Staat und Wirtschaft in Ägypten – Die strukturelle Krise wird akut

Polizist in Giza, Ägypten
Teaser Bild Untertitel
Politische Turbulenzen und die einhergehende Wirtschaftsflaute haben die strukturellen Schwächen der ägyptischen Wirtschaft zugespitzt

Die seit Januar 2011 anhaltenden politischen Turbulenzen in Ägypten und die einhergehende Wirtschaftsflaute haben zahlreiche der seit langem bestehenden strukturellen Schwächen der ägyptischen Wirtschaft bedenklich verschärft. Um die laufenden Ausgaben zu decken, benötigt Ägypten ausländische Hilfszahlungen und Kredite, vor allem aus den Golfstaaten. Kurzfristig mag das funktionieren, aber an eine langfristige Erholung der Wirtschaft ist so nicht zu denken.

Die Kräfte, die für soziale Gerechtigkeit und politische Freiheiten eintreten, sind in Ägypten schwach – heute vielleicht sogar schwächer als zuvor. Im vergangenen Jahr haben die Sicherheitskräfte immer härter durchgegriffen, der politische Spielraum ist geschrumpft. Seit dem Verbot der Muslimbrüder, die sich nur ein Jahr politisch behaupten konnten, ist die aktuelle Regierung die einzig verbliebene Macht, der es gelingen kann, die zu Ende der Ära Mubarak verloren gegangene politische Kontrolle wiederherzustellen.

In den Debatten zwischen Akademikern, Fachleuten, Politikern und den Medien, zeichnen sich zwei wirtschaftspolitische Grundrichtungen ab. Ein Lager möchte die Wirtschaft umbauen und mehr soziale Gerechtigkeit schaffen, das andere, konservative, will vor allem kurzfristige Ziele erreichen, das heißt, Wachstum und Investitionen steigern, ohne an Mubaraks Wirtschaftsmodell etwas zu ändern.

Eine schwache Wirtschaft und finanzielle Sorgen

Die politischen Turbulenzen nach der Revolution vom 25. Januar 2011 haben eine Reihe struktureller Schwächen der ägyptischen Wirtschaft offengelegt. Hierzu gehört eine finanzielle Schieflage, die zu einem ständig wachsenden Haushaltsdefizit führte, die steigende Verschuldung, die Abhängigkeit von billigen Energieexporten (die stattfanden, obwohl Ägypten an Energieknappheit leidet) sowie, dass man allzusehr auf Branchen angewiesen war, die starken konjunturellen Schwankungen unterliegen. Zu den Faktoren, die auf die politische Lage vor Ort und in der Region empfindlich reagieren, gehören neben dem Tourismus auch ausländische Direktinvestitionen und Überweisungen von im Ausland lebenden Ägyptern.

Die Unruhen und die Wirtschaftskrise haben diese strukturellen Schwächen weiter verschärft. Zum einen verschlechterte sich die finanzielle Lage des Landes. Angaben des derzeitigen Finanzministers zufolge stieg das Haushaltsdefizit auf zwölf bis 13 Prozent des BIP. Diese Zahlen ähneln jenen vom Ende der 1980er Jahre – also aus einer Zeit, bevor Ägypten in das Stabilisierungsprogramm des IWF einstieg. Selbst nach den vorsichtigsten Schätzungen zufolge, ist die Staatsschuld auf über 90 Prozent des BIP gestiegen, was den Druck auf die Banken erheblich steigen lässt, Staatsanleihen und Schatzwechsel zu erwerben.

Ohne Tourismus keine Devisen

Zum anderen sanken die Devisenreserven von 35 Milliarden US-Dollar im Februar 2011 auf 15 Milliarden US-Dollar im Dezember 2012. In der Folge nahmen sie zwar wieder zu, jedoch nur leicht auf etwa 16 oder 17 Milliarden US-Dollar – und das, obgleich unter der Regierung der Muslimbrüder hohe Milliardenbeträge aus den Golfstaaten, u.a. aus Katar, ins Land floßen, und anschließend, nach dem Sturz Morsis im Juli 2013, ebenfalls hohe Beträge aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten kamen.

