Der Critical Raw Materials Act: Eine Alternative zu globalen Abhängigkeiten?

Die EU-Kommission will die Kreislauffähigkeit und Nachhaltigkeit im Umgang mit kritischen Rohstoffen in der EU und Drittländern verbessern. Wie Ressourcen eingespart werden könnten, dazu macht der Critical Raw Materials Act der EU allerdings wenig konkrete Vorschläge, ebenso vage bleibt er bei der Frage, wie eine echte Kreislaufwirtschaft geschaffen und die Partnerschaft mit rohstoffreichen Ländern nachhaltig gestaltet werden kann.

Europas Abhängigkeit von kritischen Rohstoffen sorgt seit Jahren für hitzige Debatten und stellt die EU vor geopolitische Herausforderungen. Die Europäische Kommission präsentierte daher im Frühling ihr Gesetz zu kritischen Rohstoffen, den sogenannten ­Critical Raw Materials Act. Ziel ist es, den Import von kritischen Rohstoffen zu diversi­fizieren und die heimische Versorgung zu stärken. So soll die Resilienz der EU-Lieferketten verbessert und dem steigenden Rohstoffbedarf für die Klimaneutralität der EU begegnet werden.

Mehr Unabhängigkeit von Rohstoffimporten

Der Critical Raw Materials Act hat zum Ziel, die Verarbeitungskapazitäten und den Abbau von kritischen Rohstoffen in der EU deutlich zu erhöhen. Durch Beschleunigung der Genehmigungsverfahren soll die Ausweitung des Bergbaus für mehr Unabhängigkeit von Importen sorgen und bis 2030 ein Zehntel der Versorgung sichern. Bereits jetzt verursacht der Bergbau in der EU allerdings Umweltprobleme und stößt häufig auf lokalen Widerstand. Im Norden Schwedens kämpfen die indigenen Sami seit Jahren gegen die Erweiterung einer Nickel-Mine, die ihren Lebensraum gefährden würde. In den Verhandlungen zu dem Gesetz werden wir Grüne deshalb darauf pochen, dass Planungs­beschleunigungen nicht dazu ­führen, dass Menschenrechts- und Umweltstandards missachtet werden. 

Komplett nachhaltiger Bergbau ist eine Unmöglichkeit. Nur wenn wir den Rohstoffabbau langfristig eindämmen, können wir seine Schäden auf Mensch und Umwelt minimieren. Auch die Kommission will die Kreislauffähigkeit und Nachhaltigkeit von kritischen Rohstoffen in der EU und Dritt­ländern verbessern, allerdings bleibt der aktuelle Vorschlag unzureichend. Es braucht strenge und kontrollierte Umwelt- und Sozialstandards für den Abbau in der EU ebenso wie in Drittländern und Maßnahmen zur Reduktion der Nachfrage, um den Druck auf den Sektor zu minimieren. Beim Thema Recycling werden im bisherigen Text jedoch nur unpräzise Vorschläge formuliert, konkrete Maßnahmen zur Stärkung einer tatsächlichen Kreislaufwirtschaft fehlen hier. Dabei arbeiten wir in der EU derzeit an vielen Gesetzen zur Einsparung von Ressourcen – durch nachhaltiges Produktdesign, das Recht auf Reparatur und verpflichtende Weiterverwertung. Das sind wichtige Schritte auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft, die auch dazu beitragen, internationale Abhängigkeiten zu reduzieren.

Partnerschaften auf Augenhöhe

Mit dem neuen Gesetz zu kritischen Rohstoffen will die EU ihre Zusammenarbeit mit internationalen Partnern ausbauen und diversifizieren. Bisher stammen oft mehr als 90 Prozent der EU-Importe kritischer Rohstoffe aus nur einem Drittland. Bis 2030 will die EU diesen Anteil auf 65 Prozent reduzieren. Dafür soll ihr Netz aus strategischen Partnerschaften mit rohstoffreichen Ländern erweitert werden. Um dabei eine echte Alternative zu Handelspartnern wie China zu bieten, muss sie neben hohen Sozial- und Umweltstandards beim Abbau die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in den Partnerländern glaubhaft in den Fokus stellen. Nur so können die versprochenen Win-win-Partnerschaften funktionieren.

In diesen Rohstoffpartnerschaften muss die EU deshalb die Produktions- und Weiterverarbeitungskapazitäten in den rohstoffreichen Ländern fördern. Zum Beispiel durch Investitionen in die Fertig- und Halbleiterindustrie vor Ort sowie durch die Stärkung von Wissens- und Technologietransfer. Der Gesetzesvorschlag der Kommission hat hier seine größte Schwäche, denn es gibt kaum konkrete Maßnahmen zur Gestaltung ­dieser Rohstoffpartnerschaften. Ich setze mich in den Verhandlungen dafür ein, dass klare Regeln zur Ausgestaltung der Rohstoffpartnerschaften festgelegt werden: Sie müssen verbindliche Sozial- und Umweltstandards beinhalten und die lokale Wertschöpfung fördern. Auch in den aktuellen Verhandlungen der EU über Handelsabkommen, zum Beispiel mit Indonesien, ­Australien und Chile, müssen wir uns für eine Neuausrichtung der Euro­päischen ­Handelspolitik mit ­einklagbaren Umwelt- und Sozial­standards einsetzen.

Der Rohstoffabbau wird auch in Zukunft ein brisantes Konfliktfeld bleiben. Der Druck auf den Sektor durch die Klimaerhitzung und Wasserknappheit bei steigendem Bedarf wird sich noch weiter erhöhen. Eine Alternative zu globalen Abhängigkeiten können wir nur schaffen, wenn wir nachhaltige internationale Partnerschaften und einen echten Übergang zur Kreislaufwirtschaft vorantreiben.


Anna Cavazzini sitzt seit 2019 für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Europa­parlament. Sie ist Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) sowie stellvertretende Vorsitzende der Brasilien-Delegation und stell­­vertretendes Mitglied im Ausschuss für internationalen Handel. Für die Grünen verhandelt sie im Handels­ausschuss den Critical Raw Materials Act. 

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