Nein, denn im Alltag kommt man ohne nicht weiter.

«Ist es verantwortungslos, weiter bei Facebook, Instagram und WhatsApp angemeldet zu sein?»

Es ist nicht möglich, sich von WhatsApp abzumelden. Jedenfalls nicht dann, wenn man im Alltag weiterhin mit all den Menschen zu tun haben will, mit denen man so zu tun hat. Da ist, zum Beispiel, die Kita-Leitung, die ihre Infos zum Sommerfest und zur Ausflugsplanung über WhatsApp verbreitet. Da ist die heterogene Elterngruppe der Grundschule, die bei WhatsApp über das Kantinenessen diskutiert. Da ist die Fußballgruppe, die den nächsten Treffpunkt per WhatsApp durchgibt. Da ist die ältere Verwandte, die man mit viel Beharrungsvermögen davon überzeugt hat, das Handy öfter mal anzulassen, und die jetzt Freude daran gefunden hat, über WhatsApp lustige Emojis in die Welt zu schicken.

Was soll man denen sagen: WhatsApp gehört zum Facebook-Konzern Meta, und wer den unterstützt, ist verantwortungslos?

Man kann das machen. Klar kann man. Man kann Menschen auch den Mittel­finger zeigen anstatt Guten Morgen zu sagen. Das bringt aber überhaupt nichts voran. Die einzige Folge ist: Man erschwert die Kommunikation mit Menschen oder schneidet sich ganz von denen ab, mit denen man zu tun haben muss und zu tun haben will. Wer je versucht hat, die übersichtliche Elternschaft einer einzelnen kleinen Schulklasse davon zu überzeugen, dass man den Elf- und Zwölfjährigen aufs erste Smartphone nicht WhatsApp laden sollte, sondern eine Alternative wie Signal, der wird ganz schnell demütig. Es geht nicht! Vielleicht klappt es in milieuhomogenen Privatschulklassen, aber in aller Regel ist es eine aussichtslose Diskussion.

Nun kann man natürlich sagen: Das ist kein Argument für WhatsApp und die anderen Dienste des Meta-Konzerns, sondern politische Faulheit, und Nichtstun ist unverantwortlich. Und ja, das ist in der Tat ein Argument.

Der Konzern, zu dem Facebook, WhatsApp, Instagram und irgendwann wohl ein virtuelles Metaversum gehören, in dem wir unseren Avataren exklusive 500-Euro-Sneaker anziehen können, wird seiner Verantwortung nicht gerecht. Er schert sich nicht ausreichend um Inhalte. Hassrede, Verschwörungsmythen, rechtsextremes Gedankengut, all das gibt es bei Facebook ohne Ende, und es verbreitet sich dank Facebook weiter. Die Datensammelei des Konzerns ist sowieso eine Frechheit. Selbstverständlich sind die Dienste von Meta auch nicht alternativlos.

Das Ding ist nur: Es wird nichts strukturell besser, wenn man als Einzelperson aussteigt. Die Vermüllung der Meere hört nicht auf davon, dass man selbst Plastikverpackungen meidet. Der Benziner verschwindet nicht davon, dass man selbst nach Freiburg zieht. Und an der Bedeutung von Facebook und Co. ändert sich auch nicht das Geringste, wenn man selbst aussteigt. Die Abmeldung Einzelner ist Symbolpolitik.

Wer mit Meta ein ernstes Problem hat und wirklich etwas tun will, der muss einen Massenausstieg organisieren. Muss Kampagnen entwickeln (und Facebook und Instagram für sie nutzen!). Muss für andere Geschäftsmodelle auf dem Social-Media-Markt kämpfen. Rückschläge aushalten. Weitermachen. Auf das Momentum hoffen. Und weil man alleine kaum etwas ändern wird, muss man in eine Organisation eintreten oder eine gründen. Bündnisse schmieden. Gemeinsam Strategien erarbeiten. Aufgaben verteilen. Klagen. Sich gegenseitig motivieren.

Was dagegen keine Lösung ist: Menschen, die digitalpolitische Grundsatzfragen nicht wirklich auf dem Radar haben, mitzuteilen, dass man mit ihnen leider nichts mehr zu tun haben kann, weil sie so dämlich sind, WhatsApp zu nutzen. Man kann ihnen aber natürlich ein Foto oder einen Link dieses Texts oder des Texts von Svenja Bergt in diesem Heft schicken, so als kleinen Diskussionsanstoß. Ob man es über Facebook, Instagram oder WhatsApp schickt, das ist zweitrangig.


Klaus Raab ist freier Journalist für Medien- und andere Gesellschafts­themen. Zuletzt etwa für Zeit Online, MDR („Das Altpapier“), brand eins, der Freitag, Bayerischer Rundfunk, Der Spiegel (online), taz.

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