Die Devisenreserven schrumpften, da das Tourismusgeschäft einbrach und es zu Kapitalflucht kam. Obwohl die Einnahmen aus dem Suezkanal recht stabil blieben, gingen auch die Exporte leicht zurück. Seit Dezember 2012 konnte die Regierung folglich nicht mehr ausreichend Devisen aufbringen, um die Ölimporte zu decken (seit 2006 ist Ägypten Nettoeinfuhrland für Öl und seit 2012 für Energie insgesamt, inklusive Gas).

Allein um die laufenden Ausgaben zu decken, ist Ägypten heute abhängig von Krediten, Zuschüssen und Sachleistungen von geschätzten zwei Milliarden US-Dollar pro Monat. Genau jene Industrien, die für Devisen sorgen könnten, schwächeln und sind von Aufschwung und Wachstum weit entfernt. So muss man sich fragen: Wie lange kann Ägypten noch durch Hilfsleistungen aus den Golfstaaten über Wasser gehalten werden? Und wie könnte man, sollten die Hilfsleistungen zurückgehen, Ägyptens Energieimporte decken? Man muss sich dieser Frage stellen, denn schon heute zeichnet sich eine Verknappung von Strom und Treibstoff an – und dass, obgleich der Sommer erst noch bevorsteht.

Alles neu oder Flickschusterei?

Wirtschaftspolitisch gibt es in Ägypten heute zwei Lager: Für das eine hat ein kurzfristiger Aufschwung oberste Priorität. Hierzu will man das Vertrauen örtlicher und ausländischer Investoren stärken und Konjunkturprogramme auflegen, die im Wesentlichen durch die Golfstaaten finanziert werden würden. Das soll die Nachfrage ankurbeln und für Wachstum und Arbeit sorgen. Dieses Lager, dem Bürokraten und liberale Ökonomen angehören und das von al-Sisi unterstützt wird, möchte das Haushaltsdefizit vor allem durch eine Kürzung der Energiesubventionen – derzeit etwa 20 Prozent des Haushalts – abbauen.

Wirtschaftsfachleute aller Couleur sind sich einig: Die Energiesubventionen lassen sich auf Dauer nicht bewältigen, noch tragen sie zu mehr sozialer Gerechtigkeit oder besserer Wettbewerbsfähigkeit der ägyptischen Wirtschaft bei. Angesichts der zu erwartenden politischen und gesellschaftlichen Folgen, ist man sich jedoch uneinig darüber, wie die Subventionspraxis beendet werden kann. Die Gründe im Einzelnen darzustellen, führte hier zu weit, es herrscht jedoch weitgehend Einigkeit darüber, dass es angesichts der weltweiten Finanz- und Energiekrise und der sich verschlechternden Handelsbilanz am besten wäre, den Haushalt zu sanieren indem man die Kraftstoffpreise liberalisiert. Die steigende Staatsschuld könnte so gezügelt und der Druck auf das Bankensystem sowie die Verdrängung der Privatwirtschaft vom Markt abgeschwächt werden.

Hierbei ist entscheidend, Wachstum zu schaffen und den Teufelskreis zu durchbrechen, in dem sich Ägyptens Wirtschaft seit 2011 bewegt. Mehr Wachstum kann Arbeitsplätze schaffen und ein Klima, in dem finanzwirtschaftliche Probleme leichter behoben werden können - etwa indem man Subventionen durch höhrere Steuereinnahmen ausgleicht. Folgt man dieser Sichtweise, dann würde die Wirtschaft eine positive Dynamik gewinnen mit der mittelfristig Investitionen ins Land kommen, die Devisenbestände wieder wachsen, die Zahlungsbilanz saniert und das Land von den Finanzspritzen aus den Golfstaaten unabhängiger wird.

Die Konservative und die Linke

Dieses Lager konzentriert sich kurz- wie mittelfristig auf makroökonomische Fragen und will die Wirtschaft nicht umbauen. Das bedeutet, es wird nicht versucht, Ägyptens Wirtschaftsystem so umzugestalten, dass es an politischer und gesellschaftlicher Legitimät gewinnt. Besonders für die jungen Menschen im Lande war Hosni Mubaraks Wirtschaftsmodell nie ein Erfolg, nie gerecht, und dass, obgleich es die ausländischen Direktinvestitionen und die Exporte ansteigen ließ und für relativ viel Wachstum sorgte (im Durchschnitt um 6 Prozent jährlich zwischen 2004 und 2011).

