegeld» bekommt. Mit dieser Pro-Kopf-Rückverteilung soll ein fairer Ausgleich geschaffen und die Akzeptanz für das Instrument gesteigert werden. Die Rückerstattung könnte bei etwa 100 Euro pro Kopf liegen.


Stefanie Groll ist Referentin für Ökologie und Nachhaltigkeit in der Heinrich-Böll-Stiftung.

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