Jene Kreise in Politik, Wirtschaft und Medien, für die allein ein Aufschwung das Ziel ist, stehen für eine sehr konservative Politik. Sie steht auch für eine Haltung, die die Revolution vom 25. Januar ablehnt oder zumindest von mehr sozialer Gerechtigkeit nichts wissen will. Nur Mubaraks Wirtschaftsmodell ist für sie der Ausweg aus der Finanz- und Wirtschaftskrise Ägyptens.

Für das andere Lager, dem linke Politiker und Ökonomen angehören, bedeutet eine Rückkehr zur Wirtschaftspolitik der Ära Mubarak eben jene Fehler zu wiederholen, die letztlich in die Krise und zum Sturz des Regimes führten. Für sie ist die wirtschaftspolitische Strategie der nächsten Jahre für Ägypten eine Frage von Leben und Tod. Ihnen zufolge kann eine neue Regierung nur dann Legtimität gewinnen, wenn es ihr gelingt, die Wirtschaft umzubauen. Dies ist jedoch, nicht nur was die Umsetzung angeht, eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, und auch die erforderlichen Planungen sind alles andere als einfach.

Die Revolution vom 25. Januar kam nie über die Phase des Protests hinaus - sei es gegen die Militärregierung oder gegen die Muslimbrüder. Von einer organisierten Bewegung kann nicht die Rede sein und so gab es auch kein konkretes wirtschaftspolitisches Programm der Revolution. Zwar gab es Parolen für soziale Gerechtigkeit, Freiheit, mehr Brot und Würde, die linke Wurzeln vermuten lassen. Aber in den vergangenen drei Jahren hat sich hieraus keine politische Stoßrichtung entwickelt, keine durch ein Programm gefestigte Bewegung, die nach der Macht greift. Konservativen und selbst reaktionären Kräften – seien es die Muslimbrüder, sei es das Militär – gab dies die Möglichkeit, immer wieder im Namen der Revolution aufzutreten.

Das Militär, die Wirtschaft und die Legitimität

Als im "Namen des Volkes" das Militär dazu aufgefordert wurde, gegen die Muslimbrüder vorzugehen, war klar, dass es revolutionäre politische oder wirtschaftliche Veränderungen nicht geben würde. Damit soll jedoch nicht gesagt sein, das Wirtschaftsmodell Mubaraks könne nicht geändert werden oder as-Sisis Weg an die Macht sei nur eine Wiederholung der Ära Mubarak. Vorhersagen lassen sich schwer treffen, sicher ist aber, al-Sisi steht unter großem Druck, denn seine Anhänger erwarten von ihm nun Taten.

Die Frage ist: Kann und will das Militär das wirtschaftspolitische Modell der Ära Mubarak umbauen? Berücksichtigen muss man hierbei, dass al-Sisi wiederholt erklärt hat, der ägyptische Staat müsse sich von neuem legitimieren und Gesellschaft und Nation zusammen gehalten werden. Eben hiermit wurde auch das Eingreifen des Militärs begründet.

Es greift zu kurz, wenn man sagt, das Militär sei tendeziell stets konservativ und wolle in erster Linie den Staat und damit auch die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse bewahren. Das Militär vertritt nicht einfach nur die Interessen jener, die von Mubaraks Wirtschaftssystem profitierten. Zwischen den Partnern des Bündnisses, dass sich im Juni 2013 gegen die Muslimbrüder bildete, gibt es erhebliche Spannungen. Diese Spannungen werden an die Oberfläche treten, wenn in naher Zukunft die Macht an den Kandidaten des Militärs übergeben wird. Besonders offensichtlich wird es dort, wo sich einerseits alte Seilschaften und wirtschaftliche einflussreiche Familien und andererseits jene gegenüberstehen, die eine neue Regierung auf eine breite gesellschaftliche Basis stellen wollen. Auch innerhalb der Sicherheitskräfte ist mit Spannungen zu rechnen, denn es ist unklar, welche Freiheiten eine Regierung der Öffentlichkeit zugestehen wird, die ihrerseits unter der Kuratel von Militär, Sicherheitskräften und Justiz steht.

Es ist zu früh um zu beurteilen, ob die militärische Führungsspitze einen Plan oder ein Programm für den Umbau von Ägyptens Wirtschaft hat. Man kann aber davon ausgehen, dass das Militär für Wachstum sorgen und einen Staatsbankrott vermeiden möchte, und dass es gleichzeitig versuchen wird, die Legitimität des alten, autoritären Staatsapparats wiederherzustellen.

Abgesehen von Plänen, durch Investitionen für Arbeitsplätze und Wachstum zu sorgen, deutet nur der lobende Verweis des Militärs auf das Erbe Nassers darauf hin, wie es um sozialen Frage steht. Die Regierung Nassers, die auf die Unabhängigkeit Ägyptens folgte, versuchte politische Freiheiten zu beschneiden und dafür die wirtschaftlichen Rechte der Menschen auszubauen. Das Ergebnis war ein breites regierungsfreundliches Bündnis aus Arbeitern und Angestellten im öffentlichen Dienst sowie von Studenten. Dieser autoritäre, populistische Ansatz verlor in den 1970er Jahren an Bedeutung, da die Finanzkrise und eine liberale Wirtschaftsordnung den Einfluss des Staats auf die Warenproduktion und -verteilung schmälerte.

Nachwirken der Seilschaften aus der Mubarak-Zeit

Nassers Programm kann heute nicht wiederbelebt werden, dafür gibt es zahlreiche innen- wie außenpolitische Gründe. Die gegenwärtige Lage lässt es auch nicht zu, durch staatliche Umverteilung ein Bündnis zwischen Arbeitern und Angestellten zu bilden. Der Präsidentschaftskandidat der Militärs verspricht dergleichen auch erst gar nicht, weiß man doch, dem Staat mangelt es an den Mitteln für derartige Programme. Hinzu kommt, sollte der Staat wieder stärker ins Wirtschaftsleben eingreifen, könnte dies ausländische Investitionen gefährden.

Den unter Mubarak erfolgten Wandel zum Kapitalismus werden die Militärs kaum in Frage stellen, fehlen ihnen doch die Mittel und sind sie zu sehr vom Ausland, speziell den internationalen Finanzinstituten, abhängig. Die meisten Entscheidungsträger in Staat und Wirtschaft sind zudem stark vom neoliberalen Denken geprägt. Es wird jedoch auch kaum möglich sein, die unter Mubarak herrschende Vetternwirtschaft wieder herzustellen, ohne sich gleichzeitig die selbe Legitimationskrise einzuhandeln, die das alte Regime zu Fall brachte.

Vielleicht wäre es jedoch möglich, den Einfluss der Seilschaften aus der Mubarak-Zeit, wenn nicht auszuschalten, so doch zu beschneiden? Diese Netzwerke kontrollierten seinerzeit fast die gesamten Produktionsmittel – Land, Energie, Kredite – und sie beherrschten den Markt. Könnte man dies ändern, dann wäre es möglich, mittlere und kleine Produzenten produktiv und wettbewerbsfähig zu machen.

Möglich sind solche Reformen aber nur, wenn sich das Verhältnis zwischen Bürokratie und Privatwirtschaft grundlegend ändert. Dazu gehört auch, die Beziehungen zwischen Staat und Großkapital neu zu ordnen, um so die Steuerbasis zu erweitern. Mit diesen Steuereinnahmen ließe sich dann das Gesundheits- und Bildungswesen ausbauen, was die Produktivität der ägyptischen Wirtschaft insgesamt heben und für höhere Löhne und mehr Arbeit sorgen würde.

Wie geht es weiter mit den wichtigen Akteuren: dem Militär und einflussreichen Unternehmerfamilien?

Zwei Fragen sind im Moment noch ganz offen. Die erste: Wie ist es um den Anteil der Militärs an der eben beschriebenen Vetternwirtschaft bestellt? Der Aufstieg der heutigen Militärs gelang, weil sie Zugriff auf Land hatten sowie eine Monopolstellung in Branchen, die den Sicherheitskräften unterstanden, d.h. in den Bereichen Energieversorgung, Telekommunikation und öffentliches Bauwesen.

Die zweite Frage lautet: Kann die neue Führung die wichtigen Unternehmerfamilien zu einer Kursänderung bewegen? Mittelfristig wird das Militär diese Familien brauchen, da sie für Investitionen sorgen können und Zugang zu ausländischem Kapital haben. Kurzfristig ist es jedoch wenig auf sie angewiesen, da momentan die wichtigen Geldströme vor allem aus den Golfstaaten kommen, denen daran gelegen ist, Ägypten zu stabilisieren. Das Militär verfügt über diese Mittel, was der neuen Führung einen gewissen Manövrierraum verschafft, die wirtschaftlichen Spielregeln – soweit überhaupt gewünscht – zu verändern.

In seinem 1971 auf Deutsch erschienenen Buch "Ägypten: Militärgesellschaft. Das Armeeregime, die Linke und der soziale Wandel unter Nasser" untersuchte Anouar Abdel-Malek die Revolution bzw. den Staatsstreich von 1952, durch den Nasser an die Macht kam. Abdel-Malek ging davon aus, dass Ägypten nach Ende des 2. Weltkriegs am Rande des gesellschaftlichen Zusammenbruchs stand. Verschärft wurde das Problem, weil das alte Regime nicht die Tragweite der gesellschaftlichen Konflikte erkannte und keine Position zur Unabhängigkeit Großbritanniens annehmen konnte. Die Folge war, dass sich das alte Regime einer Revolution gegenübersah, die sowohl es selbst wals auch den Kolonialismus beseitigte.

Für Abdel-Malek griff das Militär 1952 aus konservativen Interessen nach der Macht, nämlich um die Gesellschaft vor dem Zerfall zu bewahren und das Land zu verteidigen. Die Militärs stürzten den König, verboten Parteien, schickten die Briten nach Hause und versuchten, die wichtigsten Forderungen der Arbeiterschaft umzusetzen. Die neue Regierung führte eine Bodenreform durch, verteilte Land neu, verstaatlichte große Betriebe und zerschlug sowohl die Linke wie auch die Rechte. Dem Militär gelang es so, ein breites gesellschaftliches Bündnis derer zu bilden, die von diesen Maßnahmen profitierten. Abdel-Malek kommt zu dem Schluss, dass eine konservative Kraft wie das Militär in Ägypten "revolutionäre" Maßnahmen ergriffen hatte, um den Zusammenbruch der herrschenden Machtverhältnisse abzuwenden.

Die Rolle des Militärs - 1952 und 2014

Die Lage heute stellt sich ähnlich dar. Eine gesellschaftliche Krise sorgt für politisches Chaos – und das Militär greift ein. Aber was haben 1952 und 2014 wirklich gemein?

Die Antwort auf die Frage, kommt es zu Reformen – und wenn ja, wie weit werden diese gehen - hängt vermutlich davon ab, ob und wie sehr die militärischen und Sicherheits-Eliten ihren Versuch in Gefahr sehen, staatliche Legitimität von Neuem herzustellen. Die Lage ist unklar. Es scheint, als glaubten zumindest Teile des Sicherheitsapparats, die Welle der öffentlichen Proteste vom Juni 2013 zeige, dass die Bevölkerung von der gescheiterten politischen Transformation entäuscht ist und sich eine Rückkehr zu den Verhältnissen vor Januar 2011 wünscht. Anderen innerhalb der Führungsspitze scheint hingegen klar zu sein, dass der 30. Juni ihre letzte Chance war – und kein Blankoscheck dafür, die alte Ordnung wiederherzustellen. Eben dieser Flügel von "Reformern" glaubt, es sei nötig, das Entwicklungsmodell Ägyptens so zu verändern, dass es gerechter wird und mehr Menschen daran Anteil haben. Anders sei die Legitimität des Staates nicht wiederherzustellen.

 

Amr Adly ist "postdoctoral fellow" am "Center on Democracy, Development, and the Rule of Law" der Stanford University. Dort leitet er ein Forschungsprojekt über Reformen des Privatsektors nach dem arabischen Frühling in Ägypten und Tunesien. Adly ist der Autor des Buches "State Reform and Development in the Middle East: Turkey and Egypt in the Post-Liberalization Era" (Routledge, 2012).

Aus dem Englischen von Bernd Herrmann.